Sperberauge
Das Schweinsfilet hat Vorrang
Noch sind Tageszeitungen – und hoffentlich noch für lange – eine wichtige Informationsquelle der Bevölkerung. Aber sie leiden unter sinkenden Werbe-Einnahmen, weil mehr und mehr Werbetreibende mit ihrer Werbung ins Internet abwandern.
Umso interessanter ist, wie die Tageszeitungen mit den Anzeigen umgehen – zum Beispiel wie sie die Inserate platzieren. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen heute wie schon vor 50 Jahren, und es gehört zum heutigen Verlags-Know-how: Was in der Zeitung rechts platziert ist, wird besser beachtet, als was auf einer linken Seite platziert wird.
Da lohnte es sich in den letzten Tagen, da auch etliche ganzseitige Anzeigen für die sogenannte «Impfwoche» erschienen, also politische, von der «Schweizerischen Eidgenossenschaft» bezahlte Anzeigen, genauer hinzuschauen.
Das Resultat – als Beispiel die Aargauer Zeitung der CH Media-Gruppe: Die ganzseitigen Anzeigen von Coop, Migros und SPAR, ja sogar die ganzseitigen Anzeigen des Reisebüros Imbach und der Uhrenmarke Longines, waren in den letzten Tagen alle rechts platziert und meist ganz vorne im Blatt, der redaktionelle Teil auf jenen Doppelseiten musste also mit der linken Seite Vorlieb nehmen. Nicht so bei den Inseraten zur Impfwoche und zur Abstimmung am 28. November über das Covid-Gesetz: Sie wurden links platziert und meist weit hinten. Wen interessiert denn schon Politik!
Merke: Wenn Coop zehn Superangebote macht, drei davon für Fleisch und zwei für alkoholische Getränke mit bis zu 50% Rabatt, oder SPAR mit acht Superangeboten, eines für Fleisch und drei für alkoholische Getränke, ebenfalls mit bis zu 50% Rabatt, dann erscheint so eine ganzseitige Anzeige auf der rechtsliegenden Seite 5, der bestmöglichen in der ganzen Zeitung, oder ausnahmsweise auch mal auf Seite 7. Wenn Schwingerkönig Harry Knüsel und die Musikerin Melanie Oesch und zwei andere bekannte Persönlichkeiten aber auf einer von der «Schweizerischen Eidgenossenschaft» bezahlten ganzseitigen Anzeige die Bevölkerung dazu aufrufen, sich doch gegen Covid impfen zu lassen, dann wird diese Anzeige im zweiten Bund, linksseitig, und zum Beispiel auf Seite 22 platziert.
Es lebe das Schweinsfilet zum halben Preis!
Im Vergleich zu den Manipulationen mit sog. «Sponsored Content» sind das allerdings Peanuts. Denn hier merken nur aufmerksame Leserinnen und Leser, dass es sich nicht um einen redaktionellen Beitrag sondern um eine bezahlte Werbung handelt. Bei allem Verständnis für die schwierige Ertragslage der Verlage, damit untergräbt man die Glaubwürdigkeit viel stärker als durch die Platzierung von Inseraten.
Ist es nicht so, dass Inserate auf der rechten Seite wegen der höheren Beachtung teurer sind – und dass also der Inserent bestimmt, wo seine Reklame hinkommt?
Das ist definitiv nicht so. Und meines Wissens ist die bessere Beachtung der rechten Seite auch nicht eindeutig nachgewiesen. Aber vielleicht hat ja Herr Gasche dazu eine Quelle.
man könnte aber auch davon ausgehen, dass durch jahrelange Gewöhnung die linke Hälfte beim Leser als seriös, die rechte Hälfte aber als unseriös eingestuft wird. Dann wäre die Platzierung der Propaganda auf der linken Seite vielleicht durchaus gewollt.