Sperberauge

NZZ-Redaktion weist Inserat ab

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Monique Ryser /  Ohne Angabe von Gründen lehnt die Zeitung ein politisches Inserat ab.

«Kehrtwende: Für eine weltoffene, nachhaltige und eigenständige Schweiz» ist der Titel des einseitigen Inserates, das Verena Tobler und Mitunterzeichner in der NZZ veröffentlichen wollten. Der Aufruf enthält keine ehrenrührigen oder strafrechtlich problematischen Stellen. Mit 14’000 Zeichen ist er etwas lang und das, was man in der Zeitungssprache eine «Bleiwüste» nennt.
Optische Unzulänglichkeiten führen in der Regel nicht dazu, dass Inserate abgelehnt werden. Genau das hat die NZZ aber getan: «Von Seiten der NZZ Redaktion haben wir kein grünes Licht zum Druck», wurde Verena Tobler beschieden, nachdem sie mit der Inserateabteilung Tarif und Erscheinungsdatum geregelt hatte. Eine Nachfrage von Infosperber zum Grund der Ablehnung bei der NZZ-Chefredaktion wurde von der Pressestelle mit folgendem Wortlaut beantwortet: «Gemäss Punkt 5 unserer Allgemeinen Geschäftsbedingungen behalten wir uns vor, Inserate ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Dies ist im vorliegenden Fall geschehen.»
«Das ist peinlich und illiberal», sagt Verena Tobler. Dass Leserbriefe von ihr konsequent nicht abgedruckt würden, mit dem lebe sie, aber dass die Redaktion gar ein Inserat, das von ihr finanziert werde und für das sie weitere Mitunterzeichnerinnen und Mitunterzeichner suchte, abgelehnt werde, das sei schon erstaunlich. Verena Tobler bezeichnet sich selber als «Struktur-Linke» und betont, dass einfache Lösungen von links und rechts nicht geeignet seien, die komplexen Probleme der Welt zu lösen.

Bekannt wurde die Zürcher Ethnologin und Soziologin 2012: Die SBB hatte ein israelkritisches Plakat entfernt, Tobler wehrte sich bis vor Bundesgericht gegen diesen Entscheid und bekam Recht. Das Bundesgericht stellte fest, das SBB-Areale zum öffentlichen Raum gehören und die SBB zu Neutralität verpflichtet sei. Auch inhaltlich hatte das Bundesgericht nichts auszusetzen. Die letzte Passage «Unrecht verlangt Widerstand!» sei zwar «eine kämpferische Aussage», der Text enthalte jedoch keine strafbaren Äusserungen, namentlich werde «weder zu Gewalt noch zu sonstigen strafbaren Aktionen aufgerufen».

Natürlich hat die NZZ – im Gegensatz zur SBB – alles Recht, Inserate anzunehmen oder abzulehnen. In Zeiten von Kurzarbeit ist es aber Unfug, wenn die Chefredaktion eine Anzeige ablehnt, nur weil ihr die politische Ausrichtung oder die Auftraggeberin nicht passen.

Das Inserat im Wortlaut: Hier anklicken

Weiterer Artikel zu diesem Thema auf Infosperber:

«‹NZZ-Regional› baut Monopol aus und kippt Inserat»

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11 Meinungen

  • am 29.07.2020 um 12:22 Uhr
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    Von der NZZ-Redaktion ist man sich ja schon einiges gewohnt. Die Ablehnung eines Inserates dessen politischer Inhalt der Redaktion nicht passt, ist ein neuer Höhepunkt. Die Ablehnung dies zu begründen, ein Tiefpunkt journalistischer Haltung. Aber wen überrascht das?

  • am 29.07.2020 um 13:02 Uhr
    Permalink

    geehrte Verena Tobler,
    selbstverständlich ist das Ablehnen Ihres «Inserates» nicht zulässig!
    Aber – erlauben Sie mir als Gestalter und Künstler – dass ist kein «Bild», welches potenziell Interessierte zum «LESEN» animieren würden! Ein gutes CARTOON ist – so meine Überzeugung – ist immer besser – WIR LEBEN VON BILDERN! HÄRZLIG DÄGE http://www.daege-basel.ch

  • am 29.07.2020 um 15:09 Uhr
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    Verena Tobler hat offensichtlich ein völlig veraltetes Bild von dem einst echt liberalen Blatt.
    Das Geld für das Inserat wäre aus dem Fenster geworfen, weil sie kaum einen der heutigen Leser des stocklibertären Blattes im US-Stil gewonnen hätte. Sie sollte für die Verweigerung dankbar sein, per Inserat ihre Meinung da frei veröffentlichen zu dürfen. Es ist auch ein unfreiwilliger Beweis, dass bei dem Blatt seriöse Berichterstattung zunehmend durch hochprofessionelle Meinungsmache für Rechtslibertäre Ideologie ersetzt wird.

    Frau Tobler könnte erwägen, sich von einer unabhängigen PR-Agentur beraten zu lassen, für ein optimales u. doch wirtschaftliches ‹Placement› in Medien, für ihr Anliegen ?

    Oder war das so schon ein PR-Trick ? – Nicht so wenige wollen doch jetzt lesen, was vor der Öffentlichkeit verborgen bleiben soll.

  • am 29.07.2020 um 15:30 Uhr
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    Die Reaktion der NZZ ist nicht gerade souverän. Es wäre aber trotzdem noch schön zu wissen, was denn überhaupt im Inserat stand, oder?

  • Christian Müller farbig x
    am 29.07.2020 um 15:44 Uhr
    Permalink

    @Peter Eberhard: Offensichtlich haben Sie noch nicht gemerkt, dass wenn in unseren Texten ein Wort farbig und unterstrichen ist, es ein sogenannter Link ist: Man dann dann das Unterstrichene anklicken, dann kommt die Information hinter dem Wort. So ist es auch in diesem Text: Klicken Sie ganz am Anfang des Textes auf das farbige und unterstrichene «Inserates» und schon erscheint dieses Inserat und Sie können es lesen. So funktioniert es bei all unseren Texten. Mit freundlichem Gruss, Christian Müller, Redaktion Infosperber.

  • am 29.07.2020 um 17:05 Uhr
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    Die Geschichte von Frau Tobler ist wunderbar exemplarisch. Ich bin fast geneigt zu sagen, geschieht ihr recht. Da könnte ja jeder kommen. Der Eigentümer kann mit seiner Zeitung machen, was er will. Träumen Sie weiter, Frau Tobler von Meinungsfreiheit und Demokratie im Kapitalismus! Man kann vom Teufel auch nicht verlangen, dass er die Heizung in der Hölle etwas reduziert. Die Hölle gehört ihm.

  • am 29.07.2020 um 21:42 Uhr
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    Nach dem Lesen des Inserates kann ich bestätigen, dass der Text keine ehrenrührigen oder strafrechtlich problematischen Stellen enthält.
    Trotzdem, Im Gegensatz zu den öffentlich rechtlichen Institutionen muss eine Zeitung nicht neutral sein.
    Es ist ihr gutes Recht Inserate abzulehnen, muss nicht zwangsläufig mit der Aussage zu tun haben, sondern kann auch am Stil liegen …
    Das kann man akzeptieren oder eben mit Polemik nicht.

  • am 31.07.2020 um 03:40 Uhr
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    Keine Ahnung was das Inserat eigentlich will. Also “wir wollen komplexes Denken“ und anerkennen dialektischer Widersprüche. Ja und? Ich will auch vieles. Was soll ich jetzt tun, wenn ich diesen Text lese?
    Hätte NZZ den nicht zensiert, so hätte er bestimmt noch weniger Aufmerksamkeit erhalten. Kein Call to Action, keine Richtung wohin zustimmende Leute sich wenden sollen, keine Organisation die das Thema weitertreibt. Der Dame ist wohl völlig unbekannt wie professionell einige Länder und viele Grosskonzerne ihre Weltpolitik organisieren. “internationale Zusammenarbeit aber nicht von oben herab“? Völlig absurd ausserhalb des kleinen, warmen Nestes Schweiz. Frau Tobler will ja wohl nicht mit einer Milliarden Chinesen ohne Uniabschluss direkt verhandeln, wie sie uns paar Schweizer Nasen bitte behandeln sollen. Oder mit 2 Millionen indischen NGOs direkt besprechen welche für die Schweiz relevant sind. Zensur war sinnlos, das Inserat genauso.

  • am 31.07.2020 um 09:46 Uhr
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    Vermutlich wurde das Inserat abgelehnt weil es die typischen NZZ Leser überfordert und wirkliche Debatten in der NZZ nicht gewünscht sind, dafür sorgt CR Eric Gujer. Ein Tipp an Verena Tobler: in der Kürze liegt die Würze. Obwohl lesenswert glaube ich nicht dass jemand den ganzen Text liest!

  • am 31.07.2020 um 13:47 Uhr
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    Liebe Leute, wo und wann lebt ihr eigentlich?
    Für mich ist die NZZ längst ein No-Go, die würde ich nicht mal gratis in die Finger nehmen. Ebenso wie die BILD-Zeitung.
    Zitat Infosperber: Verena Tobler: «Dass Leserbriefe von ihr konsequent nicht abgedruckt würden, mit dem lebe sie, aber dass die Redaktion gar ein Inserat, das von ihr finanziert werde und für das sie weitere Mitunterzeichnerinnen und Mitunterzeichner suchte, abgelehnt werde, das sei schon erstaunlich.»
    Oje! Sie probieren es dort immer noch? Das kreide ich solchen Linken an: Dass sie nicht ihrerseits konsequent solche Verkäufer boykottieren. Eigene Medien gründen! Sich gegnerischen Mächten (wie NZZ) unterwerfen, bringt Kummer, fragen Sie die Native Americans und Wilhelm Tell.
    PS: Frau Tobler (und alle anderen Linken), wenn Sie Mitunterzeichner suchen: http://www.campax.org
    Die NZZ zitiert missgünstig: «Die Lehre, die der Junior daraus zieht: Geld ist nicht so wichtig, Verbündete zu haben, dagegen sehr.»
    https://www.nzz.ch/zuerich/begegnung-mit-einem-kampagnen-profi-der-meister-des-shitstorms-ld.146507

  • am 11.08.2020 um 22:46 Uhr
    Permalink

    Frau Tobler kann froh sein, dass das Inserat abgelehnt wurde, viel Geld gespart. Erstens liest diese katastrophal gestaltete Bleiwüste niemand, und zweitens interessiert sich bei den heutigen NZZ-Abonnenten kein Mensch für dessen Inhalt. Im TAGI wäre es schon wirksamer und würde wohl kaum abgelehnt. Aber auch dann: Bleiwüsten liest niemand, Botschaften müssen medienwirksam verpackt sein, und das fehlt hier komplett.

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