Frau tippt ins Smartphone

Bei «Long Covid» spielen Social Media eine grosse Rolle. © Petra Bork / pixelio.de

Wie «Long Covid» geschaffen wurde und was wir noch nicht wissen

Martina Frei /  Betroffene nahmen das Heft selbst in die Hand. Über das Risiko von «Long Covid» berichten Medien ohne einzuordnen.

Das Risiko von gesundheitlichen Folgen nach Covid-19 ist noch wenig erforscht. Wer schärfere Massnahmen verlangt oder auch gesunden Teenagern eine Impfung empfiehlt, führt zuweilen das Risiko von «Long Covid» ins Feld: «Wenn die Menschen klar verstehen würden, […] dass sie zum Teil ihre Gesundheit verlieren – zumindest für lange Zeit – dann wäre die Impfbereitschaft höher», argumentierte beispielsweise der deutsche Politiker Karl Lauterbach in der Sendung «ARD Extra».

Wahrscheinlich handelt es sich bei «Long Covid» um die erste Erkrankung, die nicht von Ärzten definiert wurde, sondern von Betroffenen, die sich über Twitter und andere Social Media gefunden haben. Zu diesem Befund kamen jedenfalls die italienische Archäologin Elisa Perego und die britische Geografie-Professorin Felicity Callard in einem Fachartikel. Die beiden Wissenschaftlerinnen sind selbst von «Long Covid» betroffen und zeichnen in ihrem Artikel nach, «wie und warum Patienten Long Covid schufen». Hier die Chronologie:

Am Anfang, im Februar 2020, stand die Aussage der WHO, dass eine milde Covid-19-Erkrankung zwei Wochen dauere. Doch das passte nicht zu dem, was manche Betroffene erlebten. 

Das Heft selbst in die Hand nehmen

Im März 2020 begannen sich die ersten Betroffenen, die tatsächlich oder vermutet an längerfristigen Folgen von Covid-19 litten, in den Social Media darüber auszutauschen. «Wir müssen darüber reden, wie Corona-Genesungen aussehen. Sie sind viel komplizierter, als die meisten Menschen denken», lautete die Überschrift eines Artikels in der «New York Times» im April 2020. 

Verfasst hatte den Artikel eine junge Frau, die sich in ihrer Covid-19-Erkrankung ungenügend unterstützt fühlte und daraufhin eine Selbsthilfegruppe mitbegründete. Die Vision: Die Pandemie als Gelegenheit ergreifen, um einen Paradigmenwechsel in der Medizin herbeizuführen, damit jene, die «historisch marginalisiert» worden seien, nun das Heft selbst in die Hand nehmen würden. Tatsächlich kann der Weg zurück zur vollen Gesundheit für etliche Betroffene zermürbend sein.

Körperliche und emotionale Achterbahnfahrt

Anfang Mai 2020 wurde die Fachwelt hellhörig, als der britische Medizinprofessor Paul Garner von der körperlichen und emotionalen «Achterbahnfahrt» berichtete, die er selbst im Gefolge von Covid-19 erlebte. «Das Ziel dieses Beitrags ist», schrieb Garner, «diese Botschaft zu verbreiten: Bei manchen Menschen hält die Krankheit einige Wochen an.» 

Sein Blogbeitrag im «British Medical Journal» befeuerte die Publikumspresse – ein Artikel über Garner in «The Guardian» beispielsweise wurde in nur drei Monaten über eine Million Mal angeklickt. 

Etwa drei Wochen später folgte in «The Atlantic» der Artikel «Covid-19 kann mehrere Monate anhalten» – innert Kürze ebenfalls mit über einer Million Klicks.

Erst eine von zwanzig, dann eine von zehn

Noch immer gab es kaum belastbare Zahlen, wie häufig das Problem auftrat. Die Betroffenen hätten alle verfügbaren Daten «strategisch genützt», schreiben Callard und Perego im eingangs erwähnten Fachartikel. «The Guardian» berichtete mit Bezug auf eine Umfrage per «Covid-19 Symptom Study App», etwa einer von 20 Patienten sei betroffen. Auf Twitter machte nun #Covid1in20 die Runde. 

Zu dieser Zeit hielt es die WHO noch für kaum belegt, dass es Menschen gebe, die länger an Covid-19 leiden. 

Am 20. Mai 2020 twitterte die italienische Archäologin Elisa Perego den Begriff #LongCovid, der sich innert weniger Wochen verbreitete.

Keine drei Wochen später berichtete die «Covid-19 Symptom Study App» von «einer von zehn Personen», die nach drei Wochen noch Symptome spüren könne, und manche für Monate. «Seltsamerweise scheinen Menschen mit leichter Erkrankung eher eine Vielzahl von seltsamen Symptomen zu haben, die über einen längeren Zeitraum kommen und gehen», informierten die Betreiber der App und forderten alle auf, ihre Beschwerden ebenfalls dort einzugeben.

Krankheitsdauer bei Covid-19
Die Grafik zeigt den täglichen Rückgang der Symptome nach der Corona-Erkrankung gemäss der «Covid-19 Symptom Study App». Auszug aus der Mitteilung vom 6.Juni 2020.

Wie repräsentativ und aussagekräftig diese Daten waren, wurde indes nicht mitgeteilt. Auch der Vergleich mit anderen, bekannten Erkältungskrankheiten fehlte. Auf Twitter machte nun #Covid1in10 die Runde. 

Langzeitfolgen kommen auch bei anderen Erkrankungen vor

Dass es nach einer Infektion bei einem Teil der Betroffenen noch zu anhaltender Müdigkeit kommt, wie dies bei «Long Covid» beschrieben wird, ist auch von anderen Viren bekannt. Nach dem «Pfeifferschen Drüsenfieber» beispielsweise berichten fünf bis zehn Prozent der Genesenen noch sechs Monate später von «relevanter Müdigkeit». Bei Leistungssportlern könne es danach bis zu zwölf Monate dauern, bis sie ihr früheres Leistungsniveau wieder erreicht hätten, heisst es in einem Fachartikel. Typischerweise haben die Patienten während der akuten Infektion Fieber, Halsentzündung und Lymphknotenschwellungen. Es kann selten aber auch zu Leber-, Lungen-, Herz-, Nieren- oder Hirnentzündung kommen. Auch «wiederkehrendes Fieber über mehrere Wochen» ist möglich. Das Pfeiffersche Drüsenfieber wird verursacht durch ein Virus, mit dem sich im Lauf ihres Lebens sich fast alle Menschen infizieren, die allermeisten vor dem 19.Lebensjahr.

Chatgruppen als Beweis

Am 19. Juni 2020 anerkannte eine Epidemiologin der WHO, dass einige Personen, die nur mild an Covid-19 erkrankt waren, anhaltende Beschwerden hatten. Rund drei Wochen später sprach der prominenteste US-Pandemieberater Anthony Fauci von einer «beträchtlichen Anzahl von Individuen mit einem post-viralen Syndrom». 

Auch Fauci führte dafür keinen wissenschaftlichen Beleg an. Callard und Perego schrieben dazu: «Als Beweis nannte Fauci ‹Chat-Gruppen, die man einfach anklickt und in denen man genesene Personen sieht, die aber nicht wieder zur Normalität zurückkehren›.» 

Ende Juni 2020 übernahmen mehr und mehr Zeitungen den Begriff «Long Covid», Mitte Juli erschienen erste medizinische Fachartikel, über «sogenannte ‹Long Covid›-Fälle» – damals sei der Begriff noch in Anführungszeichen gesetzt worden, später dann nicht mehr, bemerken Perego und Callard.

Gegen Ende Juli 2020 hätten auch Wissenschaftler auf Twitter den Begriff «Long Covid» verwendet, und ab Mitte August 2020 sei Long Covid als Forschungsthema erkennbar geworden. (In der Schweiz berief der Nationalfonds jüngst die Gründerin des Vereins «Long Covid Schweiz», Chantal Britt, in ein Gremium, das beurteilen soll, welche Forschungsvorhaben finanziell gefördert werden sollen und welche nicht.)

Ende Dezember 2020 postete die oben erwähnte Selbsthilfegruppe die Resultate ihrer Online-Umfrage: 205 verschiedene «Long Covid»-Symptome hatten die rund 3’700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer geschildert. Obwohl der Fragebogen in neun Sprachen angeboten wurde – darunter Spanisch, Arabisch und Russisch –, stammten 92 Prozent der Antworten nur aus der englischsprachigen Version.

«Zu den Einschränkungen der Studie gehört, dass sie […] sich auf die Erinnerung der Betroffenen verlässt, die trügen kann. […] Die überwiegende Teilnahme von Personen aus englisch-sprachigen Ländern schliesst nicht aus, dass kulturelle Eigenarten eine Rolle […] gespielt haben», bemerkte das «Deutsche Ärzteblatt», als es darüber berichtete.

Welchen Einfluss haben die Medien?

Der Zürcher Epidemiologie-Professor Milo Puhan griff hier zu Lande das Thema «Long Covid» als erster Wissenschaftler prominent auf. Seit November 2020 präsentiert er in den Medien immer wieder (Zwischen-)Ergebnisse einer Kohortenstudie, bei der die Teilnehmer regelmässig zu anhaltenden Symptomen befragt werden. Infosperber berichtete Ende März darüber: «Long Covid: Unheilige Allianz zwischen Forschern und Medien.»

Bevor Puhan an die Medien ging, gaben 21 Prozent der Befragten in seiner Studie an, dass sie sich von der Sars-CoV-2 Infektion noch nicht vollständig erholt hätten. Nach den ersten Medienberichten über seine Studie stieg diese Zahl auf 28 Prozent. Erschöpfung, Ängste, Stress – diverse Symptome nahmen zu, nachdem die Medien breit über seine Zwischenergebnisse berichtet hatten. Das kann Zufall sein – oder einen ursächlichen Zusammenhang aufzeigen.

Dass die «Long Covid»-Betroffenen leiden, steht ausser Frage. Doch welche der andauernden Symptome sind durch Sars-CoV-2 verursacht, welche durch andere (Grund-)Erkrankungen und welche durch die Umstände? Und von welchem Zeitrahmen wird gesprochen: von drei Wochen, sechs Wochen oder von Monaten? In der Diskussion um die Massnahmen, ums Impfen und um die beste Behandlung von «Long Covid» kann das einen Unterschied machen.

Nicht in den Kontext gestellt

Ein Beispiel liefert eine der bekanntesten Studien zu «Long Covid». Sie erschien im Januar 2021 im Fachblatt «The Lancet». 

In der Studie beschrieben Mediziner des Jin Yin-Tan-Spitals in Wuhan, wie es Patienten der ersten Welle sechs Monate später ging. Die Zahlen erschreckten: «Long COVID: 3 von 4 Patienten haben nach 6 Monaten noch Beschwerden», titelte beispielsweise das «Deutsche Ärzteblatt», als es über diese Studie berichtete. 260-mal wurde diese Studie bereits in wissenschaftlichen Fachartikeln zitiert. 

Es gibt aber noch eine weitere Studie aus diesem Spital. Sie berichtete davon, wie es den Patienten erging, die zu Beginn der Pandemie dort behandelt wurden: Von denjenigen, die Sauerstoff benötigten, überlebte nur einer von fünf. Von denjenigen, die maschinell beatmet wurden, überlebte sogar nur einer von 32 1. Es ist unschwer vorstellbar, dass die überlebenden Spitalpatienten das, was sie erlebt und durchlitten haben, nicht einfach wegstecken. In den meisten Berichten über «Long Covid» sucht man solche Einordnungen aber vergeblich.

Bedrückende Berichte von Schicksalen fördern die Sensibilisierung, sind jedoch zur Einordnung wenig hilfreich. Nur gut gemachte, wissenschaftliche Studien können aufzeigen, ob Covid-19 tatsächlich häufiger und gravierender zu Langzeitschäden führt als andere (Infektions-)Krankheiten.

Vergleich mit Sars-CoV-2-negativen Kindern

Eine britische Studie verglich die Symptome bei positiv und negativ getesteten Kindern. Teilnehmen konnten die Eltern bzw. die Jugendlichen via App. Nach 28 Tagen berichteten noch fünf Prozent der älteren (12 bis 17 Jahre) und drei Prozent der jüngeren Kinder von Müdigkeit, Kopfweh oder Geruchsverlust. Bei zwei von 100 Kindern hielten die Beschwerden auch nach 56 Tagen noch an. 

Die «Symptomlast» bei den «Long Covid»-Kindern war im Vergleich zu Kindern mit anderen Infektionen aber nicht grösser, stellten die Autoren fest. Bei den älteren Kindern war sie nach 28 Tagen oder länger sogar kleiner, verglichen mit Kindern, die negativ getestet wurden.

Auch aus der Schweiz gibt es mittlerweile erste Zahlen zu «Long Covid» bei Kindern. Mitte Juli erschien dazu eine Studie des Zürcher Epidemiologie-Professors Milo Puhan. Dort sollten die Eltern über mehrere Monate rückblickend die Symptome bei ihren Sprösslingen angeben. 

  • Von 104 Kindern mit erwiesener Sars-CoV-2-Infektion hatten vier Prozent nach einem Vierteljahr oder länger noch mindestens ein Symptom. 
  • Von 1246 Kindern ohne erkennbare Infektion waren es zwei Prozent. 

Am Ende ihrer Publikation listen Puhan und seine Kolleginnen die Schwachpunkte ihrer Kinder-Studie auf: Geringe Anzahl der positiv-getesteten Kinder, möglicherweise falsche Laborresultate, nicht-ausgefüllte Studienfragebögen, eventuell verzerrte Erinnerung … – sieben Faktoren führen sie an, die das Ergebnis beeinflusst haben könnten. 

Das grösste Problem kommt am Schluss: Die Gruppe der Kinder, die in die Analyse einbezogen wurden, unterschied sich von denjenigen, die nicht einbezogen wurden, «was möglicherweise die Repräsentativität der Stichprobe beeinträchtigte», schreiben Puhan und seine Kolleginnen. Also lassen sich daraus auch keine Schlüsse über die Häufigkeit von «Long Covid» bei Kindern im Allgemeinen ziehen.

Alles deute darauf hin, dass die Datenlage zu Long Covid bei Kindern «noch sehr unsicher» sei, sagte Dr. Martin Terhardt, ein Mitglied der Ständigen Impfkommission in Deutschland am 12. August dem Fernsehsender «rbb». «Viele Kinder auch ohne Covid-Erkrankung haben Long Covid-Symptome, weil sie Long Lockdown-Symptome haben.»

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1 Zum Vergleich: In deutschen Universitätskliniken überlebten deutlich mehr Kranke, nämlich 13 von 14 nicht beatmeten und 12 von 32 maschinell beatmeten Patienten.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Coronavirus_1

Coronavirus: Information statt Panik

Covid-19 fordert Behörden und Medien heraus. Infosperber filtert Wichtiges heraus.

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17 Meinungen

  • am 16.08.2021 um 11:08 Uhr
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    Bei dieser schütteren Datenlage die Impfung von Kindern und Jugendlichen zu fordern, ist schon sehr abenteurlich. Ganz besonders, wenn man weiss, dass Covid dieser Altergruppe so gut wie nichts anhaben kann – ausser eben «Long Covid».

    Überhaupt sind die Argumente, wenn man sie denn überhaupt vernimmt, auf beiden Seiten kaum von gesichertem Wissen belastet. Eine besondere Trouvaile aus der AZ von heute:

    «Am Freitag haben eine Rentnerin aus Gontenschwil und ihr Bruder auf dem Areal der Alten Kantonsschule Aarau Flyer verteilt. Das meldet «ArgoviaToday». Die Flyer trugen den Titel «Vorsicht Corona-Impfung!!». Darauf wurde den Schülerinnen und Schülern mit Falschinformationen von der Impfung abgeraten. So stand auf den Flyern etwa, die Impfung könne zu Unfruchtbarkeit führen. Barbara Jakopp, Leiterin des Impfzentrums am Kantonsspital Aarau, sagt: «Es gibt keine Studie, die das beweist.»

    Wir lernen: Was nicht durch eine Studie bewiesen ist, gilt der Leiterin des Impfzentrums als Falschinformation.

    Was allerdings auch ohne Jakopp’sche Weisheit erkennbar ist: Viele junge Erwachsene haben sich in den lezten Monaten entschieden, keine Kinder in diese Welt setzen zu wollen. Und sie leiden nicht an «Long Covid», sondern an (Too) Long Lockdown.

  • am 16.08.2021 um 11:22 Uhr
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    ‹Das Risiko von gesundheitlichen Folgen nach Covid-19›
    Die Medien haben wie Politiker nicht die geringste Ahnung von Medizin und Gesundheit und können deshalb zu den Themen nichts einordnen. Der zitierte Teilsatz demonstriert das:
    Covid-19 ist eine Diagnose, keine Krankheit. Wenn ein Patient nach den Krankheiten, welche hinter der Diagnose Covid-19 stehen, Komplikationen bekommt, sind das keine gesundheitlichen Folgen, sondern weitere Krankheiten. Eine Krankheit ist kein gesundheitliches Ereignis. Krankheiten können Gesundheitsstörungen erzeugen, müssen das aber nicht. Komplikationen allerdings sind keine Gesundheitsstörungen, sondern von der Primärkrankheit abhängige zusätzliche Krankheiten.

  • am 16.08.2021 um 12:06 Uhr
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    Zu Beginn der Pandemie wusste niemand mit dem Virus umzugehen. Hände waschen, Abstand halten und Selbstquarantäne waren die Sofortmassnahmen. Auch die Spitäler waren überfordert und bestellten hunderte Beatmungsgeräte. Doch man scheint nach wie vor zu ignorieren, dass nun knapp 2 Jahre nach deren Beginn auch Spitäler aus den Fällen lernten und Behandlungsmethoden anpassten. Ich verstehe nicht weshalb diese Erkenntnisse weder bei Long Covid Beachtung geschenkt wird, noch BAG und Taskforce die Beurteilung der zu erwartenden, möglichen Todesfälle nach unten korrigiert. Bei jährlichen 73’000 toten Einwohner der Schweiz (200 Pro Tag) welche an irgendwas sterben, ist meines Erachtens fraglich, wie sich den zugeordneten 0-5 Toten der Covid Erkrankten pro Tag, die aktuellen Massnahmen der geforderten Durchimpfung und Herdenimmunität noch rechtfertigen. Oder sind die restlichen 195 Todesfälle des Tagesschnitts weniger tragisch?
    Auf Servus TV laufen zwei Dokumentationen zu der sich jeder selber seine Gedanken machen sollte
    https://www.servustv.com/aktuelles/v/aa-27juub3a91w11/
    https://www.servustv.com/aktuelles/v/aa-28a3dbyxh1w11/

  • am 16.08.2021 um 15:34 Uhr
    Permalink

    Der Artikel zeigt zwar ein Missbrauchspotenzial auf, bleibt aber leider sehr einseitig.

    Es wird so dargestellt, als ginge es bei Long Covid nur um «angebliche» Symptome, also solche, die von Betroffenen oder deren Eltern selber «angegeben» werden und dann noch meist aus der Erinnerung. Dabei wurde Long Covid auch medizinisch handfest mittels Blutbildern und bildgebenden Verfahren untersucht. Mit deutlichen Ergebnissen. Siehe z.B. den Abschnitt «Discussion» hier:

    https://thorax.bmj.com/content/76/4/396.long

    Natürlich gibt es auch Nocebo- (negative Placebo-) Effekte. Und es gibt Hypochonder, oder gar Trittbrettfahrer, die irgendwelche Begünstigungen und/oder schlicht die gesteigerte Aufmerksamkeit suchen. Hier wachsam zu bleiben und auf ein Missbrauchspotenzial (übrigens auch seitens der Behandlungsindustrie) hinzuweisen, ist korrekt. Auch die nüchterne Abwägung, ob nun deswegen Kinder geimpft werden sollen oder nicht, ist legitim.

    Aber dieser Artikel differenziert nicht. Es werden alle in einen Topf geworfen, indem das Krankheitsbild durch selektive Wahrnehmung ziemlich deftig infrage gestellt, bzw. im Vergleich mit anderen Nachwirkungen relativiert wird (wobei das ein unlogisches Argument ist, denn auch die sind teils schlimm). Obwohl sehr um Abstand vom heissen Brei bemüht, ist es doch recht deutlich, was die Autorin nicht ausspricht, aber denkt, über die Jammernden.

    Polarisierung statt Differenzierung. Schade.

    • am 17.08.2021 um 09:29 Uhr
      Permalink

      Da hatte ich eine ganz andere Wahrnehmung von diesem Bericht. Evt. ist der Titel ein wenig gar suggestiv geraten. Aber ansonsten finde ich diesen Artikel eben gerade sehr differenziert. Im Gegensatz zu vielen tausenden anderen Berichten über Long Covid, differenziert er ja eben gerade und wirft nicht einfach alle Symptome die auf Long Covid hinweisen könnten, wie z.b. Müdigkeit, in den Long Covid-Topf als handle es sich dabei um gesichertes Wissen. Aufmerksamen Beobachtern ist schon lange klar, dass so manche Massnahmengeschädigte als Long Covid Fall «umdeklariert» werden (meine Aussage, steht so nicht im Artikel).

      Und im zweit letzten letzten Satz werden Sie schon ein wenig unfair, nicht? Denn das Leiden wird von Frau Frei nirgends in Frage gestellt oder marginalisiert. Sondern es wird hinterfragt, woher es kommen könnte. Wenn nach einer Berichterstattung die Selbsteinschätzung, unter Long Covid zu leiden, um 7% steigt, bedeutet das ja nicht, dass 7% simulieren. Sondern es stellt sich die Frage, ob diese Selbsteinschätzung wirklich stimmt oder ob die Symptome einen anderen Ursprung haben könnten. Denn eine falsche Diagnose wäre doppelt gefährlich: 1. Falsche Behandlung wegen falscher Diagnose. 2. Massnahmen die einzig Schaden aber keinen Nutzen haben (z.b. Impfung bei jungen Menschen).

      • am 17.08.2021 um 13:31 Uhr
        Permalink

        Es gibt bei einer solchen Recherche einfach keine Rechtfertigung dafür, im Artikel nirgends zu erwähnen, dass es auch medizinische Symptome gibt, die sich als Biomarker oder in der Bildgebung nachweisen lassen.

        Der ganze Artikel (und übrigens auch Ihre Antwort, @Stöckli Marc) hat ja die Stossrichtung, es sei alles nur subjektiv durch Selbstdiagnose von Betroffenen substantiiert: Betroffene definieren die Krankheit selber, nehmen das Heft in die Hand, ein Professor auf der emotionalen Achterbahn, eine App, die alle auffordert, Beschwerden einzutragen, der genüsslich herausgegriffene Faux-Pas von Fauci mit der Chatgruppe, Studien auf Basis der Erinnerung der Betroffenen, umtriebige Selbsthilfegruppen, die unheilige Allianz mit Medien, alles nur bedrückende Berichte von Schicksalen.

        Die Story würde halt nicht fliegen, wenn man eben auch diejenigen Studien erwähnen würde (müsste), welche harte diagnostische Evidenz beinhalten.

        Der Generalverdacht des Simulantentums wird – wie gesagt – nirgends ausgesprochen. Aber es ist mir schleierhaft, wie man diesen Artikel lesen kann, ohne diesen zwischen den Zeilen zu sehen. Auch hier beschädigt die Auslassung evidenzbasierter Studien die Objektivität.

      • Portrait Martina Frei 2023
        am 17.08.2021 um 13:38 Uhr
        Permalink

        Nochmal: Nirgendwo im Artikel wird den Betroffenen «Simulantentum» unterstellt. Sie dürfen mir gern die Studien schicken, die Ihrer Ansicht nach «harte diagostische Evidenz beinhalten».

      • am 17.08.2021 um 14:49 Uhr
        Permalink

        «Sie dürfen mir gern die Studien schicken, die Ihrer Ansicht nach «harte diagostische Evidenz beinhalten».»

        Ich zitiere aus der verlinkten Studie:

        «DISCUSSION
        … Of people who attended for repeat imaging and blood tests because investigations on discharge had been abnormal, 9% had a deteriorating chest radiograph appearances at follow- up, and 30.1% and 9.5% had persistently elevated d- dimer and CRP concentration respectively. COVID-19 is associated with increased risk of thrombosis but the significance of the persistent elevation in d- dimer is unclear. Deteriorating chest radiograph appearances raise the possibility of developing lung fibrosis. These data are compatible with studies reporting longer term abnormalities in SARS survivors, 6 and initial data emerging from smaller COVID-19 cohorts.»

    • Portrait Martina Frei 2023
      am 17.08.2021 um 13:35 Uhr
      Permalink

      Sehr geehrter Herr Kühni,
      bei der Studie, die Sie anführen, wurden 34 Prozent der Patienten telefonisch nachbefragt, die in einem gewissen Zeitraum (wann genau wird nicht angegeben) wegen Covid-19 in drei grossen Londoner Spitälern behandelt wurden. Rund 15 Prozent dieser nachbefragten Patienten waren auf der Intensivstation, 7 Prozent wurden dort maschinell beatmet. Die Nachbefragung erfolgte im Durchschnitt 54 Tage nach Entlassung. Zwei Drittel dieser Patienten hatten vorbestehende gesundheitliche Probleme.
      «Es entspricht medizinischer Praxis, dass Patienten aus einem Spital entlassen werden, sobald sie gesund genug sind, um in ihrem häuslichen Umfeld bestehen zu können. Dies ist keineswegs mit einem abgeschlossenen Genesungsprozess gleichzusetzen», schrieb die Nationale Science Taskforce in ihrer Stellungnahme zu den Langzeitfolgen von Covid-19.
      Hier und hier sind Beispiele für zwei Studien (es gibt weitere), die untersucht haben, wie lange es sonst nach (Nicht-Covid-19-) Lungenentzündungen dauerte, bis die Betroffenen wieder voll genesen waren. Sie sehen dort, dass es sonst durchaus sechs oder sogar zwölf Monate dauern kann. Solche Vergleiche und Einordnungen fehlen aber in der von ihnen erwähnten Studie und in der Regel auch in Medienberichten über «Long Covid». Die Autoren der von Ihnen angeführten Studie sagen es selbst: Sie können keine Aussage treffen, ob die Befunde bei den befragten Patienten spezifisch für Covid-19 seien oder denen nach anderen schweren Atemwegserkrankungen gleichen.
      Sie glauben zu wissen, was ich denke. Ich glaube, da irren Sie.

      • am 17.08.2021 um 14:39 Uhr
        Permalink

        Fragen und Antworten dazu:

        1. Zur «Lungenentzündung»: Was soll denn überhaupt die Logik dieses Arguments sein? Wenn die möglichen Folgen so und so schlimm sind, spielt es absolut keine Rolle, ob sie _schlimmer_ sind, als nach einer Lungenentzündung oder nach einem Pfeifferschen Drüsenfieber. Sie sind einfach so und so schlimm und müssen und _dürfen_ daher mit den Nebenwirkungen und Risiken einer Impfung verglichen werden.

        2. Warum haben Sie Studien über physiologisch nachweisbare Folgen verschwiegen und es aussehen lassen, als basiere alles mehr oder weniger auf unbeweisbarer/gefühlter «Selbstdiagnose» der Betroffenen?

        3. Zu «Vergleiche und Einordnungen»: Es macht auch einen Unterschied, ob viele daran leiden, oder nur wenige, bzw. was das individuelle und das gesamtgesellschaftliche Risiko ist. Bei einer epidemischen Krankheit bzw. der Impfung spielen zudem Fragen der Vorsorge und Solidarität mit. Es ist legitim, den Massstab ganz anders anzusetzen, wenn ein substanzieller Teil der Bevölkerung potenziell bedroht wird, als wenn es sich um Risiken handelt, die nur wenige betreffen.

        4. Schliesslich kann es auch nichts schaden, wenn solche Langzeitfolgen durch das epidemische Ausmass besser auf das Radar der Medizin kommen und dann auch anderen solchen Langzeitfolgen mehr Aufmerksamkeit zugutekommt. Die eine oder andere Krankheit würde dann vielleicht etwas weniger auf die leichte Schulter genommen und die Prävention gefördert.

  • am 16.08.2021 um 17:12 Uhr
    Permalink

    «Von denjenigen, die Sauerstoff benötigten, überlebte nur einer von fünf. Von denjenigen, die maschinell beatmet wurden, überlebte sogar nur einer von 32.»

    Das sind erschreckende Zahlen! Da das maschinelle Beatmen unbestritten für die Patienten sehr qualvoll ist, fällt es bei so vernichtender Erfolgsquote wohl eher unter Folter als unter medizinische Behandlung.

    Gibt es aus der Schweiz auch Zahlen über den Erfolg der Intensivbehandlung von Covid-19-Patienten?

    • am 18.08.2021 um 22:35 Uhr
      Permalink

      Nach schweren Unfällen (also nachdem Menschen etwas sehr gravierendes, ihr Leben Bedrohendes zugestossen ist) kommen sie auf Intensivstationen. Viele versterben dann dort, oft unter Qualen, sicherlich meist mehr oder weniger elendiglich. Wenn ich Ihre Argumentation übernehme, muss ich folgern, dass diese Menschen, nachdem sie bereits das Unglück des Unfalls durchleben mussten, nun – obendrauf – noch in die Folterkammer geschickt werden … oder: Was ist auch nur der Zweck dieser Intensivstationen? Wer kommt auch nur auf die Idee solche Folterkammern zuzulassen …?

      • am 22.08.2021 um 17:33 Uhr
        Permalink

        Nach schweren Unfällen werden viele Patienten wieder gesund. Ganz wesentlich mehr als nur einer von 32. Ausserdem ist auch ziemlich unbestritten, dass sie ohne intensivmedizinische Betreuung kaum eine Chance auf Genesung hätten.

        Aus der Anfangszeit von Corona ist bekannt, dass Patienten aufgrund einer gemäss Lehrbuch zu tiefen Sauerstoffsättigung des Blutes intubiert wurden, aber ohne dass sie an Erstickungsgefühlen gelitten hätten. Diese Leute hätten ohne Intubation sicherlich keine schlechtere Überlebenschance gehabt als 1/32. Vielleicht wäre ihre Überlebenschance ohne Invasiven Eingriff, dafür aber mit guter alter Pflege, sogar besser gewesen.

      • am 26.08.2021 um 18:43 Uhr
        Permalink

        Herr Heierli, Sie spielen massiv über Ihrer Liga … und rudern daher nun auch etwas zurück mit: «Vielleicht wäre ihre Überlebenschance ohne Invasiven Eingriff, dafür aber mit guter alter Pflege, sogar besser gewesen.»
        Warum heisst es hier nun auf einmal «Vielleicht»? Wissen Sie es (bzw. wussten Sie es damals) besser als die Intensivmediziner?
        Ist es nicht ein bisschen arg anmassend vorzugeben, besser im Bild zu sein als jene Leute (Intensivmediziner), die seit Jahren mit Schwerstkranken zu tun haben? Was hielten Sie davon, wenn Sie in Ihrem Fachgebiet von Laien zu hören bekämen, dass Sie nicht nur vollkommen dilettantisch vorgingen, sondern letztlich sogar in verbrecherischer Weise dilettantisch. Genau das unterstellen Sie nämlich den Intensivmedizinern hiermit: «Da das maschinelle Beatmen unbestritten für die Patienten sehr qualvoll ist, fällt es bei so vernichtender Erfolgsquote wohl eher unter Folter als unter medizinische Behandlung.»
        Solches ist doch Ihrer unwürdig, oder? Und zwar bei allem Verständnis für Ihre helle Aufregung bei allem was gerade Corona gerade unternommen bzw. nicht unterlassen wird …

    • am 24.08.2021 um 06:18 Uhr
      Permalink

      @Daniel Heierli, Züricham 22.08.2021 um 17:33
      Das sehe ich auch so.
      Den Ruf nach Anpassung der Sauerstoff Sättiungsschwellwerte für Intubation bei Sars-Cov-2 hatte erstmals prominent der New Yorker Intensiv-Mediziner C. Kyle-Sidell im April 2020 aufgeworfen [1]. Grundlage für ihn war auch die Studie des Italieners L. Gattiononi im März 2020 [2]. In der Schweiz veranlasste dies Daniel Lager (SF1 Puls-Sendung vom 27.4., Min 14:30) diese Frage an Peter Steiger, Stv. Dir Intensivstation USZ, zu richten. Dieser winkte locker ab, sie hätten selbst das atypische klinische Bild bei diesen Sauerstoffwerten längst schon bei der ersten Patientin im März 2020 erkannt und die Behandlung entsprechend angepasst.
      Allerdings schliesse ich anhand des Berichts eines Patienten im Kanton Aargau in der SRF Club Sendung vom 11.8.2020 (Min 29:10), der aufgrund der Sauerstoffsättiungswerte im März 2020 direkt ins künstliche Koma mit Intubation versetzt wurde, dass die Behandlungsmethoden in der Schweiz je nach Spital/Kanton sehr unterschiedlich waren.
      Der Beispiel-Patient mit der frühen Intubation aus der Club Sendung vom 11.8.2020 wurde dann auch in der Folge in verschiedenen Medien gerne als Long-Covid Beispiel präsentiert.
      [1] https://www.medscape.com/viewarticle/928156
      [2] https://link.springer.com/article/10.1007/s00134-020-06033-2

  • am 16.08.2021 um 20:34 Uhr
    Permalink

    Als ich noch ein Tagi-Abo hatte, kommentierte ich Long C. jeweils so:

    1) “Long Covid” ist weder in der aktuell in der Schweiz gültigen ICD (International Classification of Diseases” Revision 10 noch in der in Bearbeitung befindlichen Revision 11 der WHO kein definiertes Krankheitsbild.

    2) Unter “Long Covid” hat sich in den Medien eine undifferenziertes Sammelsurium von Symptomen etabliert, das sich wie folgt strukturieren lässt:

    a. Therapiebedingte Folgen, v.a. aus der Anfangszeit der Pandemie durch zu frühe Intubation, unvorhergesehene Nebenwirkungen im Rahmen des WHO ‘Solidarity’ Trial-Programms

    b. Langzeit- bis chronische Beschwerden wie wir sie schon vor Corona bei Lungenentzündungen (ca. 70’000 pro Jahr in der Schweiz) kennen.

    c. Post virales Müdigkeitssyndrom, wie wir es auch von anderen viralen Infekten schon vor Corona kennen.

    d. Psychosomatisch bedingte Beschwerden durch Ängste rund um Corona mit den einschränkenden Massnahmen, fehlendem sozialem Kontakt und Isolation

    e. Gefässerkrankungen mit Auswirkungen im ganzen Körper wegen einseitiger Pandemie Strategie. Es wird keine aktive Prophylaxe und Frühbehandlung zur Behinderung der Virenreplikation schon beim Eintritt betrieben. Der Virus bekommt so mehr Zeit und die Chance seine Gefährlichkeit mit einem Befall der Endothelien wirken zu lassen. Siehe hierzu auch Interview mit Prof. Dr. Paul R. Vogt, Dir Herzchirurgie USZ, 12.4.21 «Impfungen als Allheilmittel ist eine gefährliche Strategie» in Infosperber.

  • am 17.08.2021 um 14:55 Uhr
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    Covid führt bei intensiv gepflegten Patienten zwangsläufig zu Langzeitschäden wie. Vernarbungen in der Lunge und allen möglichen betroffenen Organen (Niere,Herz). Auch long-Vaxx Symptome können in allen Organen auftreten einzig die Todesfolge ist tiefer.
    Alle Studien (ausser CH) die ich kenne verschleiern die Tatsache, dass sie ausschliesslich Patienten mit >=20 Tage Krankheit betrachtet haben. Alle Fälle die ich mit betreut habe waren nach weniger als 20 Tagen zu Ende. Doch wer eine Sauerstoffsättigung unter 90% hatte, wird je nach Alter eben Monate brauchen bis er wieder 100% fit ist. Das wäre auch bei einer schweren Grippe so.
    Jede schwere Krankheit hat Langzeitfolgen darum ist es wichtig rechtzeitig zu behandeln. Das hiess für mich kritische «Kandidaten» schon vorbeugend zu versorgen.
    Also «Long Covid» ist real aber keine eigene Krankheit, sondern meistens das banale Resultat einer Lungenschädigung.

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