70 Prozent der politischen US-Facebook-Gruppen sind toxisch
In den Tagen vor dem Angriff auf das US-Kapitol am 6. Januar posteten mehr als 100’000 Nutzer Hashtags wie #StopTheSteal und #FightForTrump auf Facebook, berichtete die «Washington Post». Facebook spielte damit eine grosse Rolle bei der Radikalisierung von Trumps Anhängern, die später versuchten, die Regierungsübergabe an Trumps Nachfolger zu verhindern.
Interne Unterlagen zeigen, dass solche politischen Verwicklungen für den Konzern nichts Neues waren. Das Unternehmen hatte Warnungen jahrelang in den Wind geschlagen. Ende Januar wurde bekannt, dass der Konzern schon lange wusste, welche Rolle Facebook in der Kommunikation extremistischer Gruppen spielt. Datenwissenschaftler im Unternehmen warnten bereits im August 2020 vor der zunehmend toxischen Natur von politischen Facebook-Gruppen und das nicht zum ersten Mal.
«Hass, Fehlinformation, Mobbing und Belästigung»
Viele der politischen Facebook-Gruppen, so die Wissenschaftler in den internen Dokumenten, strotzen von Hass, Fehlinformationen, Mobbing und Belästigung. Von den 100 aktivsten politischen Gruppen stuften sie 70 als «nicht empfehlenswert» ein, berichtete das «Wall Street Journal», das an die Dokumente gelangt war. Einen wirkungsvollen Mechanismus, um dieses schnell wachsende Problem zu bremsen, gebe es nicht, Facebook müsse dringend handeln.
Facebook hat seine Rolle in politischen Auseinandersetzungen stets relativiert, selbst nach dem Sturm auf das US-Parlament. «Ich denke, diese Ereignisse wurden grösstenteils auf [anderen] Plattformen organisiert, die nicht unsere Fähigkeiten haben, Hass zu stoppen, und nicht unsere Standards und nicht unsere Transparenz haben», sagte COO Sheryl Sandberg noch am 11. Januar gegenüber Reuters.
Facebook-Empfehlungen vergrössern das Problem seit 2016
Bereits im Mai 2020 war das «Wall Street Journal» auf interne Facebook-Dokumente gestossen, die zeigen, dass Facebooks Führungskräfte schon 2016 wussten, dass die Empfehlungen ihrer Plattform die Benutzer explizit in Richtung der schlechtesten Facebook-Inhalte treiben.
«64 Prozent aller Beitritte zu extremistischen Gruppen sind auf unsere Empfehlungstools zurückzuführen», heisst es in der Präsentation von 2016, insbesondere bei den Systemen «Groups You Should Join» (Gruppen, denen Du beitreten solltest) und «Discover» (Entdecken). «Unsere Empfehlungssysteme vergrössern das Problem», schlussfolgerten die Forscher.
Facebook gelobt immer wieder Besserung
2019 hatte das Unternehmen die Gruppen ins Zentrum seiner Services gestellt. Das Unternehmen empfiehlt Nutzerinnen und Nutzern seither verstärkt Gruppen, die «zu ihren Interessen passen». Das Ziel ist dabei generell, dass sich Nutzer möglichst viel auf der Plattform engagieren.
Es gibt ein unendliches Spektrum an Facebook-Gruppen. Solche, in denen Menschen zusammen Gitarre spielen lernen, andere, in denen sie Kochrezepte teilen, Quartierinitiativen, aber eben auch politische Gruppen mit rassistischen, frauenfeindlichen oder extremistischen Inhalten.
Wenn Nutzer auf eine Hass-Gruppe stossen und sei es auch nur versehentlich, vervielfältigt sich der Effekt. Zudem können Gruppenmitglieder andere in eine Gruppe einladen. Eingeladene bekommen die Inhalte der Gruppe dann angezeigt, obwohl sie gar nicht Mitglied sind. Trotz gegenteiliger Beteuerung Facebooks habe diese Praxis nicht nachgelassen, berichtet die Tech-Seite «Ars Technica». Facebook gelobte mehrmals Besserung.
Das Tech-Magazin «The Markup» führt ein «Citizen Browser Projekt» durch, in dem freiwillige Teilnehmer melden, was sie auf Facebook sehen. Das Medium dokumentierte beispielsweise einen Post, in dem in einer von Facebook empfohlenen Gruppe zur Ermordung eines Politikers aufgerufen wurde.
Jetzt will die Plattform unpolitischer werden
Nun will Facebook sich entpolitisieren und einem Teil der Nutzer in Kanada, Brasilien und Indonesien weniger politische Gruppen vorschlagen. Das kündigte das Unternehmen am 10. Februar an. Die Schweiz und Deutschland sind davon vorerst nicht betroffen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
Woher kommt dieser Hass? Sicher auch von der grossen Ungerechtigkeit auf der Welt.
Die Interessen der Mächtigen werden ja in den Massenmedien füglich vertreten: wozu soll es da noch facebook-Gruppen brauchen? Dass ein grosser Teil der Inhalte der politischen Facebookseiten dem Establishment nicht behagt, ist auch klar. Der Artikel liefert also nur die Bestätigung dessen, was jedem Denkenden ohnehin klar ist. Die Überschrift ist aber erschreckend: toxische Gruppen… Ein Schlagwort, nicht in Anführungs-Schlusszeichen! Toxisch, schlecht für wen: Facebook, die Machteliten, die Demokratie, die Wahrheit, die Sicherheit des Einzelnen? Was Manipulation und Zensur für die Demokratie bedeutet, interessiert Frau Gschweng nicht? Was soll dieser Artikel im Infosperber?
Es ist besser, man lässt solche radkikalen, hasserfüllten Gruppen sich äussern, anstatt sie in den Untegrund zu zwingen. Und schliesslich kann man auch über Videokonferenzen zusammen schimpfen und sich radikalisieren. Eine starke Demokratie kann extreme Gruppen tolerieren. Es wäre aber für die Gesundheit der Gesellschaft besser, wenn man die Gründe für den jeweiligen Hass ergründet, ihnen nachgeht, und womöglich sie und nicht die Symptome behandelt.
@Christof Kunz: Natürlich wird man genau beobachten müssen, wohin die Entpolitisierung einer so grossen Plattform weiter führt. «Toxisch» heisst in diesem Fall: hasserfüllt, antisemitisch, misogyn, rassistisch etc. Es geht um Gruppen, in denen unter anderem offen zu Gewalt aufgerufen wird oder in denen z.B. «Schwarze Listen» von vermeintlichen Gegnern geteilt werden. Es ist mehrfach erwiesen, dass Gruppenzugehörigkeit, und sei es auch nur auf Facebook, toxisches Verhalten verstärkt. Facebook verdient daran mit oder fördert wie beschrieben sogar diesen Prozess. Es gibt sogar eine Bezeichnung dafür: Rage Economy.
Sie rufen im Prinzip nach Zensur, und das verträgt sich halt schlecht mit freier Meinungsäusserung in einer freiheitlichen Gesellschaft. Mir macht der Müll, der in den Massenmedien verbreitet wird (zugegeben unterschwelliger, weniger direkt und meinetwegen weniger «toxisch»), entschieden mehr Sorgen als solches Extremzeug, das jeder vernünftige Mensch sofort als Müll erkennt. Trauen Sie den Menschen etwas mehr zu! NB: Systematischer Monopolismus wie Facebook gehört sowieso verboten.
Frau Gschweng, Sie schrebien: «hasserfüllt, antisemitisch, misogyn, rassistisch etc. Es geht um Gruppen, in denen unter anderem offen zu Gewalt aufgerufen wird oder in denen z.B. „Schwarze Listen“ von vermeintlichen Gegnern geteilt werden.»
Welcher Staat hätte dann noch das Recht, sich zu äussern und welcher globale Konzern? Hat nicht jeder eins dieser Kriterien, in den meisten Fällen sogar mehrere, bereits mehrfach verletzt? Können Sie mir ein Beispiel geben, einen Staat, einen Megakonzern, der keins der Kriterien verletzte?
Sehen Sie es wirklich nicht? Es geht nicht um Extremismus, sondern wenn überhaupt dann um machtpolitisch nicht erwünschten Extremismus. Es geht einzig darum, den «Gegner» mundtot zu machen. Alles andere ist Euphemismus und Fassade.
Wen wundert das, bei nur zwei politischen Parteien? Die Spektren der Splittergruppen sind zwar weit, aber dennoch stehen doch nur «Hardliner» und «Aussenseiter» der jeweiligen Partei zur wahl.Ralph Nader oder Bernie Sanders wären bei uns Mitte-Links Kandidaten. In den USA sieht man sie schon beinahe als Kommunisten.
Die Bezeichnung von Menschengruppen als «Gift» ist schon selber problematisch: Wodurch genau unterscheidet sich das von den inkriminierten antisemitischen, misogynen oder rassistischen Standpunkten? Wäre es nicht gescheiter, als Ausgangspunkt einfach mal zu akzeptieren, dass viele Menschengruppen einander nicht mögen – und darauf aufbauend zu fragen, wie man einander trotzdem ertragen kann?
Übrigens, Gegner gibt es wirklich – auf allen Seiten -, und dass man sich Listen solcher Gegner macht, ist auch keine neue Erscheinung. Die Ermordung von Politikern wurde früher mehr am Stammtisch gefordert und heute eben im Internet – häufiger sind Politikermorde dadurch aber nicht geworden. Der gemeine Bürger hat immer noch ein größeres Risiko als der sensible, schutzbedürftige Politiker.
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