Dank totem Uhu: PCB-Gift ist wieder auf der politischen Agenda
Im Dezember 2019 hatte Infosperber berichtet, dass die Belastung der Schweizer Bevölkerung durch den krebsfördernden Bauschadstoff PCB (siehe Kasten unten) 6-mal höher ist als der neue Richtwert der europäischen Lebensmittelbehörde (European Food Safety Authority, EFSA).
Infosperber konfrontierte damals das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) mit dieser massiven Überschreitung des Richtwerts und wollte vom BLV wissen, ob Massnahmen geplant waren.
Keine Jahresberichte zu PCB-Massnahmen
In seiner Antwort verwies das BLV auf den Bericht «PCB und Dioxine in Nahrungsmitteln von Nutztieren», der im August 2019 erschienen ist. Darin wird zwar der neue, tiefere Richtwert der EFSA erwähnt, aber direkte Folgen für den Bericht hatte die alarmierende Verschärfung des Richtwerts keine. Denn zusätzliche Massnahmen, die dem strengeren Richtwert Rechnung tragen, sucht man im Bericht vergeblich.
Kritik am PCB-Bericht kam auch vom «Beobachter» (Worte machen Rinder nicht gesünder) und von der Stiftung für Konsumentenschutz («PCB kann jeden von uns jederzeit treffen»).
Seit der Publikation des PCB-Berichts, der unter der Federführung der beiden Bundesämter BLV und BLW (Bundesamt für Landwirtschaft) entstanden ist, sind nun anderthalb Jahre vergangen und es stellt sich die Frage, welche Massnahmen inzwischen umgesetzt wurden.
Im Bericht der Arbeitsgruppe steht unter dem Titel «Dokumentation der Fortschritte», dass «mindestens jährlich über den Stand informiert» werden muss. Deshalb erkundigte sich Infosperber beim BLV nach den Berichten der Arbeitsgruppe für die Jahre 2019 und 2020.
Laut Auskunft des BLV wird die Umsetzung der Massnahmen zur Reduktion der PCB-Kontamination zwar «durch Fachpersonen begleitet, aber es gibt keine spezifischen Berichte darüber». Transparenz sieht anders aus.
Uhu-Weibchen mit «exorbitanter» PCB-Belastung
Jetzt erhalten der Bundesrat und die zuständigen Bundesämter BLV und BLW die Gelegenheit, sich zum PCB-Problem zu äussern. Denn der Bündner SP-Nationalrat Jon Pult hat dazu eine Interpellation eingereicht. Darin will er vom Bundesrat unter anderem wissen, was dieser unternimmt, «um die viel zu hohe PCB-Belastung der Bevölkerung» unter den europäischen Richtwert zu senken, aber auch wieviel PCB in den Wasserkraftanlagen seit 1930 verbaut wurden.
Letztere Frage steht im Zusammenhang mit der Medienkonferenz des Schweizerischen Nationalparks, der am 19. März 2021 mit einer virtuellen Medienkonferenz Alarm schlug. Die Medienmitteilung trägt den Titel: «PCB-Vergiftung im Spöl hat dramatische Ausmasse.»
Der Grund: Im Herbst 2020 fand ein Mitarbeiter des Nationalparks im Spöl-Tal ein totes Uhu-Weibchen (siehe Bild oben), das eine PCB-Konzentration aufwies, die «dem Tausendfachen des durchschnittlichen Wertes bei Menschen» entspricht.
Der Uhu hatte sich von den Fischen aus dem Spöl-Bach ernährt, die mit PCB aus der Rostschutzfarbe verseucht waren, die aus der Staumauer Punt dal Gall der Engadiner Kraftwerke stammte. Das hochgiftige PCB verteilte sich auf einer 5,75 Kilometer langen Gewässerstrecke des Spöls. Die Verantwortlichen des Nationalparks verlangen nun die vollständige Sanierung dieser Strecke.
Und so hat das tote Uhu-Weibchen bewirkt, dass das PCB-Gift wieder auf die Agenda des Bundesrats gesetzt wird. Auf die Antwort des Bundesrats darf man gespannt sein.
PCB: In der Schweiz seit 1986 verboten
PCB (Polychlorierte Biphenyle) sind in der Schweiz seit 1986 verboten. Zuvor wurden sie für eine Vielzahl von Zwecken eingesetzt, zum Beispiel als nicht-brennbare Flüssigkeiten in Transformatoren und elektrischen Kondensatoren, in Farben oder als Weichmacher in Dichtungsmassen und Kunststoffen.
Trotz Verbot sind laut Schätzungen der ETH schweizweit noch immer über 200 Tonnen PCB in Gebäuden und Anlagen verbaut, meist in Farben, Fugendichtungen und Isolationsölen.
PCB sind krebserregend, hemmen die Fortpflanzung und schädigen das Immun- und Nervensystem. Vom Menschen werden sie hauptsächlich über den Genuss von Fleisch, Fisch, Eier und Milch aufgenommen. Nutztiere nehmen PCB über Bodenpartikel auf oder über PCB-haltige Materialien, die ins Futter gelangen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
In der Freiburger Deponie La Pila, am Flussufer der malerischen Saane bei Hauterive gelegen, wartet auch noch die Kleinigkeit von 31 Tonnen PCB darauf, fachgerecht entsorgt zu werden. Ein beträchtlicher Teil des krebserregenden Materials ist zwar bereits in den Sedimenten des Schiffenensees verteilt worden, weil die Kantonsbehörden jahrelang die Augen vor diesem Desaster verschlossen hatten. Mittlerweile seit 17 Jahren schieben Kanton und BAFU dieses Dossier vor sich hin. Aktuell zuständig für die Schlamperei: SP-Staatsrat Jean-François Steiert. Sein erklärtes Ziel: Möglichst viele Subventionen vom Bund kassieren, jedoch damit weniger sanieren, als das BAFU als Gegenleistung einfordert. Soll noch einer sagen, Staatsrat Steiert setze sich nicht für das Wohl des Kantons ein…
Wenn man sich überlegt, dass die zuständigen Beamten allesamt fürstlich von uns entlöhnt werden, aber unsere Gesundheit derart gering schätzen, wird es mir übel!
In der Privatwirtschaft, würde solches Handeln von Mitarbeitenden umgehend Konsequenzen nach sich ziehen. Schon (eigen-)artig, dass dies anderweitig nur selten der Fall zu sein scheint.