Das Geschwätz von der Gleichstellung
Das Schweizer Parlament hat beschlossen, das Rentenalter der Frauen auf 65 Jahre zu erhöhen und damit demjenigen der Männer anzugleichen. Der junge FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt sagte «20 Minuten», dies sei ein wichtiger Schritt für die Gleichstellung von Mann und Frau. Ein erstaunliches Argument, lehnt doch die bürgerliche Parlamentsmehrheit regelmässig Schritte für die Gleichstellung ab.
Wo Konservative Gleichstellung verhindern
Einige Beispiele:
- Lohngleichheit: Das Gesetz verbietet seit 25 Jahren diskriminierende Löhne. Wegen der Intransparenz der Löhne ist die Beweislage jedoch schwierig. Klagen enden deshalb oft vorzeitig mit einem Vergleich. Von griffigen Regeln für eine Lohntransparenz und damit einem wichtigen Schritt für die Gleichstellung will die bürgerliche Parlamentsmehrheit bis heute nichts wissen.
- Elternzeit: Nach zähem Ringen konnte sich das Parlament auf zwei Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub einigen. Das ist im Vergleich mit anderen Ländern lächerlich wenig. Ein echter Schritt Richtung Gleichstellung wäre eine mehrmonatige bezahlte Elternzeit, die Mütter und Väter untereinander aufteilen können.
- Individualbesteuerung: Das Parlament hat bisher alle Vorschläge für die Einführung einer Individualbesteuerung abgelehnt. Sie wäre einer der wichtigsten Schritte für die Gleichstellung, wie Marco Salvi von der neoliberalen Denkfabrik «Avenir Suisse» bereits vor einigen Jahren schrieb. «Es gibt heute in der Schweiz Zehntausende von gut qualifizierten Frauen, die aus steuerlichen Gründen vom Arbeitsmarkt fernbleiben oder nur zu sehr tiefen Pensen arbeiten.» Und weiter: «Die Einführung der Individualbesteuerung würde die Anliegen der Frauen viel stärker voranbringen als eine Quote in Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen von börsenkotierten Unternehmen.»
- Unterhaltsrecht: Das Bundesgericht verlangt von Frauen, nach der Scheidung finanziell selber für sich zu sorgen. Deshalb müssen Männer weniger Unterhalt zahlen und Frauen ihr Erwerbspensum erhöhen. In einer gleichberechtigen Welt kein Problem. Doch in der Realität sorgen zähe Rollenbilder und die Politik dafür, dass weiterhin vor allem Frauen die unbezahlte Arbeit erledigen. Entsprechend geringer ist ihr Erwerbspensum, ihr Einkommen, ihre Rente.
Das Volk entscheidet
Über die Erhöhung des Frauenrentenalters wird in letzter Instanz das Volk entscheiden. Linke und Gewerkschaften haben das Referendum ergriffen. Das höhere Rentenalter bedeute einen Rentenabbau. Frauen seien im Erwerbsleben nach wie vor diskriminiert und ihre Durchschnittsrente tief. Deshalb sei es inakzeptabel, dass sie nun die Hauptlast der Reform tragen sollen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Die Autorin ist Redaktorin und Herausgeberin der Online-Zeitschrift «FrauenSicht».
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