Ärzteorganisationen laufen Sturm wegen Firmenkauf
Normalerweise geben medizinische Fachgesellschaften keine Kommentare zu Firmenkäufen ab. Doch beim geplanten Kauf der Firma «Vectura» durch den Tabakkonzern Philip Morris ist das anders: «Sehr alarmiert» und «sehr besorgt» äussert sich beispielsweise die «Europäische Respiratorische Gesellschaft» (ERS) in einer Stellungnahme. Die ERS ist eine der bekanntesten Vereinigungen von Lungenfachärzten.
«Extrem unethisch»
Vectura ist darauf spezialisiert, Wirkstoffe inhalierbar zu machen und Inhalierhilfen zu entwickeln. 13 verschiedene Medikamente würden auf den von Vectura entwickelten Technologien basieren. Laut der «NZZ» gehören die Pharmakonzerne Novartis, Bayer und GlaxoSmithKline zu den Kunden. Patienten nehmen diese Medikamente zum Beispiel gegen Asthma oder gegen Lungenschäden, die durchs Rauchen entstanden sind.
Genau deshalb regen sich nun nicht nur die ERS, sondern auch weitere medizinische Organisationen auf. Die Tabakindustrie sei verantwortlich für das Leiden und den vorzeitigen Tod von jährlich Millionen von Menschen rund um den Globus, hält die ERS fest. «Es ist extrem unethisch für eine Tabakfirma, daraus Profit zu ziehen, Menschen von ihren immens schädlichen Produkten abhängig zu machen und in der Folge noch weiteren Gewinn aus Medikamenten zu ziehen, die hergestellt werden, um die Schäden zu behandeln, die durch ihre Produkte verursacht wurden.»
«Vision einer rauchfreien Zukunft»
Der Grund, warum der Tabakkonzern an Vectura interessiert ist: Laut dem Konzernchef Jacek Olczak werde Philip Morris in zehn bis fünfzehn Jahren keine Zigaretten mehr verkaufen. «Zusammenarbeit kann zu einer rauchfreien Zukunft führen», heisst es in einem Video auf der Website von Philip Morris. Erst kürzlich kaufte der Tabakkonzern eine Firma, die Nikotinkaugummis und andere Nikotinersatzprodukte herstellt. «Philip Morris arbeitet daran, sein Nicht-Tabak-Angebot zu erweitern, da immer mehr Menschen in den Industrieländern mit dem Rauchen aufhören und einen gesünderen Lebensstil anstreben. Das Unternehmen leistete mit seinen IQOS-Heiztabakgeräten Pionierarbeit auf dem breiteren Markt für Zigarettenalternativen», schrieb die «NZZ» im Juli. «Mit Vectura hofft das Philip Morris International Management, seine Vision einer rauchfreien Zukunft rascher realisieren zu können.» Vectura solle unter dem Dach von Philip Morris als eigenständige Firma weiterarbeiten können.
Die europäische Vereinigung der Lungenfachärzte dagegen unterstellt Philip Morris noch andere Absichten: Mit dem Kauf der britischen Firma könne der Tabakkonzern die von Vectura entwickelten Inhalations-Verfahren benützen, um die eigenen Tabakprodukte noch suchterzeugender zu machen, so der ERS. Philip Morris hat etwa 1,4 Milliarden Dollar für Vectura geboten, die auf ihrer Website mit «massgeschneidertem Inhalations-Service» wirbt.
Appell an Verantwortliche und Behörden
Auch die Britische und die Amerikanische Thorax Gesellschaft, «Asthma UK», die britische Lungenstiftung und weitere Vereinigungen hegen grosse Bedenken. Über 20 Unterzeichner haben laut der Nachrichtenagentur Bloomberg an die Verantwortlichen bei Vectura appelliert, den Verkauf an Philip Morris zu überdenken: «Wir bitten Sie dringend, das Übernahmeangebot abzulehnen.» Der Tabakkonzern selbst nahm gegenüber Bloomberg nicht Stellung.
«Es ist klar, dass die Akquisition weder im besten Interesse der Öffentlichkeit ist, noch der Patienten mit Lungenerkrankungen oder der pharmazeutischen Firmen», schreiben beispielsweise die Amerikanische Lungenvereinigung und die Amerikanische Thorax Gesellschaft.
Finanziell könnte der Kauf Vectura überdies zum Nachteil gereichen, prophezeit die ERS, weil Ärzte es vermeiden würden, Medikamente zu verschreiben, die von einer Firma stammen, welche die Tabakindustrie reicher mache. Für den Fall, dass die Aktionäre von Ventura den Kauf gutheissen würden, fordert die ERS die britischen Behörden sogar auf, einzuschreiten.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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‹Der Tabakkonzern Philip Morris möchte eine Pharmafirma kaufen, die Medikamente gegen Lungenschäden bei Rauchern entwickelt.›
Daran gibt es nichts zu kritisieren. Ob Pharma- oder Tabakkonzern, beide sind auf der gleichen untersten Moralstufe angesiedelt. Nichts hat der Medizin seit 1955 so viel geschadet, wie die Existenz kommerzieller Krankheitsbewirtschaftung, allen voran die Pharmaindustrie. Ethische Medizin muss von allen wirtschaftlichen Momenten isoliert sein. Therapien dürfen kein Preisschild haben. Wer Gewinne erzielen will, muss von allen Aufgaben des Gemeinwohls ausgeschlossen bleiben.
Auch wenn es die gross Mächtigen und die schwer Reichen garantiert sicher nicht wissen wollen: Eine Welt, wo ums Verrecke nur zählt, was sich bezahlt macht, kann keine Zukunft haben.
Jesses, keinesfalls möchte ich von einem Arzt behandelt werden, der ein solches Menschenbild hat.
Man könnte ja das Medikament gegen Lungenkrankheiten gleich in die Zigaretten integrieren. So könnten Leute mit durchs rauchen verursachten Lungenkrankheiten trotzdem weiterrauchen. Win win oder doch nicht?
Das allgemeine Prinzip ist bestens erprobt:
Zuerst zerstören,
dann wieder aufbauen
und an beidem kräftig verdienen.
https://www.friedenskraft.ch/blog