Sperberauge
Gerhard Schwarz erklärt sich selbst
Gerhard Schwarz, seines Zeichens Direktor von «Avenir Suisse» und ehemaliger Chef der NZZ-Wirtschaftsredaktion, sagte in einer Rede aus Anlass der Generalversammlung der Mont Pelerin Society auf der Prager Burg Anfang September 2012, in der er über die «schleichende Gefährdung der Freiheit» sprach, wörtlich: «Zweitens argumentieren die Ökologisten mit den Interessen von Generationen, die in hundert Jahren oder sogar noch später leben werden. Wenn Anwälte Klienten vertreten, die niemand zu Gesicht bekommt – in diesem Fall nicht einmal sie selber –, vertreten sie letztlich immer eigene Interessen und Überzeugungen.» (Widergegeben in der NZZ vom 8. September 2012; Infosperber berichtete darüber.)
Schwarz’ These vor zehn Monaten war es also, dass jede Argumentation mit Hinweis auf kommende Generationen unehrlich und heuchlerisch sei, da man diese Leute ja gar noch nie zu Gesicht bekommen habe und ihre Interessen gar nicht kenne.
In der NZZ vom 22. Juli 2013 schreibt er nun, zusammen mit seinem Avenir-Vize Samuel Rutz, in einem Plädoyer für das Wirtschaftswachstum: «Da alle westlichen Gesellschaften ihren Sozialstaat zum Teil auf Kosten der künftigen Generationen auf- und ausgebaut haben, ist Wirtschaftswachstum die einzige Möglichkeit, sich aus dieser Schuld gegenüber den künftigen Generationen zu befreien.»
«Schuld gegenüber den künftigen Generationen»? Nicht doch: Gerhard Schwarz hat Schuldgefühle gegenüber Menschen, die ja noch gar nicht existieren und die noch keiner gesehen hat?
Wie sagte er doch noch vor zehn Monaten: «Wenn Anwälte Klienten vertreten, die niemand zu Gesicht bekommt – in diesem Fall nicht einmal sie selber –, vertreten sie letztlich immer eigene Interessen und Überzeugungen.» Gerhard Schwarz über Gerhard Schwarz: In seiner neusten Argumentation für das Wirtschaftswachstum dürfte seine These tatsächlich zutreffen.
(Kursive Auszeichnungen im Text von cm)
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Siehe auch Artikel «Die Irrlehre des Gerhard Schwarz zum Wachstum»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Christian Müller glaubt, Gerhard Schwarz bei einem Widerspruch ertappt zu haben. Schwarz ist allerdings zu intelligent, seinen politischen Gegnern diesen Gefallen zu tun. Selbstverständlich vertreten die Ökologisten zuerst ihre eigenen Interessen. Allein die Solarstrom-Industrie setzt mittlerweile Milliarden um. Ich sage nicht, das sei schlecht. Aber man sollte nicht so tun, als ob man da an die Generationen in 500 Jahren denkt. Wer vom Staat Solarstromsubventionen (KEV) abschöpft, kann sich nicht herausreden, einfach nur etwas Gutes zu tun. Zuviele profitieren mittlerweile von der Solarstrom-Energie und der sogenannten Energiewende. Das wird Herr Müller hoffentlich nicht abstreiten wollen.
Die Finanzierung des Sozialstaates ist nun freilich etwas ganz anderes. Selbstverständlich wird die Finanzierung der Sozialwerke auf kommende Generationen verschoben. Die Erwerbstätiten von morgen werden für immer mehr Rentner aufkommen müssen. Das wird wohl kaum jemand abstreiten. Aber es trifft schon die nächste Generation, nicht erst jene in hundert Jahren oder später. Schwarz betont aber vor allem, dass Wirtschaftswachstum wichtig ist, um die Sozialausgaben zu bezahlen. Das lässt sich nicht wegdiskutieren. Fazit: Christian Müller vergleicht Birnen mit Äpfeln.
Es fängt ja schon damit an, dass man sich Schulden nicht als Korrelat der Vermögern vorstellt, die ebenfalls vererbt werden. Unter dem Strich vererben wir künftigen Generationen also – nichts.
Dagegen, dass die Erwerbstätigen von morgen für immer mehr Rentner aufkommen müssen, hilft kein angespartes Geld der Welt.