NATO: kein Lockdown für die Militärs
BERLIN/WASHINGTON (Eigener Bericht) – Kurz vor den Feierlichkeiten zum Jahrestag der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus ist die Hauptphase des US-Grossmanövers «Defender Europe 21» eingeleitet worden. Das Manöver probt unter deutscher Beteiligung den Aufmarsch westlicher Streitkräfte in Richtung russische Grenze; Schwerpunktregion ist in diesem Jahr Südosteuropa. In der albanischen Hafenstadt Durrës hat diese Woche eine gewaltige Landeübung stattgefunden, bei der gut 1’000 US-Militärfahrzeuge nicht direkt von ihrem Frachtschiff in den Hafen rollen konnten, sondern auf kleinere Schiffe zwischenverladen werden mussten. Es sei das erste derartige Grossmanöver seit der Landung der Weltkriegs-Alliierten auf Sizilien und in der Normandie gewesen, erklärt ein US-General. «Defender Europe 21» bindet sämtliche Länder Südosteuropas ausser Serbien ein, das seinerseits militärpolitisch auch mit Russland kooperiert. Trotz seiner offiziellen Neutralität wird Österreich als Durchmarschgebiet genutzt. Militärs legen zudem grossen Wert auf die Einbindung ziviler Strukturen und der Bevölkerung.
«Wie die Landung in der Normandie»
Mit einer Landeübung ist am Dienstag die Hauptphase des US-Manövers «Defender Europe 21» offiziell gestartet worden. Im Rahmen der Übung wurden rund 1’000 US-Militärfahrzeuge, die in den Vereinigten Staaten auf ein Transportschiff verladen worden waren, an Land gebracht. Das Besondere daran war, dass das Transportschiff nicht, wie üblich, in einen Hafen einlief und die Fahrzeuge dort ganz einfach von Bord rollten. Die US-Streitkräfte hatten für den offiziellen Start von «Defender Europe 21» Albanien bzw. dessen grössten Hafen Durrës nahe der Hauptstadt Tirana ausgewählt. Der Hafen ist allerdings, wie US-Militärs berichten, nicht gross genug für das US-Transportschiff, weshalb die Fahrzeuge zunächst auf kleinere Schiffe zwischenverladen und von diesen zu einem improvisierten Umschlagplatz gebracht wurden. Das für Manöver durchaus ungewöhnliche Vorgehen sei gewählt worden, um das Anlanden in feindlicher Umgebung zu trainieren, wird berichtet. Laut General Tod Wolters, dem Oberbefehlshaber des «U.S. European Command», ist eine derartige Übung in einem solchen Massstab seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr durchgeführt worden; Wolters erinnert explizit an die Landeoperationen der Alliierten in Sizilien und in der Normandie.
Zugang nach Südosteuropa
Die Landeübung und die folgenden Trainingsmassnahmen in Albanien haben für die US-Militärs wie auch für die südosteuropäischen Manöverteilnehmer spezielle Bedeutung. Zum einen geht es darum, die albanischen Streitkräfte umfassender in die Bündniskooperation zu integrieren: Das Land gehört der NATO erst seit dem Jahr 2009 an; daher sind gemeinsame Operationen mit den westlichen Verbündeten noch keine langjährig eingeübte Routine. Zugleich kann mit «Defender Europe 21» die albanische Infrastruktur auf NATO-Kompatibilität getestet werden; frühere Kriegsübungen in Ost- und Südosteuropa haben immer wieder bestätigt, dass etwa Strassen oder Brücken noch nicht an die Standards des westlichen Bündnisses angepasst sind. Albanien und insbesondere der Hafen Durrës besitzen dabei US-Militärs zufolge grosse Bedeutung: Sie bieten auswärtigen Streitkräften herausragenden Zugang in die Region. Dabei wird das Manöver nun ausgeweitet; von heute an sollen, wie berichtet wird, US-Soldaten auch in Tirana und in der Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas, Sarajevo, eintreffen. Die US-Streitkräfte vermelden darüber hinaus die Ankunft sowie die Entladung von Kriegsschiffen in Kroatiens Hafenstadt Zadar. Ihre Teilnahme bestätigt haben nicht zuletzt die Streitkräfte des illegal von Serbien abgespaltenen Kosovo.
Serbiens Russland-Kooperation
Das einzige Land Südosteuropas, das sich nicht an «Defender Europe 21» beteiligt, ist Serbien. Die Bedeutung dieser Tatsache ergibt sich daraus, dass Serbien rüstungs- und militärpolitisch auch mit Russland kooperiert. So kauft Belgrad in nennenswertem Mass russische Waffen und hat zuletzt etwa das russische Flugabwehrsystem Pantsir-S1 erworben. Darüber hinaus hat Serbien zwar, seit es im Jahr 2006 dem «Partnership for Peace»-Programm der NATO beitrat, mehr als 150 gemeinsame Übungen mit dem westlichen Kriegsbündnis abgehalten; es führt mittlerweile aber in wachsendem Mass auch gemeinsame Manöver mit Russland durch. So nimmt es immer wieder an Kriegsübungen teil, die Russland und Belarus jährlich unter der Bezeichnung «Slawische Bruderschaft» abhalten; die Übung hat in der Vergangenheit sogar auf serbischem Hoheitsgebiet stattgefunden. Bereits seit 2013 hat es zudem Beobachterstatus bei der «Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit» (OVKS), einem von Russland geführten Militärbündnis, dem neben Belarus auch Armenien, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan angehören.
«Demonstration unseres Willens»
Kreist «Defender Europe 21» Serbien faktisch ein, so finden einzelne Teilmanöver auch jenseits des diesjährigen Übungsschwerpunkts in Südosteuropa statt, so etwa im Baltikum in grosser Nähe zur russischen Grenze. So sind umfangreiche Bestände aus einem Materiallager der US-Streitkräfte in Eygelshoven (Niederlande) nach Estland gebracht worden; das Lager in Eygelshoven (Army Prepositioned Stock, APS) dient dazu, Kriegsgerät in Europa verfügbar zu halten, um im Ernstfall nicht auf den langwierigen Transport über den Atlantik angewiesen zu sein. In Estland sind die ersten Schiessübungen (siehe Bild oben, Red.) schon in den vergangenen Tagen durchgeführt worden – als «Demonstration des alliierten Zusammenhalts, als Demonstration unseres Willens», wie US-Soldaten bekräftigen, dies unter Verweis darauf, dass Russland das Manöver genauestens beobachtet. Für heute und morgen ist in Estland darüber hinaus eine Übung auf dem Nurmsi Airfield angekündigt, die das Eindringen in feindlich kontrolliertes Gebiet per Luftlandeoperation zum Gegenstand hat. Vom Flugplatz Nurmsi sind es kaum 100 Kilometer Luftlinie bis zur Grenze nach Russland.
Durchmarschgebiet Österreich
Zusätzlich zu den Verlegemassnahmen aus den Vereinigten Staaten direkt nach Südosteuropa und aus Deutschland ins Baltikum wird auch der Transfer von US-Truppen und -Material aus der NATO-Drehscheibe Deutschland auf südosteuropäische Manöverschauplätze geprobt. So teilte die «12th Combat Aviation Brigade» unlängst mit, sie habe innerhalb von nicht einmal zwölf Stunden 17 Flugzeuge von drei verschiedenen Militärbasen in Deutschland auf die Bezmer Air Base nicht weit von Burgas im Südosten Bulgariens verlegt. Dort werde sie an einem Teilmanöver («Swift Response 21») teilnehmen. Verlegungen auf dem Landweg werden ab dem heutigen Freitag auf österreichischem Territorium durchgeführt. Dabei sollen rund 800 Fahrzeuge mit etwa 2’000 Soldaten in Konvois aus Deutschland in Richtung Slowenien bzw. Ungarn gebracht werden. Dies kann ohne weiteres geschehen, obwohl sich Österreich offiziell nach wie vor der Neutralität verpflichtet sieht: Ein «Truppenaufenthaltsgesetz» aus dem Jahr 2001 gestattet NATO-Transporte, sofern sie zuvor beantragt werden. Ungeachtet seiner Neutralität unterstützt Österreich «Defender Europe 21», indem es nicht nur Strassen, sondern auch Kaserneninfrastruktur für die Betankung der US-Fahrzeuge und für Zwischenhalte zur Verfügung stellt.
Botschaften an die Bevölkerung
Militärs legen bei alledem grossen Wert auf die Einbindung ziviler Strukturen und der Bevölkerung. Um «Defender Europe 21» erfolgreich durchzuführen, müssten die Wirtschaft, die Zivilgesellschaft sowie «die Medien» in den beteiligten Ländern «aktiv beteiligt» werden, erklären zwei Experten vom George C. Marshall European Center for Security Studies. Dies hatte bereits vergangenes Jahr die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) konstatiert. Grossmanöver wie Defender Europe seien nicht nur auf die Mitwirkung ziviler Behörden oder etwa der Bahn angewiesen, sondern auch «auf die Akzeptanz der Bevölkerung», urteilte die SWP – dies zum Beispiel, «wenn Autobahnen gesperrt oder öffentliche Räume für die Unterbringung von Soldaten und Gerät dienen müssen». Es gelte deshalb stets, der Bevölkerung «politische Botschaften zu vermitteln».
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Dieser Bericht erschien zuerst auf der Info-Plattform von German Foreign Policy.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Die «Informationen zur Deutschen Aussenpolitik» (german-foreign-policy.com) werden von einer Gruppe unabhängiger Publizisten und Wissenschaftler zusammengestellt, die das Wiedererstarken deutscher Grossmachtbestrebungen auf wirtschaftlichem, politischem und militärischem Gebiet kontinuierlich beobachten
Hat die politische Führung „des“ Westens den Verstand verloren? Was geht in Menschen vor, die das zulassen? Worauf soll das hinauslaufen? Wozu wird dieser Krieg geübt? Defender 2021 kann zu Lockdown-Zeiten ungehindert stattfinden, ein Schelm, wer in diesem Zusammenhang eine Absicht erkennen will. Wenn man dann noch mitgekriegt hat, dass im April ein geplanter Putschversuch vereitelt wurde, der in Weißrussland hätte stattfinden sollen, wonach u.a. laut aufgezeichnetem Gespräch am 9. Mai Präsident Lukaschenko hätte ermordet werden sollen https://www.anti-spiegel.ru/2021/putschversuch-in-minsk-anschuldigungen-aus-tschechien-und-ein-ukrainischer-spion/ ,dann bekommt dieses „Manöver“ noch einmal eine ganz andere Dimension. „Der“ Westen geht gegen Russland immer massiver auf Konfrontationskurs, verstößt mit völkerrechtswidrigen Sanktionen gegen das Gewaltverbot der UNO, um politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Druck auszuüben, der die Souveränität Russlands brechen soll, immer wieder werden mit unbelegten und unhaltbaren Anschuldigungen zahlreiche Diplomaten ausgewiesen, was – beabsichtigt oder in Kauf genommen – auf einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen hinauslaufen kann. Die europäischen NATO-Mitgliedstaaten geben sich als Brückenkopf und unsinkbare Flugzeugträger der USA her und realisieren nicht, dass im Kriegsfall in Europa alles Leben ausgelöscht und kein Zentimeter mehr bewohnbar sein wird.
«Defender Europe 21» – Gegen Verteidigungsübungen ist nichts einzuwenden. Es gibt aber das Sprichwort «Angriff ist die beste Verteidigung». – Auf diesen Fall sollten wir gefasst sein, die Russen sind heute wesentlich besser gerüstet als bei früheren westlichen Übergriffen. Sie könnten sehr schnell antworten und den sehr hohen Preis würde die die Bevölkerung im NATO Aufmarschgebiet zahlen.
Ein sehr interessanter Bericht. Ich habe dazu einige Fragen:
1. Österreich (und seltsamerweise auch Serbien) ist Mitglied des NATO-Programms «Partnership for Peace» (eigentlich müsste es richtigerweise heissen «for War». Die Schweiz gehört doch auch zu dieser dubiosen Gruppe Länder, oder nicht?
2. Dank einem «Truppenaufenthaltsgesetz» können die NATO-Truppen problemlos durch das Gebiet des «neutralen, selbständigen » Staates Österreich: Gibt es allenfalls auch so eine Vollmacht der Schweiz (offen – geheim)?
3. Ist in Deutschland in den vergangenen je eine Umfrage durchgeführt worden, ob die Mehrheit der Bevölkerung diese totale NATO-Abhängigkeit überhaupt wünscht?!
Wo sind die Menschen, wo die Friedensbewegungen, dies sich gegen die aggressiven USA-dominierten Natoaktivitäten, gegen die Expansionspläne der vom US-Satellitenstaat Deutschland dominierten EU, gegen die imperialen Machenschaften internationaler Grosskonzerne wenden; wo sind die Medien, die sich gegen die Kriegsvorbereitungen und Hetze gegen Russland wehren?
Vergessen das damalige Versprechen an Gorbatschow, die Oststaaten nicht der Nato anzugliedern.
Vergessen die zugestandene Unterstützung von 5Milliarden Dollar durch die USA für einen Regime-change in der Ukraine, vergessen die Hinnahme der Abspaltung des Kosovo von Serbien einerseits und die Verurteilung des Krim-Plebiszits andrerseits?
Wie würde wohl der «freie» Westen reagieren, wenn Russland in den südamerikanischen Hinterhöfen der USA solch gigantische Militärmanöver durchführen würde wie zurzeit die Nato vor den Toren Russlands? Ein Aufschrei und internationale Sanktionen wären die Folge. Aber die Blindheit gegenüber den Verbrechen «unserer Seite» hat lange Tradition. Wir feiern den xenophoben Remiekritiker Nawalny als Freiheitshelden, während zum Skandal der Folter von Assange geflissentlich geschwiegen wird. Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen in Russland und China, Schweigen zu den Jahrzehnte-dauernden Menschen- und Völkerrechtsverletzungen der USA.
Schweigen aus Feigheit untergräbt auch unsere Demokratie.
Jahhh? Die Civid-Staubwolke erscheint durchsichtiger. Unweit des europäischen Südostens liegen Oelfelder des mittleren Ostens.
Ich bezweifle, dass ein grosser Krieg zwischen Russland und NATO nach dem Muster dieses Manövers ablaufen würde. Die Zerstörung der notwendigen europäischen Infrastruktur für Internet, Mobilfunk, bargeldlosem Zahlungsverkehr u.ä. durch Atombomben schon in den ersten Kriegstagen würde unsere moderne Zivilgesellschaft vollständig kollabieren lassen. Mit dem 2. Weltkrieg hätte ein neuer großer europäischer Krieg quasi nichts mehr gemeinsam. Insofern sind Manöver wie diese eine gewaltige Demonstration des Unvermögens der militärischen Führung der Nato. Statt Miltärausgaben von 2% des BIP sollten maximal 0,5 % angestrebt und am besten die NATO in ihrer jetzigen Form aufgelöst werden.
furchtbar diese kriegsspiele. aus oekologischer, wirtschaftlicher und pazifistischer sicht. EU laesst sich zum kriegsschauplatz der USA degradieren. wenn die falken zum zuge kommen….. na dann gute nacht 🙁