Kommentar

Humanitäre Hilfe für Kriegsgeschädigte wird schwieriger

Andreas Zumach © zvg

Andreas Zumach /  Der Sicherheitsrat der UNO beschränkt die Lieferung von Medikamenten und Lebensmitteln in Syrien – mit unglaubwürdigen Argumenten.

Über 1,6 Millionen hilfsbedürftige Menschen im Nordwesten Syriens, insbesondere in der militärisch weiterhin heftig umkämpften Provinz Idlib, dürfen auch weiterhin von humanitären Organisationen der UNO mit Lebensmitteln, Medikamenten und anderen überlebenswichtigen Gütern versorgt werden – zumindest in den nächsten sechs Monaten. Allerdings können die Regierungen der beiden Kriegsakteure Syrien und Türkei künftig noch stärker als bislang schon über die Verteilung dieser Güter mitbestimmen. Für 1,4 Millionen ebenso hilfsbedürftige Menschen im syrischen Nordosten gibt es die internationale Hilfe seit einer Woche nicht mehr.
Für dieses extrem zynische Ergebnis monatelanger Verhandlungen im Sicherheitsrat über die Fortsetzung des Mandats für das UN-Nothilfebüro (OCHA) in Syrien sind in erster Linie Russland und China verantwortlich. Mittels ihrer Vetomacht setzten sie die Schliessung der beiden bislang für humanitäre Lieferungen geöffneten syrischen Grenzübergänge mit Irak und Jordanien ebenso durch wie die Verkürzung des OCHA-Mandats von zwölf auf sechs Monate.
Russland behauptet, die notleidenden Menschen im Nordosten Syriens seien schon länger nicht mehr auf internationale Hilfe angewiesen, da die Regierung Assad willens und in der Lage sei, sie ausreichend zu versorgen. Dieser in jeder Hinsicht falschen Behauptung widersprechen nicht nur westliche Regierungen, die ebenfalls am Syrienkonflikt beteiligt sind und eigene Interessen verfolgen, sondern auch OCHA und alle regierungsunabhängigen internationalen Hilfsorganisationen.
Egal, was man von der Regierung Assad hält: Sie ist nach dem Völkerrecht die souveräne Regierung Syriens und hat daher formal das Recht, über die Öffnung oder Schliessung der Grenzen des Landes zu bestimmen. Die Blockade überlebenswichtiger internationaler Hilfslieferungen für die notleidende Zivilbevölkerung mit dem Ziel, derzeit noch von anderen Akteuren beherrschte Regionen im Nordosten des Landes wieder unter ihre volle Kontrolle bringen, ist allerdings ein schwerer Verstoss gegen das humanitäre Völkerrecht und die universell gültigen Menschenrechtsnormen. Derartige Verstösse haben nicht nur syrische Regierungstruppen und mit ihnen verbündete Milizen, sondern auch vom Westen, von Saudi-Arabien oder der Türkei unterstützte islamistische Rebellengruppen in den jetzt fast neun Jahren des Syrienkonflikts viele Male begangen. Daher ist die scharfe Kritik am aktuellen Verhalten Russlands und Chinas im UNO-Sicherheitsrat von Seiten der Regierungen in Washington, London und anderen westlichen Hauptstädten leider wenig glaubwürdig.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

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Eine Meinung zu

  • am 19.01.2020 um 16:21 Uhr
    Permalink

    Andreas Zumach ist ein hervorragender Journalist und wir verdanken ihm eine sehr gute Berichterstattung über Vorgänge in den Vereinten Nationen. Um so bedauerlicher ist es, wenn er ihm bekannte oder von ihm vermutete Gründe für die Vorgänge zurückhält: Warum hat China für die Schliessung der Grenzen votiert? Im Falle Russlands, das Assad unterstützt, kann man das noch einigermassen verstehen (Gefahr durch geschmuggelte Waffen und Saboteure?), aber was hat China dazu bewogen? Dieser Zustand im Sicherheitsrat wird fortbestehen, solange die Völker der Welt ihn nicht durch ein besseres Gremium ersetzen. Es wäre sehr nützlich, wenn Andreas und seine Kollegen uns auf dem Laufenden halten könnten, welche Bemühungen (falls überhaupt) in dieser Richtung stattfinden.

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