Sperberauge
Äm Djourou sis Füdli
Auf dem Titelblatt der Gratiszeitung heisst es: «Hochtüütsch-Verbot im Chindsgi. Usländer findend das super.» Ja wirklich? Für den Inländer, der diese Ausgabe liest, ist das eher mühsam als super. Nur ein Satz als Beispiel: «Set em Ouguscht 2012 rede Lehrerin ond Chend im Chendergarte in Langnou am Aubis grondsätzlech Schwizerdütsch – wie im ganze Kanton Zöri nach de Anahm vonere entschprächende Initiative vor zwöi Woche baud ou im Aargou.» Ob ein Inländer aus Langnou am Aubis das wirklich versteht – oder dann noch ein Ausländer, der nur Züritütsch gelernt hat? Auf jeden Fall sehnt man sich das normale Hochdeutsch herbei, wenn man sich über Seiten durch solche Mundarttexte quälen muss.
Dabei steht die ganze Ausgabe unter dem Motto, Verständnis und Interesse schaffen für den Dialekt, «also für üsari Herzenssproch». Herzenssprache ist die Mundart vielleicht schon, aber nicht in der Zeitung. Bei SMS, da hat sich dagegen die Mundart nicht nur bei Jugendlichen durchgesetzt. Auch wir Älteren parlieren da, wo es kurz und schnell gehen muss, zunehmend im Dialekt – vor allem wenn der Sohn oder die Tochter bei SMS ohnehin nur Mundart zu verstehen scheinen.
Übrigens ist auch die Dialekt-Ausgabe des Blick nicht frei von der Hochsprache, nämlich da wo es nicht um «Herz», sondern um «Kommerz» geht. Auffällig ist, dass die ganze Werbung in dieser Blick-Ausgabe das Hochdeutsch beibehalten hat. Auch die Publireportage von Lidl zu einem Schülerwettbewerb macht da keine Ausnahme: Sie ist in hochdeutsch gehalten.
Doch manches tönt wirklich unvergleichlich schöner in der Mundart wie im geschliffenen Hochdeutsch. So muss man sich den Titel im Mund zergehen lassen, wenn es da im Sportteil heisst: «De Djourou hät s geilschte Füdli».
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Die meisten Mundart-Fans, die auch in Mundart schreiben, haben keinen blassen Schimmer, wie man Schweizer Dialekte schreibt, denn auch hier gibt es Regeln. Das umfassende Werk über die Deutschschweizer Mundarten heisst Idiotikon und umfasst mehrere Bände. Doch kaum einer, der in der Mundart schreibt, hat eine Ahnung von diesem Werk oder weiss überhaupt, das es existiert.
Hinzu kommt, dass viele auf die Mundart ausweichen, weil sie nicht wirklich Hochdeutsch können und dies damit kaschieren wollen. Es ist leider Tatsache, dass in der Schweiz nicht mal Primarlehrer die deutsche Sprache wirklich beherrschen. Während Jahren korrigierte ich die «Schweizer Lehrerzeitung", es war haarsträubend, was da an vor Fehlern strotzenden Texten angeliefert wurde, wohlverstanden von Leuten, die unseren Kindern Hochdeutsch beibringen sollten, die Sprache aber selber nicht beherrschen.
Der aktuelle Trend, die Mundart aus den Kindergärten zu verbannen, ist dem Lernerfolg der Kinder nicht förderlich, denn je früher ein Kind mit einer anderen Sprache konfrontiert wird, desto spielerischer lernt es sie.
Ebenso negativ ist die Überbetonung des Englischen in der Primarschule, zulasten der französischen Landessprache. Ein Deutschschweizer, der kein Französisch versteht, ist nur halbwegs gebildet, gilt jedoch auch vice versa. Als gebildeter Schweizer sollte man sich in allen drei Landessprachen zumindest verständigen können.