Zemmour

Schnelle Plakataktion für Eric Zemmour: Fans wollen, dass er sich als französischer Präsident bewirbt. © Jacques Bompard

Ein journalistischer Provokateur mit politischen Ambitionen

Rainer Stadler /  In Frankreich kämpft der Journalist Eric Zemmour gegen Migration und linke Kultur. Wird er sich für die Präsidentschaft bewerben?

Nach der Wahlschlappe der Partei des französischen Präsidenten und seiner Herausforderin am rechten Rand, Marine Le Pen, verspüren andere Aufwind. Gleich nach der zweiten Runde der Regionalwahlen tauchten am vergangenen Montag in tausend Kommunen, auch in Paris, Plakate auf, welche Eric Zemmour für die Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr empfehlen. Fans von Zemmour hatten sie aufgeklebt. Jacques Bompard, Bürgermeister von Orange und ehemals Mitglied des rechtsextremen Front National, äusserte sich auf Twitter erfreut über die Aktion. Eine reale Chance, Nachfolger von Präsident Macron zu werden, hätte Zemmour nicht wirklich. Falls er eine Kandidatur anmelden würde, wäre das schlecht für Marine Le Pen, weil sie damit Konkurrenz im rechtslastigen Lager bekäme.

Die Ohrfeige

Hierzulande ist der 63-jährige Zemmour noch kaum bekannt, aber in Frankreich zählt er zu den markanten Stimmen in der Fraktion der stockkonservativen Intellektuellen. Für manchen Kritiker ist er schlicht ein Rechtsextremer. Jüngst kreideten sie dem bei der Tageszeitung «Le Figaro» angestellten Journalisten an, dass er die Attacke eines Mannes auf den französischen Präsidenten nicht verurteilt habe. Das stimmt so nicht. Zemmour hat die Ohrfeige als unzulässig bezeichnet – einfach deshalb, weil sie für ihn ein Angriff auf die Autorität des Präsidentenamts war. Diese Institution ist dem Nationalisten heilig. Doch Zemmour sagte gleichzeitig, die Ohrfeige sei eine Folge von Macrons Taten und damit erklärbar.

Die Kritiker des Journalisten hörten nur den zweiten Satz. Das erstaunt nicht. Zemmour argumentiert durchaus kenntnisreich und mit der grossen Geste des Historikers, er redet nicht laut, aber er platziert regelmässig in seinen Aussagen Provokationen, die entsprechend in der auf Reize fixierten Medienarena widerhallen.

Als grosse Bühne dient Zemmour die Sendung «Face à l’info» des Nachrichtensenders CNews, den Canal Plus Ende 1999 gründete. Es ist eine Talkshow modernen Zuschnitts, die Aktualitäten verhandelt und durchschnittlich etwa eine halbe Million Personen erreicht – was für einen Nachrichtenkanal relativ viel ist. Das Medienorgan «Politico» hat Zemmour jüngst mit Tucker Carlson verglichen, einem Starmoderator und erzkonservativen Polit-Prediger des US-Senders Fox News.

Der Meistererklärer

In «Face à l’info» ist der Franzose mit algerisch-jüdischen Wurzeln der Meister-Erklärer, während die weiteren Gäste höchstens die zweite Geige spielen. Sie wirken wie ein Alibi für die Gewährleistung eines gewissen Meinungspluralismus, zu dem das französische Gesetz die Fernsehstationen verpflichtet. Auch die Moderatorin, die in Guadeloupe geborene Christine Kelly, redet nicht viel. Sie wirkt zwar wohlinformiert, äussert aber kaum mehr als Stichworte, die der Stargast als Startbasis für seine Exkurse nutzt.

CNews ist das jüngst teuer zu stehen bekommen. Die französische Medienaufsicht CSA brummte dem Sender im vergangenen März eine einmalig hohe Busse von 200’000 Euro auf. Dies, weil Zemmour in einer Ausgabe von Ende September 2020 mit Bezug auf unbegleitete minderjährige Immigranten unter anderem gesagt hatte: «Das sind Diebe, Mörder, Vergewaltiger. Man muss sie zurückschicken.» Damit waren für die Aufsicht die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten, denn solche Worte würden zu Hass und Diskriminierung anstiften.

Wiederholungstäter

Zudem erachteten die Aufseher den Fernsehsender als Wiederholungstäter – er war wegen Aussagen von Zemmour in «Face à l’info» bereits verwarnt worden. Die Talkshow wird zwar, um Eingriffe zu ermöglichen, leicht zeitversetzt ausgestrahlt. Da weder die Redaktion noch die Moderatorin Zemmour widersprochen hatten, erachteten die Aufseher CNews als mitschuldig. Die Belegschaft des Fernsehsenders hat gegen die polemischen Aussagen des Journalisten protestiert. Auch der Ethikrat kritisierte den Sender. Der Geschäftsmann Vincent Bolloré, ein wichtiger Aktionär, bezeichnete hingegen den Eingriff als Verstoss gegen die Meinungsfreiheit. Zemmour wiederum rekurrierte gegen die Entscheidung der Medienaufsicht beim Staatsrat; dieser wies ihn ab.

Wegen Beleidigung und Anstiftung zu Hass ist Zemmour ein Jahr zuvor in einer ähnlichen Angelegenheit verurteilt worden. 2019 auferlegte ihm das Tribunal de Paris eine Busse von 10’000 Euro. Grund dafür waren Aussagen an einer Versammlung von Anhängern von Marion Maréchal, die den politischen Fussstapfen ihres Grossvaters Jean-Marie Le Pen folgt. Damals hatte Zemmour die «richtigen» Franzosen (français de souche) abgegrenzt von den eingewanderten Muslimen, welche für die Anschläge in Paris im Jahr 2015 verantwortlich seien und welche als ehemalige Kolonisierte in Frankreich zu Kolonisatoren geworden seien.

Erfolgreicher Buchautor

Zemmour ist gleichzeitig ein fleissiger Verfasser von Büchern, die teilweise hohe Auflagen erreichen. Das 2014 erschienene Werk über den «Französischen Selbstmord» fand mehr als 400’000 Abnehmer. Die Fehlleistungen der französischen Politik im Bereich der Integration von Einwanderern liefern Zemmour den Nährstoff für seine Polemiken gegen die muslimischen Parallelgesellschaften in seinem Land. Er will festhalten an einem alten Frankreich katholischer Prägung. Mit seinen Ansichten findet er bei den konservativen Wählerschichten Zuspruch. Und das macht Marine Le Pen Angst. Sie befürchtet, die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen zu verpassen, falls Zemmour ebenfalls als Kandidat antritt.

Wie «Le Monde» am Mittwoch schrieb, hat nun Zemmour gegenüber seinem Buchverleger Albin Michel signalisiert, am Wahlkampf teilzunehmen. Diesem Vorhaben solle auch sein neues Buch dienen. Albin Michel beschloss darauf, als Verleger auszusteigen. Wenn Zemmour Politiker werden und einen ideologischen Kampf führen wolle, passe das nicht mehr zur Ausrichtung des Buchverlags, heisst es in einer Medienmitteilung.


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5 Meinungen

  • am 2.07.2021 um 14:12 Uhr
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    Kleine Korrektur: Der Bürgermeister von Orange heisst nicht Jacquard Bonnard, sondern Jacques Bompard… (Ansonsten mag ich Ihre Beiträge sehr)

    • am 2.07.2021 um 14:56 Uhr
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      Danke, die Bildlegende ist korrigiert.

  • am 2.07.2021 um 14:51 Uhr
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    Zemmour ist offensichtlich der Dorn im Fleische der Gutmenschen
    Weil nun aber Die Medien nur noch auf Reize fixiert sind und das ohne nachzudenken ausleben, bekommt er Gehör und das ärgert natürlich die Medienanstalt und den Ethikrat.
    Schönes Theater:-)

  • am 2.07.2021 um 15:44 Uhr
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    Viel gibt es für viele nicht mehr zu lachen,
    wenn ihre Systeme zusammenkrachen.

  • am 2.07.2021 um 23:13 Uhr
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    Ich habe leider beim Lesen des Artikels nicht herausgefunden, was man unter «linker Kultur» verstehen sollte. Aus SVP-Kreisen habe ich auch schon vernommen, dass nur schon der Umstand, dass jemand Bücher schreibt, als links ausgelegt werden kann. Demnach müsste sich Monsieur Zemmour gerade selber den Vorwurf der «linken Kultur» gefallen lassen.

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