Kommentar
kontertext: «Helfen Erdbeeren gegen Corona?»
Noch in den 2000er Jahren war «false balance» oder die «falsche Ausgewogenheit» ein Problem des Journalismus, der meinte, neutral vorzugehen. Da jedes Thema mindestens zwei Seiten hat, wollte man sozusagen im Zeichen der Objektivität diese beiden Seiten gleichberechtigt, d.h. mit gleich grosser Spaltenanzahl oder gleich langer Redezeit zur Sprache kommen lassen. Dabei wurde unterschlagen, dass die sich widersprechenden Standpunkte jeweils von Personen mit komplett unterschiedlichen (fachlichen) Hintergründen vertreten wurden: Fakten wurden einer Meinung gegenübergestellt oder die langjährige Forschung der Wissenschaftsgemeinde (scientific community) gleich gewichtet wie eine individuelle Behauptung.
Diese Bereitschaft des Journalismus, immer beide Seiten aufzuzeigen, wurde in den USA gnadenlos ausgenutzt. Sei es, dass es um die Schädlichkeit von Tabak oder das Ozonloch ging, sei es, dass saurer Regen oder die Ursachen für den Klimawandel untersucht wurden: Stets fand sich ein (nicht selten abgehalfterter) Wissenschaftler, der das Gegenteil des wissenschaftlichen Konsens‘ zu vertreten bereit war, was die Medien auf der Suche nach News dankbar aufnahmen. Naomi Oreskes und Eric Conway haben diese Geschichte mit ihrem Buch von 2010, «Merchants of Doubt», minutiös aufgearbeitet (siehe kontertext vom 13.3. 2017).
Falsche Ausgewogenheit
Ein Beispiel während der Coronapandemie, das dieses journalistische Bemühen um eine nur scheinbare Ausgeglichenheit zeigt und illustriert, wie man in die Falle der «false balance» tappt, ist eine SRF Club-Sendung vom 22. September 2020. Dieser Club fand mit sechs Gästen statt, wovon drei so genannte Corona-Skeptiker waren. Das ‘Gleichgewicht’ wurde also schon zahlenmässig und bildlich hergestellt: die einen drei sassen links, die anderen drei rechts von der Moderation.
Bei Minute 10:45 Uhr hört man Nicolas Müller, Leitenden Arzt Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene Universitätsspital Zürich, erzählen, dass sie im Spital alle Masken trügen und der Nutzen derselben erwiesen sei. Währenddessen schwenkt die Kamera zur Gegenseite und blendet einen der Skeptiker ein, der mit zweifelndem Gesichtsausdruck verneinend mit dem Kopf wackelt. Die Kameraeinstellung und Bildführung erzeugt also genau diese falsche Gleichgewichtung und vermittelt den Eindruck von Uneinigkeit, obschon die Frage nach dem Nutzen von Gesichtsmasken bereits – international, in der Fachwelt, in Spitälern usw. – tausendfach erwiesen ist.
Argumentfreie Bühnen
Der Tages-Anzeiger hielt in der nachfolgenden TV-Kritik fest, dass dieser Club nur deshalb stattgefunden habe, weil kurz zuvor 500 Personen in Zürich demonstrierten hatten, was «ein kleines Grüppchen» gewesen sei. «Aber eben», fährt der Artikel lapidar fort, «Wer laut schreit, dem gebührt die Aufmerksamkeit, das weiss man. Und so überrascht es auch nicht, dass diese kleine Gruppe von Corona-Skeptikern im SRF-Club eine grosse Bühne erhielt.»
Das ist «false balance». Da sitzen sie nun fifty-fifty im Bild, was im Prinzip überhaupt nicht repräsentativ ist für die Bevölkerung. Und Argumente hatten die Coronaskeptiker offenbar auch nicht, wie der Leadtext der TV-Kritik voranstellt: «Doch auf die Frage, wie sie sich konkret in den Grundrechten eingeschränkt fühlen, gabs nur ausweichende Antworten.» Im gleichen Zeitraum veröffentlichte das SRF die 5. Umfrage in der Bevölkerung und titelte: «Schweizer Bevölkerung steht hinter Bundesratsentscheid».
Obschon der Tages-Anzeiger die ganze Schieflage erkennt und auch benennt, beugt sich jedoch die Überschrift zum Artikel dem Clickbait, ködert also die Leserschaft: «Legen die Behörden mit den Corona-Massnahmen einen ‘Angstteppich’?» Die Schlagzeile bildet nicht ab, worum es im Artikel geht – nämlich die oben genannte Kritik –, sondern übernimmt die Sprache des einen Teilnehmenden und Coronaskeptikers.
Das Geschäft mit dem Zweifel
Oreskes und Conway beziehen sich in ihrem Buch schwerpunktmässig auf die 1950er bis Ende der 1990er Jahre, also auf eine Zeit noch vor social media. Sie schildern detailreich, wie durch mächtige Wirtschaftsinteressen finanzierte Institute und Think Tanks gegründet wurden, um in einer millionenteuren Wissenschaftsimitation ‘Resultate‘ zu erzeugen, um beispielsweise die Sonne als Verursacherin der globalen Erwärmung ins Spiel zu bringen. Es ging nur darum, eine Debatte künstlich am Leben zu erhalten, die (in der Wissenschaft) schon lange keine mehr war, um politisches Handeln aufzuschieben. Erfolgreich wurde diese Taktik jedoch nur, weil Medien, vor allem Qualitätstitel, mitmachten.
Reicht «false balance» als Problembeschrieb heute noch aus, wenn sich jedermann auf Twitter und Facebook äussern und Videos auf YouTube, Instagram und Tik Tok posten kann? Ist es noch das Geschäft mit dem Zweifel, womit man Konfusion schaffen will, wo fachlicher Konsens herrscht?
Im 40. Podcast mit dem bekannten Virologen an der Berliner Charité, Christian Drosten, ist die Desinformation das Hauptthema. Korinna Hennig, Wissenschaftsredakteurin NDR Info, die das Gespräch führt, erfindet darin ein fabelhaftes Beispiel: «Aber wir kennen alle diese Schlagzeilen, die zum Beispiel mit Fragezeichen formuliert werden, damit man draufklickt. Ich erfinde jetzt mal was: Helfen Erdbeeren gegen das Coronavirus?» (Hier alles zum Nachhören)
Grundlose Fragen für Klicks
Damit bringt sie auf den Punkt, was heute medial passiert: Es geht nicht mehr darum, irgendeine inhaltliche Basis zu teilen oder irgendeinen fachlichen Bezug zu haben, ja man macht sich nicht mal mehr die Mühe, überhaupt den Anschein von irgendeinem Wissen oder Können zu erwecken. Selbstinszenierung und Aufmerksamkeit auf der einen Seite trifft auf Klicks und Werbeeinnahmen auf der anderen Seite.
Finden solche Pseudo-Fragen – wie diejenige nach dem Nutzen von Erdbeeren während Corona – in die Öffentlichkeit, besetzen sie einen ganzen Diskurs. Man konnte das gut mit der Arena-Sendung vom 5. März 2021 beobachten. Der Titel der Sendung war: «Corona-Diktatur Schweiz – wirklich?» Analytisch gesprochen ist der heuristische Gehalt dieser Frage gleich Null. Alltagssprachlich gesprochen ist sie schlicht Quatsch, weil es dabei nichts herauszufinden gibt, was man nicht schon vorher wüsste. Aber symbolpolitisch ist die Titelgebung der Arena-Sendung ein Triumph für die SVP, die sich wochenlang um die Lancierung dieses Diktaturthemas in der Schweiz bemühte.
Das Arena-Format ist überhaupt meisterlich darin, seine Themen während dieser Coronapandemie in suggestiver Frageform zu formulieren, zum Beispiel «Corona – Wer soll das alles bezahlen?» (13.11. 2020) oder «Corona – Bundesrat gegen Volk?» (22.5. 2020) oder «Von der Corona- in die Schuldenkrise?» (8.5. 2020) oder «Wer zahlt die Coronazeche?» (24.4. 2020) Jedes Mal steht da eine Frage, die vorgibt, zu einer offenen Diskussion einzuladen. Und jedes Mal ist damit das Wording der Rechtskonservativen übernommen.
Das «Man-wird-ja-wohl-noch-sagen-Dürfen» wird zum «Man-wird-ja-wohl-noch-fragen-Dürfen». Das ist ein Muster, das gerade in Bezug auf Verschwörungstheorien schon oft beschrieben wurde: Einfach mal eine Frage stellen, einfach mal andeuten, es gäbe eventuell vom so genannten Mainstream übersehene Dinge zu entdecken, um dann selber keine schlüssigen Beweise zu liefern. Daniele Ganser hat das Misstrauen zum Geschäftsmodell erhoben und damit den Coronaskeptikern den Weg bereitet, wie die NZZ am 30.1. 2021 schrieb.
Wer solchen Mustern auf den Leim geht, und wer solchen Fragen Raum gibt, ist nicht unschuldig. Der Volksverpetzer, ein spendenbasierter deutscher «Anti-Fake-News-Blog», tweetete dazu am 23.4. 2021: «Dieses ‘Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß’, ‘Wer kann schon sagen, was richtig ist?’, ‘Meinungsfreiheit muss auch für falsche Dinge gelten’ ist nicht nobel, nicht liberal, nicht aufgeklärt. Das ist wissenschaftsfeindlich. Toleranz für Lügen & Intoleranz zerstört die Demokratie.»
Kein unschuldiger Journalismus
Die Schweiz war wochenlang damit beschäftigt, die Seiten der Printmedien waren damit gefüllt, die Sendeformate besetzt, um das Offensichtliche und die Nichtfrage zur Diktatur in der Schweiz ‘zu diskutieren’. Sandro Brotz, der Sendungsleiter der Arena, schrieb hinterher auf Twitter, dass sich die Teilnehmenden dieses Mal erstaunlich einig gewesen seien: Die Antwort laute «nein». Aha. Sehr aufschlussreich. Das war ja ein medialer Leerlauf und eine teure Weiterbildung für Sandro Brotz. Aber die echten Kosten entstehen in der Gesellschaft.
Korinna Hennig führt dies im Podcast weiter aus: «Und wenn man den dazugehörigen Artikel liest, steht als Antwort eigentlich drin, nein, Erdbeeren helfen nicht. Aber durch die Schlagzeile hat sich schon ein Zusammenhang in vielen Köpfen festgesetzt, auch weil gar nicht alle den Artikel lesen.» (Transkript des Podcasts) Das ist der springende Punkt: Man muss diesen Artikel nicht mal gelesen haben; ich muss mir den SRF Club oder die Arena nicht mal anschauen. Mit den Überschriften bzw. Fragen allein habe ich schon Verbindungen wie «Schweiz und Diktatur» oder «Corona und Erdbeeren» wahrgenommen – Fragezeichen hin oder her. Oder woran werden Sie denken, wenn Sie das nächste Mal vor diesen wunderschönen Auslagen mit roten Erdbeeren stehen? Eben. Kaufen Sie Bio, dann hilft’s immerhin der Umwelt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Zur Autorin: Ariane Tanner ist Historikerin und Texterin aus Zürich.
Unter «kontertext» schreibt eine externe Gruppe Autorinnen und Autoren über Medien und Politik. Sie greift Beiträge aus Medien auf und widerspricht aus politischen, journalistischen, inhaltlichen oder sprachlichen Gründen. Zur Gruppe gehören u.a. Bernhard Bonjour, Rudolf Bussmann, Silvia Henke, Mathias Knauer, Guy Krneta, Alfred Schlienger, Felix Schneider, Linda Stibler, Martina Süess, Ariane Tanner, Rudolf Walther, Christoph Wegmann, Matthias Zehnder. Die Redaktion betreuen wechselnd Mitglieder der Gruppe.
Sehr unterhaltsam durch ein nicht unterhaltsames Thema der Manipulation geführt! Und ohne zu werten die Problematik aufgezeigt! Leider wird draus wohl Niemand was lernen wollen – sonst meint man, nicht beim Konsument und den eigenem Ego punkten zu können.
Sehr interessant, wie die Autorin, da aufdeckt, wie man vorgehen muss um Pseudo-Informationen zu entlarven. Sie dürfte es nur grad wieder auf ihre Aussagen rsp des Tagi und der NZZ anwenden. Eigentlich wurde der ganze Artikel nur geschrieben, damit die Aussage: «…. zweifelndem Gesichtsausdruck verneinend mit dem Kopf wackelt. ….. Eindruck von Uneinigkeit erzeuge, obschon die Frage nach dem Nutzen von Gesichtsmasken bereits – international, in der Fachwelt, in Spitälern usw. – tausendfach erwiesen ist» Was bezüglich des Nutzens gegenüber Corona, gar nicht wahr ist, auch nicht behauptet wird und saogar auf dem Beipackzettel der Masken – verneint wird. Und nun soll also dieser Artikel die Leser in der Richtung beeindrucken, dass Corona-Massnahmen-Gegner auf falschem Hintergrund argumentieren. ! ? ! ? Aber eigentlich tun Sie das Frau Ariane Tanner ! – ist Ihr Trick gelungen ?
Zugegebenermassen habe ich beim SRF-Club-Beispiel aufgehört zu lesen. Es ist mir unmöglich, einen Artikel ernst zu nehmen, der selbst schamlos tut, was er anderen vorwirft. Auch wenn es von Frau Tanner löblich ist, auf diese manipulative Fehlentwicklung der Medienwelt hinzuweisen, würde ich ihr zu grosser Vorsicht raten, vorschnell ihre eigene Meinung als ‹tausendfach erwiesen› zu verstehen. Ich kann Frau Tanner herzlichst empfehlen, sich mit der Manipulationstechnik der gezielten Weglassung anderer Ansichten und Fakten in den Medien zu beschäftigen. Vielleicht besteht Hoffnung, dass auch Frau Tanner zur Einsicht kommen kann, dass es mit der «tausendfachen Erweisung» des Nutzen der Maske nicht so einfach steht, wie es sich im Blätterwald der (Ver)Öffentlich(t)en Meinung liesst.
„Reicht «false balance» als Problembeschrieb heute noch aus, wenn sich jedermann auf Twitter und Facebook äussern und Videos auf YouTube, Instagram und Tik Tok posten kann?“
Die Aussage von Ariane Tanner hebt genau hervor, was mit ihren Behauptungen falsch ist. Social Media werden sehr oft zensiert, Wissenschaftler haben Konten verloren oder verschiedene Fakten und Argumente gesehen, die nicht akzeptiert wurden. Deshalb wurde Material blockiert. Und genau das kann als wichtige Facette der Diktatur interpretiert werden.
Interessanter Beitrag, der gut nachvollziehbar wirkte. Folgendes zeigte sich nach dem Lesen des Beitrages aus persönlicher und somit subjektiver Sicht.
Unreflektierte Situationen, rufen Fragen hervor in denen die Antworten, meist, schon längst festgelegt wurden. Darum wurden Fragen auch zu einem (ge)wichtigen Instrument hochgehoben.
Es gäbe aus meiner Sicht durchaus die Möglichkeit neutralere Berichte zu verfassen um diese der Öffentlichkeit so unbeeinflusst wie nur möglich zu vermitteln. Doch müsste dies in einer Zeitform geschehen, die sich ausserhalb der Gegenwart befindet und somit keine direkte Festlegungen (emotionale Berührung) beim Leser erzeugen kann.
Vielleicht bedarf es einer (R)Evolution des Journalismus?
Was würde passieren, wenn jeder Mensch der in diesem Bereich arbeitet sich selbst die Frage nach der eigenen persönlichen Motivation stellt, bevor ein Beitrag zu einem Thema verfasst wird und diese der Leserschaft gar mitteilen würde?
Ja, ja ich weiss….. aaaaber. Nun ja, wer den Versuch unterlässt, trägt bekanntlich auch keine Option zu einer Lösung bei. Somit wird wohl auch zukünftig alles irgendwie beim Alten geblieben sein.
Ein Beispiel wie man berechtigte Medienkritik als Instrument zur Eindämmung des Debattenraums missbrauchen kann.
Ist der Autorin denn wirklich nicht aufgefallen, dass seit einem Jahr mit genau diesen Methoden Panik geschürt wird? «Neue Mutanten noch tödlicher?», «Kinder Treiber der Pandemie?», etc…
Aber dies passt wohl nicht in das Meinungsbild und wird gerne verschleiert. Eine weit bekannte Manipulationstechnik. Das was man vermitteln will, extrem in den Fokus stellen und das was nicht debattiert werden soll, unerwähnt lassen. Fertig ist der Frame.
Auch hier Manipulation: «Und jedes Mal ist damit das Wording der Rechtskonservativen übernommen.»
Dass gemäss einer Studie über 40% der Massnahmenkritiker ehemalige SP-Wähler sind, bleibt unbeachtet. Denn Ziel ist es, die sehr heterogene Bewegung der Massnahmenkritiker pauschal in die Rechte Ecke zu schieben.
Zum Glück gibt es noch Linke, die wissen in welcher Tradition sie stehen.
https://freie-linke.de/
(Es gibt auch eine CH-Telegramgruppe)
Folgernder Ausschnitt als Gedankenstütze für all die rechtsextremen Linken der heutigen Zeit aus der Mitteilung Nr. 8 über #allesdichtmachen:
«Klassisch rechts ist derjenige, der einem autoritären imperialistischen Maßnahmenstaat nach dem Mund redet und nicht derjenige, der sich ihm entgegen stellt. Rechts ist, wer andere dazu auffordert, sich einer Unterdrückungsdikatur zu beugen. Links steht, wer sich dem verweigert, wer dagegen angeht.»
Was die Autorin beschreibt, ist wahrscheinlich einer Mehrheit nicht bekannt. Und genaus so wird Politik gemacht (oder Clickbait). Ich hatte mich mal mit dem Radio angelegt wegen sowas – das Resultat war sinngemäss: «Kurze Passagen müssen nicht wahr sein.» – Eine Headline ist eine kurze Passage, und somit wird leider kein Recht verletzt.
Es würde wohl ein längerer Artikel werden – gar ein Buch -, wenn jemand mal über die verschiedenen Think-Tanks von «links» investigativ schreiben würde.
Ich bin nicht mit allem einverstanden, was Frau Tanner schreibt; ich finde diesen Artikel aber trotzdem nützlich, weil er einige «mediale Verirrungen» aufdeckt. Ich bin auch ihrer Meinung , dass bei einer Diskussion über die Corona-Massnahmen des Bundesrates nicht «ausgewogen», (d.h. 50 zu 50 ) Befürworter und Gegner eingeladen werden sollten: Aber es scheint mir mehr als angebracht, dass bei drei «Fachleuten» – auch die haben sich schon geirrt – wenigstens ein kritischer Laie bei einer solchen Sendung dabei sein sollte, z.B. eben der im negativen Sinn von Frau Tanner zitierte Daniel Ganser, der nicht einfach aus dem hohlen Bauch heraus argumentiert und begründet und grundsätzlich den Mächtigen gegenüber sehr kritisch eingestellt ist.
Die Klage, Coronaskeptiker erhielten in schweizer Medien zu viel Raum, scheint mir doch sehr an den Haaren herbeigezogen. Es mag die eine oder andere Sendung gegeben haben, wo Leute eingeladen wurden, die nicht in der Lage waren, inhaltlich etwas beizutragen. Aber dies ist auf beiden Seiten geschehen.
Und ja: Meinungsfreiheit muss auch für «falsche» Meinungen gelten, da liegt der «Volksverpetzer» völlig daneben. Sonst brauchten wir ja ein Ministerium für Wahrheit, welches die falschen von den richtigen Meinungen trennt. Gerade in Deutschland steht es zur Zeit nicht so überragend gut mit der Meinungsfreiheit, wie die völlig überzogenen Reaktionen auf die #allesdichtmachen-Kurzfilme zeigte.
Wie wir am Ende des Artikels erfahren, gehört Tanner zu einer Gruppe Schreibender, welche Beiträgen aus den Medien widerspricht. Aha, denkt man sich, sie erlaubt sich also selber Widerspruch und eine andere Meinung? Und anderen nicht? Die betreiben das dann als ein böses Geschäft oder liegen einfach falsch und sind daher gefährlich für die Wahrheitsfindung. Ganz besonders gilt das natürlich beim Thema Corona. Bei diesem Thema lauert bekanntlich die Todesgefahr Tausender im Falle einer anderen Meinung. Tanner weiss natürlich, was viro- oder epido- oder infektiologisch stimmt, sie weiss, dass Maskenvorschriften gut sind (gibt ja anscheindend Tausende Studien, die das beweisen, hat sie 1 oder 2 davon gelesen?). Sie hört ja den Podcast von Drosten und Hennig, da braucht’s dann keine weiteren Meinungen mehr. Weitere Meinungen sind für Tanner nicht nur wissenschaftsfeindlich, sondern gleich noch schlecht für die Demokratie. Und die Frage nach der Corona-Diktatur ist für Tanner Tabu. Die darf man gar nicht stellen. Dabei muss ich gestehen, dass ich mir aufgrund der starken Einschränkungen der Grundrechte seit der Pandemie wirklich Sorgen um die Demokratie mache. Wenn sich nun solche Artikel wie der von Tanner hier in den Medien häufen, und sie werden häufiger, dann wird meine Sorge um Demokratie und Meinungsfreiheit noch grösser.
Ein schönes Beispiel lieferte die Sendung «Infrarouge» (https://www.rts.ch/play/tv/emission/infrarouge?id=404386) des Westschweizer Fernsehens am 28. April unter dem Titel «Ist der Rahmenvertrag noch zu retten?» Diese Frage ist längst keine mehr – und der arg windschiefe Vertragsentwurf faktisch mausetot. Aber natürlich sassen im Studio dennoch auch hier links und rechts vom Moderator zwei unbelehrbare EU-Beitreter und Brüssel-Versteherinnen zwei Kritikern des Rahmenabkommens «ausgewogen» gegenüber: Erstere vertraten gerade mal jene 7% der Bevölkerung, welche die Schweiz immer noch der EU anschliessen möchten. Die anderen beiden argumentierten fundiert für die 90%, der Menschen im Land, die unsere Souveränität gegen wachsenden Integrations-Druck aus Brüssel standhaft verteidigen. Doch die (Über)-Vertretung der 7-prozentigen Minderheit wurde im Laufe der Sendung noch durch zwei weitere unkritische EU-AnhängerInnen verstärkt. Das war dann schon eindeutig «false unbalance»!
Eigenartig mutet gerade auf Infosperber der billige Seitenhieb gegen den sehr seriösen und wichtigen Historiker Daniele Ganser («Imperium USA, Die skrupellose Weltmacht») an. Insbesondere noch mit Verweis auf ein übles Machwerk in der NZZ, das Helmut Scheben hier schon am 31. Januar 2021 ebenso differenziert, wie vernichtend kritisiert hat.
(https://www.infosperber.ch/medien/ueber-printmedien/warnung-vor-dem-hunde/)
Helfen NZZ-Machwerke gegen ernsthafte Historiker? Eher nicht! N. Ramseyer, BERN
Um die Balance zu wahren, schreibe ich hier einen Kommentar hin. Ich möchte bei dieser Gelegenheit auf den Effekt hinweisen, dass bei bestimmten Themen diejenigen, die getroffen wurden, die meisten Kommentare schreiben und sich auch gegenseitig liken. Manchmal geschieht das sogar manipulativ durch Lobbyistengruppen. (Wir wissen ja, dass zuweilen die Economiesuisse oder Operation Libero die Kommentarspalten bevölkern.) Bei Rassismus- und Korrektheits-Themen ist immer wieder auffällig, dass die SVP-Fraktion bei den Pseudo-Debatten im Tagesanzeiger die Meinungshoheit hat. Auch schreibt man bei Adolf Muschg gerne hin: «Wie recht er doch hat!» Folglich ist auch hier davon auszugehen, dass die Kommentare der Corona-Verharmloser nicht repräsentativ sind.
Der liebe Gott hat offensichtlich die Corona-Krise kommen lassen, damit wir selbständig wahrnehmen und denken lernen. Es gibt doch auch die Beweise, welche zeigen, dass die Maske nicht so schampar gut wirkt! Im Frühling 2020 hat der Bundesrat eine Ansteckungsbremse befohlen: Desinfizieren, Quarantäne, Distanzing. Im Sommer kam noch die Maskenpflicht im ÖV und im Migros dazu. Und es hat scheinbar gewirkt! Juni, Juli, August, September hatten wir sehr tiefe Ansteckungszahlen. Und dann im Oktober, plötzlich dieses Hochschnellen der Zahl der Angesteckten. Gott im Himmel !! wie sollen wir jetzt das interpretieren?!
Für mich ist ganz klar: Die Ansteckungsbremse des Bundesrates ist keine gute Erfindung. Auch nicht wenn sie von der WHO kommt. Will mir tatsächlich jemand erzählen, das Schweizervolk habe in seinen Bemühungen, die Massnahmen zu praktizieren in der zweiten Hälfte September sehr nachgelassen, und darum sei die Zahl der Ansteckungen so hochgeschossen? Das glaubt ja kein Mensch !!
Nein, diese taskforcierter Idee – die Massnahmen, insbesondere die Maske als Problemlösung steht auf schwachen Beinen. Dies wird auch immer mehr bewiesen durch die Staaten, welche keine Massnahmen befohlen haben.
O.k. – ich trage die Maske im Coop, nicht wegen meiner Grossmutter im Altersheim, sondern wegen den Emotionen der Mitmenschen. Aber ich glaube nicht daran und entsprechend schludderig mach ich es.