Sperberauge
Weil es ist so anbiedernd
Ich weiss, die Sprache wandelt sich. Die Deutschen nahmen – mehrheitlich – Abschied von den Eierteigtaschen und essen jetzt Ravioli, wie Schweizerinnen es schon immer taten. Die SBB haben uns den Schaffner erspart und mittlerweile die abnehmende Zahl von Kondukteuren und Kondukteurinnen zu «Reisezugbegleiter/innen» umgetauft. Auch Grammatik wandelt sich. Das wissen wir spätestens, seit «Zwiebelfisch»-Autor Bastian Sick prophezeite, «der Dativ ist dem Genitiv sein Tod».
Trotzdem ärgere ich mich. Nein, nicht über phantasievolle Wortschöpfungen, wie sie weiland Niklaus Meienberg gelangen, als er für den bedeutungsvoll daher schwadronierenden Phrasendrescher den Begriff «Blähnüsterich» kreierte, sondern über die Nachahmer, die, wie ein anderer mal spottete, stilistisch «meienbergern». Saloppe Wörter darf man in einem Text einmal gebrauchen, beim zweiten Mal wirken sie bereits hohl. Das Gleiche gilt bei grammatisch falschem Satzbau.
So befand irgendwann mal eine oder einer, die Begründung eines Sachverhaltes sei ebenso wichtig wie der Sachverhalt selber. Darum macht er aus einem Haupt- und einem Nebensatz zwei Hauptsätze. Beispiel: Wir machen unsere Hausaufgaben, weil: Der Lehrer bestraft uns sonst mit einer schlechten Note. Dann fiel der Doppelpunkt weg, und die falsche Form schoss ins Kraut. So schreibt etwa die Kolumnistin Natascha Wey in der Zeitung P.S.: «In dieser Position (gemeint ist die Position der «privilegierten Schweizer Mittelschichtsfrau») kann man sich an Prostitution stören, weil selber wird man es kaum je machen müssen.»
Wey ist eine unter sehr vielen, welche diese sprachliche Marotte nachahmen. Ob im Radio, Fernsehen oder in Zeitungen, täglich werden «Weil»-Nebensätze gedreht, als wären es «Denn»-Sätze. Das erinnert mich an meine Mutter, ebenfalls eine Frau aus der Mittelschicht, wenn sie mit ihrer italienischen Putzfrau redete und dabei radebrechte: «Ich auch putzen, weil es wird sauberer, wenn putzen beide.» Damals protestierte ich, fand, sie hindere mit ihrem anbiedernden Kauderwelsch die italienische Einwanderin, Deutsch zu lernen.
Heute frage ich mich nur noch, wie lange es wohl geht, bis Schreiberinnen und Schreiber den «Denn»-Satz ebenfalls umdrehen. Dann läse man in einer nächsten Kolumne: «In dieser Position kann man sich daran stören, denn man selber es kaum je wird machen müssen.» – Muss aber nicht sein.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Super, ich danke herzlich. Meine Schüler halten mich für ein Fossil und sind kaum zu überzeugen, dass es auch richtiges Deutsch gibt und es berst noch verständlicher und eindeutiger ist.
Nicht nur voll richtig deutsch, Alter.
Danke, Andreas Villain, Basel