Kommentar
Bürger als Diener einer wachsenden Wirtschaft
Um es vorweg zu nehmen. Ich war nie ein Anhänger von hohen Zinsen. Mir reicht es, wenn allfällige Zinserträge auf Kapital die Inflation ausgleichen, also real bei Null liegen. Denn Geld arbeitet nicht und soll darum auch kein leistungsloses Einkommen ermöglichen.
Doch in den letzten Jahren sind die Zinsen stetig gesunken und in der Schweiz hat die Nationalbank vor vier Jahren Negativzinsen eingeführt. Wer Geld hat – sei es auf dem Sparbuch oder in der Pensionskasse – legt also drauf. Oder er muss sein Geld mit höherem Risiko in Aktien oder Liegenschaften investieren, also spekulieren. Das heisst: Negativzinsen verschieben die Rendite von Kleinsparern und Pensionskassen zu Spekulanten. Und sie belohnen das Schuldenmachen. Darum wächst global die Verschuldung.
Gegen diese und andere Folgen der Negativzinsen wehren sich – neben andern – jetzt auch die Pensionskassen. Denn Pensionskassen dürfen sichere Zinspapiere wie Obligationen oder Spareinlagen nur beschränkt mit Aktien und Immobilienspekulation ersetzen. Ausfallende Zinserträge müssen sie deshalb mit höheren Beiträgen oder tieferen Renten kompensieren; dies auf Kosten von Arbeitnehmern und Rentnerinnen. Darum fordern sie aus gutem Grund ein Ende der Tiefzinspolitik.
Thomas Jordan hingegen, Chef der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und damit oberster Verantwortlicher für die Leitzinsen in der Schweiz, verteidigt die Negativzinsen. Das tat er auch am Donnerstag an einer Tagung der Pensionskassen-Vereinigung «PK-Netz», sozusagen «in der Höhle des Löwen», wie die NZZ am Freitag titelte. Neben NZZ-Redaktor Thomas Fuster rapportierte auch die SRF-Sendung «Rendez-vous» am Freitagmittag Jordans Referat über «die neue (Zins-) Realität», deren Ende nicht absehbar sei.
Gemäss beiden Quellen und dem originalen, mit vielen Nebensätzen gespickten Redetext sagte Thomas Jordan dort zusammengefasst Folgendes:
Der Negativzins sei «weiterhin unentbehrlich». Seine Aufhebung würde «den Aufwertungsdruck auf den Franken erhöhen». Das führe «zu tieferem Wirtschaftswachstum und steigender Arbeitslosigkeit». Der Konjunktureinbruch würde «die Perspektiven für die Schweizer Unternehmen eintrüben – mit negativen Folgen auch für die Aktienkurse» (diese bewegen sich momentan auf rekordhohem Niveau d.V.). Letztlich schade die sinkende wirtschaftliche Wertschöpfung auch dem Vorsorgesystem.
Über Jordans Aussagen lässt sich streiten, und das wird lange schon getan. Bemerkenswerter ist, was der SNB-Chef Jordan nicht sagte: Eine Aufwertung des Frankens belastet einzig die Schweizer Exportwirtschaft. Sie verbilligt aber den Import. Damit können inländische Konsumentinnen entweder mit gleichem Einkommen mehr kaufen oder aber weniger arbeiten und trotz tieferem Einkommen gleich viel kaufen wie vorher (siehe Infosperber vom 15.1.2015: «Aufwertung des Frankens verschafft mehr Kaufkraft«).
Kürzere Arbeitszeiten reduzieren zudem die Arbeitslosigkeit, was auch den Druck zum Wirtschaftswachstum vermindert. Und wie eingangs erwähnt: Tiefe oder negative Zinsen benachteiligen die Kleinsparer und führen zu einer Umverteilung der Profite an eine Minderheit von Aktionärinnen und Immobilien-Besitzer.
Wenn nun Jordan betont, ein starker Franken schwäche das Wachstum der Schweizer (Export-) Wirtschaft, und verschweigt, dass ein starker Franken der Mehrheit der Bürgerinnen und Konsumenten in der Schweiz nützt, dann sagt das auch etwas über die Werthaltung des Nationalbank-Präsidenten aus: Nicht die Wirtschaft hat dem Menschen als Konsumentin oder Bürger zu dienen, sondern der Mensch der Wirtschaft und ihrem Wachstum. Das ist die – in der Ökonomie weit verbreitete – Umkehr von Zweck und Mittel.
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Infosperber-DOSSIER:
Führt Wachstum zu Glück oder zum Crash?
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Saubere Aussage + nachvollziehbare Logik: Pech für SNB-Jordan.
– Er trifft eine Wahl (Stützung der Export-Wirtschaft zulasten der Normalos).
– Wie will er diese Wahl rechtfertigen, angesichts seines Auftrags?
SNB-Zitat zum Auftrag der SNB:
"
Auftrag: Die Schweizerische Nationalbank führt als unabhängige Zentralbank die Geld- und Währungspolitik des Landes. Sie muss sich gemäss Verfassung und Gesetz vom Gesamtinteresse des Landes leiten lassen, als vorrangiges Ziel die Preisstabilität gewährleisten und dabei der konjunkturellen Entwicklung Rechnung tragen.
"
Wie definiert Jordan also ‹das Gesamtinteresse des Landes›, so wie die Export-Wirtschaft, oder so wie wir Normalos?
Die Ursache der Frankenstärke ist nicht bei der SNB zu suchen, sondern bei der Schwäche der anderen wichtigen Währungen, vor allem des Euro. Dadurch flüchten immer mehr ausländische Investoren in den SFR und verteuern diesen künstlich. Die EZB schüttet weiterhin Oel ins Feuer mit seiner Quantitative Easing-Politik. In einer solchen Situation ist die SNB gezwungen, der künstlichen SFR-Aufwertung entgegen zu treten. Die CH-Exportwirtschaft trägt 66% (2018) zum BIP bei. Wenn sie durch die künstliche SFR-Aufwertung ungebremst geschwächt würde, wären grosse Arbeitsstellenverluste unvermeidbar. Für Hanspeter Guggenbühl ist die Förderung des Konsums wichtiger als der Erhalt von Arbeitsstellen. Das ist eine eindeutig falsche Prioritätensetzung !
"Oder er muss sein Geld mit höherem Risiko in Aktien oder Liegenschaften investieren, also spekulieren.» (Guggenbühl). Das ist für einen Ökonomen eine doch erstaunliche Aussage. Investitionen in Risikokapital sichern uns die wirtschaftiche Zukunft und werden zum grössten Teil nicht aus Spekulationsgründen so angelegt. Man sollte dies auch den kleinen Leuten empfehlen. Dieses Risikokapital ist heute knapper als Arbeitskraft, darum steigen ja die Einkommen der Reichsten schneller als
jene des Mittelstandes.
Es gäbe ja vielleicht noch eine dritte Variante, das Geld in die Entschwendung von Ressourcen zu stecken wie z.B. Oel, Gas, Strom, Kunstdünger, importierte Futtermittel, Metalle usw.
Lieber Herr Guggenbühl,
«Denn Geld arbeitet nicht und soll darum auch kein leistungsloses Einkommen ermöglichen. «
Dies scheint doch zumindest etwas überzeichnet.
Tatsache ist, dass ich in einer Eigentumswohnung schlafe, welche ich vor etwas über 20 Jahren z.T. mit Altresspargeldern, z.T. mit einem Hypothekarkredit gekauft habe. Damit verdiene ich jetzt, selbst im Schlafen einen Teil meines Eigenmietwertes. Nicht dass mir Geld zufliessen würde, mit dem ich mein Essen einkaufen kann, aber doch immerhin Geld, das ich nicht ausgeben muss. Der Staat erinnert mich denn auch in der jährlichen Steuerrechnung, dass es sich hier um ein «Einkommen» handelt, welches ich gefälligst versteuern möge. Ein Teil geht natürlich an die Hypo-Bank, welche vielleicht sogar etwas weitergibt an einen jüngeren Sparer, welcher noch keine eigene Alterswohnung gekauft hat.
Bei Obligationen und Mietobjekten wird dieser Zins ausbezahlt und versteuert. Bei Aktien aber häufig reinvestiert. Der Aktienwert wird dadurch naturgemäss erhöht.
Der Staat hat dies natürlich nicht ganz übersehen. So ist mein virtuelles, aber real versteuertes, Dividendeneinkommen mehr als doppelt so hoch, als was mir ausbezahlt, die täglichen Einkäufe finanziert.
Dass mir UBS-Aktien in den letzten Jahren nichts, Aktien eines Sonnenpannelherstellers aber nur Verluste gebracht haben ist wohl mein Problem. Die Steuern für virtuelle Kapitalerträge aber auch.
Trotzdem kann ich, Zinsen verdienend, noch etwas weiter schlafen…
"Tiefe oder negative Zinsen benachteiligen die Kleinsparer » Schon wieder!
Ja fragt sich denn, was man unter «Kleinsparern» versteht, solche die 1/4 Million oder mehr auf der hohen Kante haben? Und was ist mit den Mietern? Bei wieder steigenden Zinsen würden die Vermieter sofort die Miete erhöhen und die Zinserträge der «Kleinsparer» sind wieder futsch! Und sämtliche Produktpreise tragen auch Schuldzinsen in sich.
Hier eine Auszug einer Geldseite, wo es u.A auch um Zins geht:
Woher kommen die Zinsen?
Natürlich steigern Zinsen auch kleine Vermögen. Deshalb freuen sich viele Menschen selbst über kleine Zinserhöhungen, weil es auch für sie bedeutet: Geldzufluss ohne Arbeit. Doch weder die Zinsen auf „großes Geld“ noch die Zinsen auf „kleines Geld“ kommen aus dem Nichts. Folgt man dem Zinsstrom zu seiner Quelle, versteht man, warum das Geldsystem von „Arm“ zu „Reich“ umverteilt. Denn die Zinsen, die Geldvermögen abwerfen, bezahlen letztlich alle Menschen, die einkaufen gehen. Tag für Tag in allen Preisen.
Woher aber nimmt die Wirtschaft die Zinsen, die sie für aufgenommene Kredite bezahlen muss? Sie kalkuliert die „Kapitalkosten“ natürlich in ihre Produktpreise hinein. Und diese Preise werden von den Kunden bezahlt. Auf diesem Wege landen die Zinsen, die wir auf unser Erspartes bekommen, letztlich in der Rechnung, die uns die Unternehmen stellen, wenn wir einkaufen.
https://monneta.org/umverteilung/