Sperberauge
NZZ verliert juristisches Gewissen
Jeder kennt die Redensart: «Ich habe es Schwarz auf Weiss gesehen». Was sich normalerweise auf die Druckerschwärze auf weissem Zeitungspapier bezieht, hat im Falle des Inland-Ressorts der NZZ noch eine zusätzliche Bedeutung: Deren Chef, René Zeller, nicht nur journalistisch erfahren, sondern auch als PR-Mann in der Farner Consulting auf Meinungsmache geschult, ist ein Meister der Schwarz-Weiss-Malerei. Grautöne liegen ihm nicht.
Eine andere Stimme im Inland-Ressort der NZZ, die unser Land differenzierter zu verstehen und zu erklären versuchte, als ihr direkter Chef, war Claudia Schoch, von der Ausbildung her Juristin und spezialisiert auf Themen des Staats- und Völkerrechts. Sie wird künftig nur noch Rechtskonsulentin der NZZ sein, aber nicht mehr schreiben. Schade!
Ulrich E. Gut, Präsident der Vereinigung «Unser Recht», selber Jurist, kommentiert den Abgang so:
Die starken Männer der NZZ-Innenpolitik haben es künftig leichter, auch in rechtsstaatlichen, völkerrechtlichen, flüchtlings- und ausländerpolitischen sowie humanitären Fragen den Schulterschluss mit der SVP voranzutreiben: Kurz nachdem Christoph Wehrli in den Ruhestand getreten ist, wird Claudia Schoch als Rechtskonsulentin hinter die Front des politischen Journalismus komplimentiert. Die Krokodilsträne des Strategen (René Zeller, Anm.cm): «Der damit verbundene Abschied vom Journalismus bedeutet zwangsläufig, dass die Inlandredaktion ihr juristisches Gewissen verliert. Das hindert uns nicht daran, die vielbeachtete redaktionelle Arbeit, die unsere Kollegin während dreier Jahrzehnte geleistet hat, herzlichst zu verdanken.»
Dass ein neues «juristisches Gewissen» an Claudia Schochs Stelle treten solle, macht er (René Zeller) nicht geltend. Hoffen wollen wir es trotzdem.
Ulrich E. Gut
Zum vollständigen Abschiedskommentar von René Zeller: Rollenwechsel von Claudia Schoch.
Der letzte Artikel von Claudia Schoch in der NZZ ist es wert, als Testament gelesen zu werden. Sie macht darauf aufmerksam, dass auch demokratisch gefällte Entscheide internationales Recht, insbesondere die Menschenrechte, nicht einfach beiseite schieben können: Allmachtsansprüche beschädigen Demokratie und Rechtsstaat.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine