Glosse
Prognosen top, Resultate flop
«Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen», spottete einst der Physiker Niels Bohr. Trotzdem sind sie in den Medien beliebt. Das gilt nicht nur für Wetterprognosen. Wenn Konjunkturforscher bis hinters Komma voraus sagen, wie stark die Wirtschaft wachsen wird, so steht es am andern Tag bestimmt in jeder Zeitung. Weniger Resonanz hingegen finden später die Resultate. Oder haben Sie jemals gelesen, wie stark sich die neoliberalen Propheten um Silvio Borner irrten, die vor zehn Jahren der «wachstumsschwachen» Schweiz einen «dramatischen wirtschaftlichen Abstieg» und dem Inselstaat Irland einen stark steigenden Wohlstand prophezeiten?
Vom Primat der Prognosen habe ich einmal selber profitiert: Im Dezember 2011 berichtete ich über die Rekordzahl an hängigen Volksinitiativen und sagte zweierlei voraus. Erstens: «Mehr als die Hälfte davon wird vorzeitig scheitern.» Zweitens und präziser: «Von allen 29 Initiativen, die sich Ende 2011 im Sammelstadium befinden, dürften nur 10 bis 12 zustande kommen.»
Fünf Zeitungen haben damals meinen umfangreichen Artikel gedruckt. «Wie weit die Prognose zutrifft», so schrieb ich am Ende des Textes, «wird sich im Mai 2013 zeigen, wenn die Sammelfrist für die letzte hängige Initiative abläuft.» Doch als ich im Mai dieses Jahres den fünf Redaktionen anbot, nach der analytischen Vorschau auch über das Resultat zu berichten, zeigte keine Interesse.
Darum erfahren sie das Ergebnis in diesem Text jetzt exklusiv: Von den 29 hängigen Volksbegehren sind zwar 15 gescheitert. Aber immerhin 14 (statt nur «10 bis 12») sind zustande gekommen. Denn entgegen meiner Erwartung (und dank gütiger Mithilfe von bezahlten Sammlern) konnten die notwendigen hunderttausend Unterschriften für die Ecopop-Initiative zur Begrenzung des Einwanderungs-Saldos und für die GLP-Initiative «Energie- statt Mehrwertsteuer» zusammen gebracht werden.
Meine Eigenbewertung fällt darum wenig schmeichelhaft aus: Knapp verfehlt ist auch daneben.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Es ist eben eine Zwickmühle: gäbe es keine Initianten von Initiativen, würde sich garnichts zum Besseren wenden; aber im Moment sind es fast zuviele. Und Überschuss produziert Ausschuss…