Glosse

Der Spieler: Die Menschheit vor Seuchen retten

Synes Ernst ©

Synes Ernst. Der Spieler /  Tod und Krankheit sind im Spiel ein Tabu. Zuviel Realität könnte abschrecken. Das kooperative «Pandemie» macht eine Ausnahme.

Winterzeit – Grippezeit: Soll man sich impfen lassen? Ist genügend Impfstoff vorhanden? Ist die Pharmaindustrie in der Lage, rechtzeitig das richtige Abwehrmittel zu entwickeln, wenn irgendwo auf der Erde ein neuer hochansteckender Erreger entdeckt wird? Was die Menschen in diesen Tagen bewegt, wird in Spielen höchst selten thematisiert. In Spielen wird zwar viel eliminiert, geschlagen, rausgeschmissen, was ja nichts anderes bedeutet, als dem Konkurrenten oder der Konkurrentin zu sagen: «Du bist tot, du hast hier nichts mehr zu suchen, weil ich stärker oder besser bin als du.» Doch der richtige Tod im Spiel? Das geht dann doch zu nah, den Ernst des Lebens will man lieber draussen haben.

Es gibt jedoch Spiele, die mit diesem Tabu brechen. Eines davon ist «Pandemie» von Matt Leacock, eines der besten kooperativen Spiele der vergangenen Jahre. Die Ausgangslage ist brutal: Vier tödliche Seuchen drohen die Menschheit auszulöschen. Ein Team von fünf Spezialisten versucht nun alles, um die entsprechenden Gegenmittel zu entwickeln und so die Erde zu retten. Das ist nur möglich, wenn die Kommunikation innerhalb dieses Teams klappt und es den Teilnehmenden gelingt, ihre individuellen Spezialfähigkeiten im Interesse der Sache einzusetzen. Jede der Figuren hat nämlich Stärken und Schwächen und kommt für sich alleine nicht zum Ziel.

Enormer Zeitdruck

So kann der Dispatcher die Figuren der anderen Mitspielenden bewegen. So fliegt er den Betriebsexperten in eine bestimmte Stadt, wo dieser ein Forschungslabor aufbaut. Labors braucht es, um Gegenmittel zu entwickeln. Logischerweise hat der Wissenschaftler die besondere Fähigkeit, rascher solche Gegenmittel zu kreieren als die anderen Teammitglieder, während der Arzt vor allem dort im Einsatz ist, wo die Seuche bereits wütet. Schliesslich ist da noch der Forscher, der Wissen und Informationen teilt und so innerhalb des Gruppennetzwerkes eine entscheidende Rolle spielt.

Während des «Pandemie»-Spiels steht man unter enormem Zeitdruck. Denn immer wieder bricht in einzelnen Städten eine der tödlichen Krankheiten aus. Der Erreger springt auf andere Städte über und steckt dort die Menschen an. Angst herrscht. Wen trifft es als nächsten? Vermag das Team in den einzelnen Krisenherden Herr der Lage zu werden? Die Spannung ist riesig, man vergisst plötzlich, dass man den Forscher nur spielt … Wenn es der Gruppe gelingt, die vier Gegenmittel bereitzustellen, bevor die Seuche sechsmal ausgebrochen ist, hat sie gewonnen. Andernfalls geht die Menschheit unter. Brutal.

«Pandemie» lebt davon, dass man in jeder Runde neu ausprobieren muss, mit welcher Taktik man die tödlichen Seuchen bekämpft. Dazu braucht es innerhalb der Gruppe sehr viel Interaktion und Austausch. Denn nicht jeder, der etwa als Forscher unterwegs ist, interpretiert die Rolle gleich. Herauszufinden, wie der aktuelle Forscher sie spielt, fasziniert die Fans von «Pandemie» immer wieder von neuem.

Kooperation hautnah erlebt

Wer ein Spiel sucht, mit dem die Kooperation innerhalb eines Teams trainiert und gefördert werden kann, ist mit «Pandemie» bestens bedient. Wer mitspielt, erlebt innerhalb einer knappen Stunde hautnah, wie wichtig Kommunikation für ein erfolgreiches Zusammenspiel ist. Denn nur im Austausch werden die unterschiedlichen Kompetenzen sichtbar und können dann am richtigen Ort und zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt werden.

Unter dem Titel «Die verbotene Insel» (Schmidt Spiele) ist mittlerweile eine abgespeckte Variante dieses rundum empfehlenswerten Kooperationsspiels auf den Markt gekommen. Ein Forschungsteam muss sich von einer langsam untergehenden Insel retten. Mir persönlich gefällt «Pandemie» besser: Weil es realitätsnah ist, geht es mehr ans Lebendige.
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«Pandemie», Kooperationsspiel für 2 bis 4 Spieler ab 10 Jahren. Pegasus Spiele. Spieldauer: 45 bis 60 Minuten


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Spielekritiker für das Ausgehmagazin «Apéro» der «Neuen Luzerner Zeitung». War lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied. Befasst sich mit dem Thema «Spielen – mehr als nur Unterhaltung»

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