Glosse
Kindergarten: Zwing Sex raus, bring Geld rein
»Geld statt Sex» forderte Kurt Schiltknecht am 28. Oktober in seiner «Weltwoche»-Kolumne. Nein, der Mann schreibt nicht über seine persönlichen Präferenzen. Dem einstigen Nationalbank-Ökonomen und heutigem BZ-Banker geht es um den Kindergarten. Statt sexuelle Frühaufklärung, gegen die Köppels «Weltwoche» schon seit längerer Zeit Sturm läuft, solle dort «Basiswissen über wirtschaftliche Zusammenhänge vermittelt werden», verlangt Schilknecht nicht ganz uneigennützig. Denn unsere Kinderlein sollen frühzeitig lernen, ihre Sparbatzen auf dem Bankkonto zu mehren und das private Eigentum hoch zu halten.
Als Schiltknecht 1947 in den Kindergarten ging, gab es dort noch keine Aufklärung, weder über monetäre noch über sexuelle Vermehrung, geschweige denn Verhütung. Trotzdem begann 20 Jahre später die sexuelle Revolution: Die 1968er-Generation, gesättigt von Geld und materiellem Konsum, forderte freie Liebe und die Abschaffung des Eigentums. Sex statt Geld.
Seither schlägt das Pendel zurück: Obwohl Geld weniger glücklich macht als die körperliche Liebe, widmen heute die meisten Menschen dem Geldverdienen, Geldanlegen und Geldausgeben viel mehr Lebenszeit. Auch in den Medien dominieren Nachrichten über Wirtschaft und Finanzen; selbst Politik und Demokratie müssen sich dem Primat des Geldes beugen.
Sex kommt in Medien und in der Werbung zwar auch noch vor, vor allem, wenn er dem Konsum dient und sich in Geld ummünzen lässt. «Sex sells» – oder hätten Sie diesen Text gelesen, wenn er mit «Basiswissen über wirtschaftliche Zusammenhänge» betitelt worden wäre?
Unverkäuflicher Sex hingegen hat wenig Konjunktur – und vermag die Konjunktur auch nicht zu stimulieren. Liebe und Glück allein lassen keine Kasse klingeln. Darum muss das Gelddenken schon im Kindergarten beginnen – und geldfreier Sex unter der Decke bleiben.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Werde zum Schluss dieses Beitrags das Gefühl nicht los, dass ich erst die Einleitung gelesen habe. Sich über die interessanten Empfehlungen der Weltwoche zu erheitern ist das eine. Sich die Frage «und nun?» zu stellen, wäre aber eigentlich spannender.