Kommentar

Horta-Osório musste gehen. Warum nur Urs Rohner so lange nicht?

Thomas Kesselring © zvg

Thomas Kesselring /  Bei der CS stellt sich die Frage, nach welchen Regeln entschieden wird, wer geschasst wird und wer bleiben darf.

Red. Auf Infosperber berichtete Thomas Kesselring seit 2016 über den Mosambik-Kreditskandal, in den die Credit Suisse verwickelt ist. Kesselring unterrichtete jahrelang an einer Universität in Mosambik.

Nach knapp neun Monaten nimmt der neue Präsident der Credit Suisse, António Horta-Osório, bereits wieder den Hut. Dass er sich in mindestens zwei Ländern nicht an die Corona-Regeln gehalten hat, ist schon seit einigen Tagen bekannt. Zu Fall gebracht hat ihn aber wohl erst die Aufregung über einen serbischen Tennisspieler und einen britischen Premierminister. Wenn zwei so berühmte Herren, die sich über staatliche Corona-Gesetze hinwegsetzen, nicht ungeschoren wegkommen, dann darf das der Dritte ebenso wenig. Kein Zweifel, das ist konsequent: Ein richtig schönes Beispiel von Rechtsgleichheit, sogar im internationalen Vergleich. Gut möglich, dass bald noch weitere vergleichbare Fälle von sich reden machen.

Aber wie war das nochmals mit António Horta-Osórios Vorgänger bei der Credit Suisse, Urs Rohner? Mit Hilfe des Verwaltungsrats setzte dieser vor zwei Jahren durch, dass der CEO der Bank, Tidjane Thiam, die Bank verlassen musste. Unter seiner Verantwortung war der Chef der internationalen Vermögensverwaltung, Iqbal Khan, beschattet worden, bevor er zur UBS wechselte, und Thiam wollte von der Beschattung nichts gewusst haben.

Nichts gewusst haben wollte damals aber auch Urs Rohner, und zwar nicht nur von der Schmierenkomödie um die Beschattung, sondern auch von einer durch die Bank mitverschuldeten Tragödie ungleich grösseren Ausmasses. Die Rede ist vom fatalen Kreditgeschäft mit Mosambik, das der Bank ein halbes Jahr nach Rohners Demission – fürs Erste – Bussen von einer halben Milliarde Dollar einbrockte und das ihr in naher Zukunft noch weiteres Ungemach bereiten wird. 

Die Verwicklung der CS in den Mosambik-Skandal war bereits fünf Jahre vor Rohners Abgang in den internationalen Schlagzeilen. Kurz darauf wurde bekannt, dass das afrikanische Land infolge des Skandals zahlungsunfähig wurde und in eine Wirtschaftskrise geriet. Schätzungen zufolge fielen deswegen mehr als eine Million Menschen in die absolute Armut zurück. 

Noch im April 2019, anlässlich der CS-Generalversammlung, erklärte Rohner jedoch hoch und heilig, er habe über die krummen Touren, die in der Londoner CS-Filiale die Mosambik-Kredite auf den Weg gebracht hatten, erst vor kurzem durch die amerikanische Anklage gegen drei CS-Banker erfahren. 

Tidjane Thiam und Rohner spiegelten beide Ahnungslosigkeit vor. Thiam im Kontext der Bespitzelung, Rohner wegen des Supergaus, den die CS mit den Mosambik-Krediten veranlasst hatte. Horta-Osórios Bruch der Corona-Regeln brachte der CS einen vergleichsweise kleinen Reputationsschaden, Thiams Verhalten rund um die Bespitzelung war dem Ruf der CS ebenfalls nicht förderlich. Rohners Verhalten verursachte aber beides – einen Reputations- und einen massiven finanziellen Schaden. Wieso blieb er verschont?

Tidjane Thiam und António Horta-Rosário sind Ausländer, Urs Rohner ist Schweizer. Das kann aber doch wohl nicht der entscheidende Unterschied sein!?

Haben am Ende unsere Medien Rohner geholfen? Nach kurzem Aufflackern in den Nachrichten geriet das Mosambik-Schlamassel jedes Mal wieder in Vergessenheit. Die Riesenverluste, welche die CS mit Greensill und Archegos einfuhr und welche die Medien zu Recht geisselten, sind tatsächlich ebenfalls schwerwiegend, aber sie schädigen „nur“ die Bank bzw. ihre Aktionäre und nicht auch noch ein ganzes Volk von 30 Millionen Einwohnern. Mosambik – so die Erklärung eines Journalisten – liege halt eben weit entfernt. 

Australien, dessen Verärgerung über Novak Djokovic Schlagzeilen machte, liegt allerdings noch viel weiter entfernt, und eine ernsthafte Tragödie ist das Djokovic-Debakel sicher nicht. Dass die australischen Schlagzeilen ausreichten, um die Medienaufmerksamkeit auch auf Boris Johnson und António Horta-Rosório zu richten, ist nicht selbstverständlich, befriedigt aber unser Gerechtigkeitsgefühl. 

Horta-Rosório und Urs Rohner wurden hingegen definitiv mit unterschiedlichen Ellen gemessen.

Das Mosambik-Schlamassel – zur Erinnerung

Im September 2013 jubilierte der französische Präsident über den Auftrag aus Mosambik, in einer Werft von Cherbourg Schiffe in der Höhe von 230 Millionen Dollar zu bauen. Der von der CS ausgerichtete Schiffskredit („Ematum-Kredit“) betrug aber 850 Millionen Dollar. Bis heute weiss niemand genau, was mit den restlichen 620 Millionen passierte. Im afrikanischen Land bleibt der Skandal seit 2013 in den Medien fast ständig präsent.

Im April 2015 findet sich auch die Credit Suisse als Kreditgeberin des Ematum-Kredits explizit in den mosambikanischen Schlagzeilen. Beim Internationalen Währungsfonds löst der Kredit grosse Irritation aus, und die Schweiz, Kanada und Finnland zögern im Juni 2015, an Mosambik die Budgethilfe für 2016 zuzusichern. 

Im März 2016 beteiligt sich die CS an einer Umstrukturierung des Ematum-Kredits und verschweigt, dass sie an Mosambik noch einen weiteren Kredit vergeben hat („Proindicus-Kredit“). Kurz darauf wird die Geheimhaltung dieses und noch eines weiteren Kredits an das afrikanische Land international publik. Drei Kredite von insgesamt 2007 Millionen Dollar wurden in den Sand gesetzt. Für gut die Hälfte davon ist die CS verantwortlich. Mosambik wird an den Pranger gestellt, die Budgethilfe eingefroren. Das Land gerät in die grösste Krise seit dem Bürgerkrieg von 1975-91. 

Im Dezember 2016 stellt Rat Kontrapunkt in einem offenen Brief via WOZ ein paar Fragen zum Kreditskandal an die Chefs der CS, die nie beantwortet werden – denn Urs Rohner wusste ja angeblich nichts.

Ende Juni 2017 publiziert die Firma Kroll einen Audit-Bericht über die Genese des Skandals. Die CS, die anscheinend nicht recht kooperiert hat, beschwert sich danach, im Bericht werde der Profit der Bank zu hoch eingeschätzt. 

Oktober 2021: Das amerikanische Justizdepartement, die amerikanische und die englische Finanzmarktaufsicht verurteilen die CS zu annähernd 500 Millionen Dollar. Die englische Financial Conduct Authority verfügt ausserdem, Mosambik seien 200 Millionen seiner Kreditschulden an die CS zu erlassen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Flagge_Mosambik

Credit Suisse im Mosambik-Skandal

Mit einer russischen Bank hat die CS zwei Milliarden Kredit gesprochen – ohne geforderte Sorgfaltspflicht.

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4 Meinungen

  • am 19.01.2022 um 12:17 Uhr
    Permalink

    Frage :
    Horta-Osório musste gehen. Warum nur Urs Rohner so lange nicht ?

    Die Antwort lautet ganz schlicht und einfach wie folgt :
    – erstens : weil Horta-Osório eine weniger potente Seilschaft im Rücken hatte;
    und
    – zweitens : weil im Moçambique-Kreditskandal ein armes afrikanisches Entwicklungsland Opfer der miesen CS-Geschäftspraktiken wurde und das Schicksal eines armen afrikanischen Entwicklungslandes hierzulande in der reichen Schweiz eh niemanden interessiert.

  • am 19.01.2022 um 13:47 Uhr
    Permalink

    In der Tat — die Proportionen der vorherrschenden Medienberichterstattung zur Credit Suisse sind in unserem Land massiv verzerrt. So mangelt es auch am nötigen Druck der kritischen Öffentlichkeit. Die diesbezüglich stets schläfrige FINMA lässt ebenfalls kritiklos grüssen. Möge der neue Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann von innen heraus dafür besorgt sein, dass in diesem ausser Rand und Band geratenen Finanzhaus endlich die Geschäftsintegrität konsequent durchgesetzt und die zu hohen eingegangenen Risiken abgebaut werden. Wenn nicht, werden über kurz oder lang die ausländischen institutionellen Grossaktionäre für Ordnung sorgen, allerdings dann nicht unbedingt im Sinn der schweizerischen Wirtschaft und Gesellschaft, wofür die Schweizerische Kreditanstalt einst gegründet wurde.

  • am 19.01.2022 um 13:49 Uhr
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    Der CS Verwaltungsratspräsident Hort-Osória wird durch Axel Lehmann ersetzt. Info Sperber stellt die Frage: «Aber wie war das nochmals mit Horta-Osórios Vorgänger bei der Credit Suisse, Rohner? Info Sperber erwähnt dazu die Beschattung von Iqbal Khan unter Rohner und die Verwicklung der CS in den Mosambik-Skandal.
    Wird sich die Credit Suisse unter Lehman auch an das Kriegsmaterialgesetz halten? Im Kriegsmaterialgesetzes von 2013 gibt es ein gesetzliches Finanzierungsverbot von verbotenen Waffen. Darunter fallen auch Atomwaffen, welche in Artikel. 7 Abs. 1 lit. a KMG aufgeführt sind».
    Artikel 8b des Kriegsmaterialgesetzes (KMG) «Verbot der direkten Finanzierung» und Artikel 8c «Verbot der indirekten Finanzierung»
    Laut der Kampagne für ein Atomwaffenverbot ICAN (Friedensnobelpreisträger 2017) betrugen die Investitionen der Schweiz in die Atomwaffenproduzenten im November 2021, 4’883 Millionen US-Dollar. Die CS investierte 2’059 Mio. USD in Firmen die nukleare Sprengkörper herstellen, die UBS 2’562 Millionen US-Dollar. Auch die Nationalbank investierte, laut ICAN, 64 Millionen US-Dollar in Firmen die Atombomben produzieren.
    Wie ist es mit der Rechtsstaatlichkeit der Schweiz vereinbar, dass von unserer Regierung in Bern nicht verhindert wurde, dass helvetische Institutionen 4’883 Mio. US-Dollars in Firmen investierten, die an der Produktion von Atombomben beteiligt sind, wie es das Kriegsmaterialgesetz verlangt?

  • am 19.01.2022 um 14:12 Uhr
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    Nach der Lektüre dieses Artikels drängen sich mehr einige Fragen auf: Sollte man nicht Herr Rohner postum die Ehrendoktorwürde für besonders glaubwürdiges Lügen und Leugnen verleihen, da er so viele Jahre seine besonderen Fähigkeiten auf diesem schwierigen Gelände bewiesen hat?
    Da er nach dieser einmaligen Auszeichnung sicher bei keiner Bank mehr einen Vertrag erhalten wird – nicht einmal für Portiersdienste, denn auch dort braucht es verlässliche Leute -. Damit unser Aussenminister nicht immer an die gleichen, langweiligen, schon längst bekannten Orte reisen muss, könnten ihn seine Kollegen doch beauftragen, mit dessen aus dem Amt gejagten Ex-der USA Kontakt aufzunehmem und ein gutes Wort bei seinem Freund für den ebenfalls zu Unrecht vertriebenen Herr Rohner einzulegen? Eine Hand wäscht die andere, aber damit ist die Story noch lang nicht zu Ende. Aber wir gäben sie in zuverlässige Hände, und wenn der tatsächlich eine Lösung fände?!

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