So kann es «diplomatisch» zugehen – hinter den Kulissen
Red. Der Nahe Osten ist politisch eine besonders komplizierte Region, nicht nur wegen der Spannungen zwischen mehrheitlich sunnitischen und schiitischen Staaten, sondern vor allem auch wegen Israel, das ab der Gründung 1948 von den umliegenden Ländern abgelehnt und in mehreren Kriegen bekämpft wurde. Im Sechs-Tage-Krieg 1967 besiegte Israel mit einem Präventivschlag Ägypten und besetzte weitere Gebiete und im Jom-Kippur-Krieg 1973 war Israel, unterstützt von den USA, erneut siegreich gegen Ägypten und Syrien, die ihrerseits von mehreren weiteren arabischen Staaten unterstützt wurden. Das Problem dabei: die USA als Unterstützer Israels, die aber auch mit arabischen Staaten verbündet waren, zum Beispiel mit Saudi-Arabien. – Im Jahr 2020 hat Donald Trump über seinen jüdischen Schwiegersohn Jared Kushner versucht, arabische Staaten dazu zu bringen, mit Israel wieder diplomatische Beziehungen aufzunehmen, teilweise mit Erfolg. Die ganzen Veränderungen waren nicht zuletzt die Folge von persönlichen Beziehungen. Diese Art der «Beziehungspflege» ist im Nahen Osten indessen der «normale» Weg. Ein konkretes Beispiel: 1973 war Saudi-Arabien bereit, innerhalb weniger Tage mit Deutschland diplomatische Beziehungen aufzunehmen, weil es, wie man vermutet, im Hinblick auf den Jom-Kippur-Krieg, in den hineingezogen zu werden es befürchtete, sich auf die USA nicht verlassen konnte. Der deutsche Diplomat Dr. Gerhard Fulda erzählt hier, wie er als Insider die damaligen hektischen Tage vor Ort miterlebte. (cm)
Als der Verfasser 1970 in den diplomatischen Dienst Deutschlands aufgenommen wurde, herrschte seit 1964 in Saudi-Arabien König Faisal, ein autokratischer Royalist mit engen Beziehungen zu den USA. In Kairo regierte Gamal Abdel Nasser, der fast 20 Jahre früher das ägyptische Königshaus gewaltsam von der Macht verdrängt hatte, ein autokratischer Revolutionär mit engen Beziehungen zur Sowjetunion. Was den Kapitalisten in Saudi-Arabien und den Sozialisten in Ägypten verband, war die gemeinsame Feindschaft zu Israel, die schwerer wog als die ideologische Distanz. Seit dem 6-Tage-Krieg 1967 hielt Israel nicht nur das West-Jordan-Land besetzt, sondern auch den Sinai. Mit schwerer Artillerie hatte sich Israel am östlichen Ufer des Suez-Kanals einbetoniert. Russland baute den Assuan-Damm und die USA bewahrten Israel vor Verurteilungen im UN-Sicherheitsrat.
Es war die Zeit kurz vor den ersten multilateralen Entspannungsbemühungen. Dennoch veränderte sich der Globus rasant, vieles geriet in Bewegung. Die 68er-Aktivisten begannen weltweit – wenn auch mit deutlichen regionalen Schwerpunkten –, verkrustete Strukturen aufzubrechen. Die Dekolonisierung war in vollem Gange. Die Grossmacht USA verlor militärisch gegen die Guerillas in Vietnam.
Erstmals hörten wir neue Begriffe wie «Umweltpolitik» oder «Globalisierung». Zwar konnte von einer wirklichen Verflechtung der nationalen Wirtschaften und Kulturen noch lange keine Rede sein. Im Ordnungsplan des deutschen Auswärtigen Amtes tauchten Begriffe wie «multilaterale Fragen» oder «Globalisierung» erst in den 90er Jahren als Bezeichnung von Abteilungen auf. Zuvor bestand die Aussenpolitik vor allem in der Gestaltung bilateraler Beziehungen, mit der Zentrale des Amtes im Inland, den Botschaften und Konsulaten im Ausland. Wo es keine diplomatischen Beziehungen gab, fand letztlich nur ein sehr indirekter und verkümmerter Ausgleich nationaler Interessen statt. Die Aufnahme bilateraler diplomatischer Beziehungen zwischen zwei Staaten, von der in den folgenden Erinnerungen eines Beteiligten die Rede ist, war deshalb ein zunächst nur schlummerndes Ziel, das aber, einmal in Sichtweite, sogleich die politischen Spitzen der beteiligten Länder beschäftigte.
Jeddah, Saudi-Arabien, im Sommer 1973
Historiker arbeiten am liebsten mit schriftlichen Quellen. Mündliche Überlieferungen gelten als weniger zuverlässig, weil zu spontan und mit den Lücken der Erinnerung. Unverzichtbar wird der in seinem Gedächtnis aufräumende Zeitzeuge aber immer dann, wenn Entscheidungsprozesse nur so nachgezeichnet werden können, weil gar nichts oder sehr wenig zu Papier gebracht worden ist. Telefongespräche werden noch immer nur selten festgehalten. Streitereien im persönlichen Gegenüber, wenn nur von einer Seite aufgeschrieben, werden meist tendenziös wiedergegeben. Das ist nicht wertlos, aber die Historiker und die Leser und Leserinnen sollten gewarnt und aufgefordert werden, kritisch zu bleiben.
Zur Person, um die es im Folgenden geht, findet man in den Archiven folgende Information: «Gaith Rashad Pharaon ist 1940 in Er Rijad, der Hauptstadt von Saudi-Arabien, geboren. Sein Grossvater, ein syrischer Kaufmann, stand in Verbindung mit der Saud-Familie während der Türkenherrschaft und zu Beginn des Saudi-Staates, sein Vater Rashad Pharaon, ebenfalls noch in Syrien geboren, studierte Medizin in Damaskus und wurde Leibarzt von Abdulasis Ibn Saud, dem Gründer von Saudi-Arabien. Er war später Botschafter, Gesundheitsminister und Berater von König Faisal. Man nannte ihn gern den ‹ungekrönten König Arabiens›, einen Mann hinter den Kulissen, eine höchst einflussreiche graue Eminenz. Er kontrollierte auch den Geheimdienst, strebte aber stets mehr nach Einfluss als nach Reichtum. Gaith Rashad Pharaon erhielt entsprechend der Position seines Vaters eine gediegene Ausbildung. Er studierte u. a. an der Harvard Business School in Cambridge/Mass. in den USA und erwarb 1962 den ‹Bachelor of Science›, promovierte im Fach Öl-Ingenieurwesen 1963 zum Dr. phil. und erwarb 1965 den Master in Business Administration MBA.» (*)
«Das musst du unbedingt aufschreiben»
Als junger deutscher Diplomat in Saudi-Arabien habe ich vor fast 50 Jahren Vater und Sohn Rashad Pharaon persönlich kennengelernt. Wann immer ich mich an die erstaunliche Geschichte dieser meiner Begegnungen erinnere und davon erzähle, höre ich, vor allem von US-amerikanischen Gesprächspartnern, die gleiche Reaktion: «Das musst du unbedingt aufschreiben! Wenn du nicht mehr lebst, geht das alles verloren.»
Den oben zitierten biographischen Eintrag konnte ich damals noch nicht kennen. Ob der Vater wirklich auch den Geheimdienst kontrollierte, ist fraglich; es gab damals in Saudi-Arabien zwei Geheimdienste mit je einem eigenen Chef. Richtig ist wohl aber, dass Pharaon auch nachrichtendienstliche «Briefings» erhalten hat. Seine Rolle im Machtgefüge des damaligen Königreichs Saudi-Arabien soll Gegenstand des folgenden Berichts werden.
US-Panzer mit deutschem Absender für Israel
Zur Erinnerung: Konrad Adenauer hatte im März 1960 bei dem legendär gewordenen Gespräch mit dem israelischen Premier Ben Gurion im Waldorf Astoria Hotel in New York auch deutsche Waffenlieferungen nach Israel vereinbart. 1962 konkretisierte sich diese Zusammenarbeit mit dem israelischen Wunsch nach militärischem Grossgerät auf Panzerlieferungen. Den «Leopard» gab es damals noch nicht, aber Deutschland war aus den USA mit dem M 48 ausgestattet worden. Unter grosser Geheimhaltung sollte nun eine erhebliche Zahl dieses Panzermodells aus Deutschland nach Israel geliefert werden.
Politisch brauchte man nicht lange zu fragen, warum die Amerikaner nicht direkt hätten liefern können – auch nicht bei deutscher Bezahlung. Die USA fürchteten die Reaktion der Araber und bürdeten diese Last nun den Deutschen auf. Und tatsächlich – noch schaukelten die Panzer auf dem Mittelmeer – wurden in der ganzen arabischen Welt die westdeutschen Botschafter einbestellt und mussten sich die erbitterten Beschwerden ihrer Gastländer anhören. Weisungsgemäss leugneten die deutschen Diplomaten, doch das half nichts. Die nachrichtendienstlichen Erkenntnisse konnten nicht weggelogen werden. Die Bundesrepublik Deutschland musste den politischen Preis zahlen: Die meisten arabischen Länder brachen danach die diplomatischen Beziehungen mit Deutschland ab …
Zufällig «Aufgeschnapptes» war in Deutschland willkommen
Als ich 1972 als Diplomat nach Jeddah versetzt wurde (die Botschaften wurden erst später nach Riadh verlegt), arbeiteten wir zwar noch in dem alten Kanzleigebäude, vor dem aber die italienische Fahne wehte. Wir waren der deutsche Arbeitsstab in unserer italienischen Schutzmachtvertretung. Ich selber war der stellvertretende Leiter dieses sehr kleinen Stabes. Das saudi-arabische Aussenministerium durften wir nicht betreten. Dessen Mitarbeiter sollten uns auch auf Empfängen meiden. Unsere Funktion beschränkte sich auf Exportförderung, etwas (bezahlte) Entwicklungshilfe und auf den konsularischen Bereich. Und auf das, was wir in einem Land ohne politische Nachrichten in Radio und Presse sonst noch so über die inneren Machtverhältnisse «aufschnappen» konnten. Dank meiner Arabischkenntnisse konnte ich das eine oder andere dazu beitragen.
Auf einem Empfang lernte ich nun eben auch Rashad Pharaon jr. kennen. Wir waren ungefähr gleichaltrig und ich amüsierte ihn mit abenteuerlichen Schilderungen konsularischer Problemfälle in dem abgeschotteten Land. Sein Vater, so hiess es, spiele eine nicht ganz unwichtige Rolle in der Umgebung des Königshauses. Genaueres wusste ich noch nicht.
Als sich im Frühherbst 1973 mein Chef gerade im Heimaturlaub befand, rief mich Gaith Rashad, also der Junior, an. Er gab mir eine Telefonnummer. Sein Vater wolle mit mir sprechen, es sei wichtig. Dort meldete sich der Senior auf Französisch und merkte an, das verstehe hier ja niemand. Da hätte ich eigentlich schon spüren müssen: Was er mir sagen wollte, sollte nicht jeder wissen. Es war nur für die bestimmt, die es auf jeden Fall wissen mussten. Aber die dann folgende Nachricht elektrisierte mich derart, dass eine solche Bedeutung der Sprachwahl nicht in mein Bewusstsein drang.
«Wir wollen diplomatische Beziehungen – und zwar sofort»
Worum ging es? König Faisal habe entschieden, die diplomatischen Beziehungen mit der Bundesrepublik Deutschland wieder aufzunehmen. Es müsse ein sehr hochrangiger Diplomat aus Bonn nach Jeddah kommen, am besten am Dienstag nächster Woche. Es war Donnerstagabend … Wir aber hatten in jeder Woche nur am Freitag (dem dortigen Feiertag) von 10 bis 12 Uhr eine Fernschreibverbindung nach Deutschland und gar keine Telefonverbindung ins Ausland. Trotzdem gelang es mir, die Nachricht in dem kurzen Fenster schnell noch abzusetzen.
In Bonn brachte mein kurzer Bericht den Terminkalender von Staatssekretär Hans-Georg Sachs gehörig in Bewegung. Aber schon am Freitag um 11.45 Uhr konnte ich Rashad Pharaon zurückmelden, es klappe. Der Staatssekretär werde am 11. September 1973 mit einer kleinen Delegation anreisen.
So weit, so gut. Aber nur für eine Woche, bis zum nächsten Freitag, diesmal am frühen Nachmittag. Da wurde dem italienischen Botschafter aus dem saudischen Aussenministerium mitgeteilt, eine Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Bundesrepublik werde in absehbarer Zeit nicht stattfinden. Ich wusste nicht warum und hatte keine technische Möglichkeit, dem Auswärtigen Amt diese Hiobsbotschaft noch vor dem Abflug der Reisenden aus Deutschland zu übermitteln. Ich konnte nur die Ankunft der Lufthansa auf dem Flughafen abwarten und einem Staatssekretär eröffnen, er könne gleich wieder zurückfliegen. Dann kam der Gedanke «Lufthansa». Hatten die nicht ein eigenes Funksystem? Ja, aber der örtliche Repräsentant machte deutlich, dies dürfe unter keinen irgendwie gearteten Umständen für etwas anderes als für direkt den Flug betreffende Nachrichten genutzt werden, weil sonst die Flugrechte verloren gehen könnten.
Was blieb mir übrig? Ich bat die Lufthansa, dem Auswärtigen Amt mitzuteilen, der deutsche Arbeitsstab in Jeddah habe die vier Reservierungen für den Staatssekretär und seine Delegation gecancelt. Das war eine passagierbezogene Information. Im Auswärtigen Amt konnte man erraten, dass da offensichtlich etwas schief gegangen war.
Dann ein Anruf bei Rashad Pharaon jr. «Dein Vater meldet sich nicht, wo finde ich ihn, ich fliege notfalls sofort nach Riadh.» Tatsächlich war er nicht in Riadh, sondern bei König Faisal in dessen Sommerresidenz, hoch oben in den Hedschasbergen hinter Mekka. Der Sohn wollte ohnehin seinen Vater besuchen, machte einen Termin für mich und nahm mich mit in seinem Auto. Unterwegs sagte ich ihm, er könne sich doch sicher einen grossen Mercedes leisten, der halte länger als dieser Chrysler mit den komischen Heckflossen. Das war ihm offensichtlich aber doch zu teuer. Er hatte es sich angewöhnt, ein neu gekauftes Auto jeweils nach einem Jahr seinem Chauffeur zu schenken. Sollte dieser aber wirklich jedes Jahr anlässlich der Fastenzeit die neue S-Klasse kriegen?
Die Schelte kam überraschend
Der Vater begrüsste mich mit einer Schimpftirade: «Vous avez fait une gaffe monumentale.» «Une gaffe!» «Quelle gaffe!» Das hiess so ungefähr: Sie haben einen Riesenbock geschossen. Ich wusste immer noch nicht, wo das Problem lag und was ich falsch gemacht hatte. Im Verlauf des Gesprächs klärte er mich auf. Er hatte mit dem König gesprochen und absichtlich das Aussenministerium dazu nicht eingeladen, denn dort sei der Zorn über die deutschen Panzerlieferungen an Israel immer noch gross. Aber warum den Besuch aus Deutschland immer noch geheim halten? Entscheidet nicht letztlich der König – und damit basta? Ja, aber ein sehr einflussreicher Prinz war persönlich eng befreundet mit dem Aussenminister Omar EsSaqqaf. Der wollte die Entscheidung erst einmal verschieben und der König wollte keinen Streit in der Familie …
Auf meine Fragen, warum er so zur Eile gedrängt habe und ob es nicht doch noch eine Lösung gebe, gab er nur halbe Antworten. Immerhin, wenn auch sibyllinisch: Manchmal entwickelten sich Situationen, in denen sich Saudi-Arabien nicht auf die USA verlassen könne und deshalb die Europäer brauche – und dazu eben Westdeutschland. Über seine nächsten Schritte wollte er mit mir nicht sprechen, sonst stolpere ich in die nächste «gaffe» …
Erst dann kam mir hoch, dass ich auf einem Empfang tatsächlich – zum ersten Mal – mit einem hohen Beamten des Aussenministeriums gesprochen hatte. Für mich ungewohnt, hatte der mich treuherzig gefragt, wir erwarteten ja einen hohen Besucher aus Bonn und wer denn nun kommen werde? Nicht im Traum hätte ich mir denken können, dass er in Wirklichkeit gar nicht informiert war und nur einem Gerücht nachspüren wollte. Nun ja, auf seinem ersten Auslandsposten darf ein junger Diplomat wohl noch etwas naiv sein und muss seine Erfahrungen machen.
Und dann ging es doch
Auch später habe ich nie erfahren, wie Rashad Pharaon die durch mich entstandenen Stolpersteine dann doch schnell wieder aus dem Weg räumen konnte. Jedenfalls war es wenige Tage später ausgerechnet Aussenminister Omar EsSaqqaf persönlich, der dem italienischen Botschafter sagte, die deutsche Delegation sei zur Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen in den nächsten Tagen jetzt sehr willkommen.
Die Lufthansa flog am Dienstag. Am Mittwoch, dem 19. September 1973, wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Saudi-Arabien wieder aufgenommen. Das Zeremoniell war perfekt. Erstmals nach acht Jahren wurde die schwarz-rot-goldene Fahne wieder gehisst plus Nationalhymne mit Trompetenbegleitung. Grosser Empfang in der seit diesem Tag wieder als Botschaft bezeichneten Kanzlei der «Deutschen Botschaft» und Abendessen – mit Damen – in der luxuriösen Residenz des Aussenministers.
Warum brauchte Saudi-Arabien die Europäer?
Das politische Rätsel der Ereignisse löste sich schon gut zwei Wochen später. Was konnte eine «Situation» sein, in der Saudi-Arabien, wie mir erklärt worden war, sich «nicht auf die USA verlassen könne und deshalb die Europäer brauche»?
Zwei Wochen später, am 6. Oktober 1973, begann der Jom-Kippur-Krieg. Die Ägypter überquerten den Suezkanal und überraschten die den Sinai besetzt haltenden israelischen Truppen. Zum historisch einzigen Mal konnten sie eine Schlacht gewinnen – für gerademal einen Tag. Trotzdem gewann Israel den Krieg.
Die Auseinandersetzung hätte sich schnell zu einem regionalen Flächenbrand entwickeln können. In einen solchen Konflikt wäre auch Saudi-Arabien hineingezogen worden. Das Land hätte sich dabei – Israels wegen – «nicht auf die Unterstützung der USA verlassen können». Dies war offensichtlich die «Situation», auf die sich die rätselhafte Bemerkung des engen Beraters von König Faisal vor ein paar Tagen bezogen hatte.
Wusste dieser Mann schon am 12. September oder sogar früher, was knapp einen Monat später passieren sollte? Es wäre nicht ganz ungewöhnlich gewesen, wenn die Ägypter ihren Kampf zuvor mit Saudi-Arabien abgestimmt hätten. Aber hätte dergleichen dem israelischen Geheimdienst entgehen können? Zumindest müssen es sehr vertraulich gehaltene Planspiele gewesen sein. Rashad Pharaon hat sie jedenfalls als nahe bevorstehend ernst genommen. Seinem eigenen Aussenministerium hatte er nicht vertraut.
Viele Jahre später trug mir ein saudischer Kollege eine ganz andere Lesart vor: von wegen «immer noch andauerndem Zorn». Pharaon müsse gewusst haben, dass das Aussenministerium die militärischen Kräfteverhältnisse ganz anders beurteilt habe, die eigenen Fähigkeiten, die ägyptischen und auch die israelischen. «Wir hätten Kairo gewarnt!»
Gewiss, nachher weiss man immer alles besser. Wir wissen nicht, wie es wirklich gewesen ist.
Vielleicht finden Historiker doch noch Quellen, wenn sie jetzt erfahren, wonach sie suchen müssen. Aber was die «graue Eminenz» angeht, so muss man nach dieser Geschichte vermuten: Was uns genutzt hat, wäre anders verlaufen, wenn der Berater seinerseits auf sachkundige Berater gehört hätte. Und ob er die Rolle der Bundesrepublik Deutschland in der antizipierten Konfiguration richtig eingeschätzt hat, erscheint rückblickend ebenfalls mehr als fraglich. Das kommt davon, wenn man ohne diplomatische Beziehungen lange nicht mehr miteinander gesprochen hat.
(*) Vgl. Munzingers Internationales Biographisches Archiv 50 / 1978, Stichwort «Gaith Rashad Pharaon». Im Netz unter diesem Link.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Dr. jur. Gerhard Fulda war 1970 bis 2004 im deutschen Diplomatischen Dienst, zuletzt als Botschafter in Indonesien.