Kommentar
USA und China rüsten auf – für einen Kalten Krieg 2.0
Nach dem Konsens zwischen Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und US-Präsident Trump am G-20-Gipfel Ende Juni im japanischen Osaka verhandelten die Vertreter der USA und Chinas in Shanghai erneut. Die Finanzmärkte – das heisst die Börsencasinos – reagierten positiv bis euphorisch. Doch dann zwitscherte der amerikanische Präsident, dass er ab 1. September auf weitere chinesische Importwaren im Werte von 300 Milliarden Dollar zehn Prozent Strafzölle erheben werde. Wie immer begründete der nach eigenem Bekunden «grösste Dealmaker der Geschichte», die chinesische Seite habe nicht genügend Entgegenkommen gezeigt und sich nicht an Zusagen gehalten.
Das Reich der Mitte reagierte umgehend und setzte ein starkes Signal: Die Chinesische Volksbank – Chinas Nationalbank – liess den Referenzkurs der chinesischen Währung Yuan Renminbi erstmals seit der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 das magische Verhältnis von 7 Yuan zu einem Dollar erreichen. Die Volksbank liess mitteilen, dass sie nicht weiter bereit sei, den Wechselkurs über Gebühr zu stützen. Neben dieser marginalen Abwertung wies die Regierung Staatsunternehmen überdies an, vorläufig keine Agrargüter, unter anderem Soja, aus den USA zu importieren.
US-Regierung spricht von «Währungsmanipulation»
Der amerikanische Finanzminister Steven Mnuchin warf China umgehend vor, sich mit einer «bewussten Abwertung» des Yuan «unfaire Vorteile im Welthandel» zu erschleichen. Und Trump schrieb auf Twitter alsogleich von einem «schwerwiegenden Verstoss». Erstmals seit Mitte der 1990er-Jahre bezichtigte eine US-Administration China offiziell der «Währungsmanipulation».
Die Chinesische Volksbank entgegnete, die minimale Abwertung des Yuan sei eine «Antwort auf den Unilateralismus und die handelsprotektionistischen Massnahmen sowie die Auferlegung höherer Zölle auf chinesische Waren». Im Übrigen verfüge die Volksbank «über die Erfahrung, das Selbstvertrauen und die Fähigkeit, die Wechselkursrate des Renminbi auf einem vernünftigen und ausgeglichenen Niveau zu halten».
Yuan-Kurs stärker als Dollar und Franken
China hatte vor Jahren den Yuan-Wechselkurs in einer täglichen Bandbreite von plus-minus 2,5 Prozent an den Markt gebunden. Chinas Notenbankgouverneur Yi Gang hat zu Recht darauf hingewiesen, dass China ein verantwortungsbewusstes Land sei, das sich nicht an einem Abwertungswettlauf beteiligen werde. Der Internationale Währungsfonds in Washington (IMF) ist im neuesten Bericht zum Schluss gekommen, dass der Yuan «im Grossen und Ganzen den mittelfristigen wirtschaftlichen Fundamentaldaten» entspricht. Und in der meist sehr China-kritischen NZZ kommentiert Wirtschaftschef Peter A. Fischer: «Die chinesische Zentralbank hat den Yuan seit 2010 stärker an realem Wert gewinnen lassen als das Fed den Dollar und die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Franken.»
Durch das langsamere Wachstum des chinesischen Brutto-Inlandprodukts in den letzten Jahren entstand zwar ein Abwärtsdruck auf den Yuan. Weil die Volksbank weniger interveniert, bewegt sich jetzt der Wechselkurs auch in China näher am Markt. Im übrigen «manipulieren» fast alle ein wenig. Die SNB verteidigt mit Interventionen den Franken gegenüber dem Euro und Präsident Trump wünscht sich vom Fed stärkere Zinssenkungen, um den Dollar zu schwächen.
«Strategisches Denken verändert»
Staats-, Partei- und Militärchef Xi Jinping reagierte darauf; dies zumal aus innenpolitischen Gründen. Er muss sich gegenüber amerikanischen Provokationen stark zeigen und gleichzeitig Washington klar machen, dass er notfalls für eine Auseinandersetzung bereit ist. Mit seinen Aktionen muss Xi nicht nur Chinesinnen und Chinesen überzeugen, sondern auch den Partei- und Propagandaapparat. Shi Yinhong, Professor für internationale Beziehungen an der Pekinger Volksuniversität, formuliert es so: «Xi hat eben sein strategisches Denken verändert. Er ist fest entschlossen», den USA Widerstand entgegenzusetzen.
Xi hat, ganz der langjährigen Tradition der Kommunistischen Partei Chinas verpflichtet, das Volk vorbereitet. Vor drei Monaten reiste er in die Provinz Jiangxi, die 1935 Ausgangspunkt des legendären, entbehrungsreichen Langen Marsches der Roten Armee war, der schliesslich zum Sieg der Kommunisten führte. Xi ermahnte das chinesische Volk, einen neuen Langen Marsch zu beginnen.
Friede und Wohlstand in Gefahr
Der Konkurrenzkampf zwischen den weltweit grössten und mächtigsten Nationen USA und China betrifft immer mehr auch die weitere Welt. Der Handelskonflikt ist längst nicht mehr beschränkt auf Handel. Sicherheitspolitik, Weltwirtschaft, selbst Globalisierung sind betroffen.
Eine Entkoppelung der bislang fast symbiotisch verbundenen chinesischen und amerikanischen Wirtschaft hätte desaströse Folgen. Es wäre das Ende der Globalisierung, welche der Welt in den letzten Jahrzehnten Friede und Wohlstand brachte wie nie zuvor in der Geschichte.
Zu Beginn der chinesischen Wirtschaftsreform vor vierzig Jahren waren die Verhältnisse noch relativ einfach. Die reichen USA hatten es mit dem armen Entwicklungsland China zu tun. Während Jahrzehnten war der Handelsaustausch klar: China kaufte Agrarprodukte, zum Beispiel Soja, sowie Hochtechnologie wie Flugzeuge, Eisenbahnen etc. von den USA, während die USA Textilien, Schuhe oder Spielzeuge von China importierten.
In den letzten zehn Jahren hat sich das Bild aber grundlegend verändert. China hat technologisch aufgeholt. Und wie. Im neuen, globalen Handel bedarf es daher neuer Mechanismen. Mit den komplexen neuen Produkten sind bei den Handelspartnern sehr viel mehr Vertrauen und Zusammenarbeit erforderlich als früher.
Mit «America First» droht ein Kalter Krieg 2.0
US-Präsident Donald Trump freilich sieht diese Veränderungen nicht. Er bezeichnet zwar Xi als seinen «Freund», traut ihm aber offensichtlich nicht über den Weg. Denn eben: Ein Deal ist ein Deal ist ein Deal. Punkt. Trump hat sich mit den Europäern überworfen. Er hat die Transpazifische Partnerschaft verlassen. Er stösst China zwitschernd und ungehobelt vor den Kopf. America First halt.
Allein, in einer globalisierten Welt braucht es Zusammenarbeit, Vertrauen, Kompromisse. Für die jetzige US-Administration ist das wohl zu viel, zu mühsam. Wird es zum Kalten Krieg 2.0 kommen? Die Folgen wären gravierend: Weniger Stabilität auf der Welt und weniger Wohlstand.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Stimmt dieser Satz wirklich: »…. Globalisierung, welche der Welt in den letzten Jahrzehnten Friede und Wohlstand brachte wie nie zuvor in der Geschichte.» Ich nehme Globalisierung eher war als weltzerstörend, im Sinne der Selbstzerstörung des Planeten und seiner Ressourcen , die Reichtums/ armutschere öffnend und die kriegerischen Konflikte befeuernd. Felix Glatz-Böni