Glosse
Der Spieler: Vor der schwarzen Wand
Diese Woche in meinem Lieblingsspieleladen. Während «Camel Up» als Weihnachtsgeschenk für meine Enkel verpackt wird, schaue ich mich noch ein wenig in diesem Paradies für spielinteressierte Menschen um. Vor mir eines der vielen Regale, auf denen unzählige Spiele dicht gedrängt nebeneinander stehen oder aufeinander liegen. Plötzlich fällt mir etwas auf: Eine schwarze Wand, die sich vor mir auftürmt. Ich weiss nicht, weshalb mir dies gerade bei diesem Besuch besonders bewusst wird, vielleicht, weil ich nicht auf der Suche nach einem bestimmten Titel bin, sondern das Ganze im Blick habe.
Eine dunkle Schachtel neben der anderen, meterweise. Praktisch keine Farbtupfer, nur dunkle Farbtöne, braun, grau, anthrazit, schwarz. Und ich frage mich, hat das überhaupt noch mit Spielen zu tun. Spielen soll doch Freude bereiten, Spass machen, Unterhaltung bieten. Freude ist für mich aber Farbe, Bewegung, Leichtigkeit. Die schwarze Wand vermittelt emotional etwas ganz Anderes: Schwermut, Gespenstisches, Dunkles. Mystischer Arnold Böcklin statt farbig-lebensfreudiger Picasso.
Verschiebung der Farbskala
Das düstere Erscheinungsbild widerspiegelt die Themen, in welche viele Verlage namentlich ihre anspruchsvollen Spiele einkleiden. Dunkles Mittelalter, finstere Sagenwelten, freudlose Vorzeiten, bevölkert mit axtschwingenden Zwergen, bärtigen Riesen, schwarzgewandeten Zombies. Und wenn sich mal ein abstraktes Taktik- und Denkspiel auf der Beige befindet, präsentiert sich seine Verpackung so, als hätte der Illustrator vergessen, nach der Arbeit an einem «Tod dem Tyrannen» den Farbpinsel auszuwaschen.
Es ist für mich auch sonnenklar, dass ein Spiel wie «Pandemie», in dem es um die Bedrohung der Menschheit durch ein tödliches Virus geht, nicht in eine grell-bunte Schachtel verpackt werden darf. Aber ich habe den Eindruck, dass sich die Farbskala der Grafiken von Schachteln und Spielplänen in den vergangenen Jahren ganz allgemein deutlich in Richtung Braun-Schwarz verschoben hat. Man mag diesen Trend damit erklären, dass die Entwicklung im Spieledesign bloss die Tatsache reflektiere, dass das Angebot an anspruchsvolleren Spielen in dieser Zeit massiv zugenommen habe. Und Gehobenheit werde nun mal durch dunklere Farbtöne markiert, nicht durch die grellen Rot und Gelb, welche nach Boulevard riechen.
Mir aber gefällt diese Entwicklung nicht. Spiele sollen ja Spass machen und Unterhaltung bieten. Und wenn ich vor einem Regal mit Dutzenden von tollen Spielen stehe, soll mir vor Vorfreude, wie man bei einer schön zubereiteten Mahlzeit sagen würde, das Wasser im Mund zusammenlaufen. Das ist aber leider nicht das, was ich vor der schwarzen Wand empfinde …
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Spielekritiker für das Ausgehmagazin «Apéro» der «Neuen Luzerner Zeitung». War lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied. Als solches nicht an der aktuellen Wahl beteiligt. Befasst sich mit dem Thema «Spielen – mehr als nur Unterhaltung».
Wenn es eine Serie eines Journalisten der Gegenwart gibt, die förmlich nach einer Publikation in Buchform «schreit», so sind es die Infosperber-Studien zum spielenden Menschen von Synes Ernst, dem früheren Redaktor des «Basler Volksblatts» und dem letzten christlichsozialen Publizisten, wie der brillante Heinrich Federer bis zu seiner Entlassung einer war.
“Der Spieler” Synes Ernst spricht von gehobenen, anspruchsvolleren spielen. Ich werde beim anblick der offenbar gängigsten spielen vom grauen erfasst: geifernde, tobende blutrünstige robot-monster, natürlich in schwarz denn das verkörpert ja das böse, lies den teufel, oder furchterregende todesmaschinen die zerstörung der komunen welt versprechen. Ich sehe da nur suggestion der puren gewalt. Soll das zum freudigen, lustigen spielen animieren? Im gegensatz zu den auf derselben linie liegenden tv-spektakel für kinder, fehlt (wenigstens das) bei den spielen nur die entsprechend grauenvolle geräuschkulisse. Für diese sorgen dann die spielenden kinder selber. Wen wundert da die wachsende bereitschaft zur gewalt, gerade unter jugendlichen?