Kommentar

Nach «Russia-Gate»: Niederlage für die liberale US-Elite

Roman Berger ©

Roman Berger /  Trumps Stab hatte sich mit russischen Offiziellen nicht abgesprochen. Für den Wahlkampf brauchen die Demokraten ein anderes Thema.

Nach fast zwei Jahren intensiver Ermittlungen sind keine Beweise dafür gefunden worden, dass US-Präsident Donald Trump und sein Team mit der russischen Regierung unter einer Decke stecken. Zumindest keine Beweise für rechtswidrige Kontakte, die eine Anklage rechtfertigen würden. Das zeigt die Lektüre des Mueller-Reports.

Das zentrale Anliegen von Muellers Ermittlungen ist damit zu Gunsten von Trump entschieden. Ob der US-Präsident darüber hinaus wegen Justizbehinderung angeklagt werden kann, ist derzeit noch offen. Mueller selbst sprach sich weder für noch gegen eine Anklage aus. Mehrere Ausschüsse des Kongresses ermitteln allerdings weiterhin in diese Richtung.

Das ändert nichts an der Tatsache: Es wurden keine Beweise für eine geheime Kooperation mit der russischen Regierung (Straftatbestand einer «Collusion») gefunden. Es ist zweifellos ein Sieg für Donald Trump. Seit Monaten hatte er den Slogan wie ein Mantra wiederholt: «No collusion» – «witch – hunt» – «total bullshit». Und nun sieht es so aus, als habe er Recht behalten.

Anonyme Quellen, die sich als falsch erwiesen

Dieser Sieg wurde Donald Trump geschenkt – von seinen politischen Gegnern und vor allem von ihren Medien. Letztere übertrafen sich in den vergangenen Jahren darin, immer neue Indizien für eine «Collusion» zusammenzutragen. Viele dieser Geschichten stützten sich auf anonyme Quellen und erwiesen sich als unwahr. Vor allem die bei den einflussreichen fortschrittlichen Demokraten beliebten Fernsehprogramme wie «Daily Show» oder «Saturday Night Live» erweckten den Eindruck, Trump sei eine blosse Marionette Putins und eine Verurteilung Trumps wegen Landesverrats nur eine Frage der Zeit. Besonders penetrant wirkte die prominente MSNBC-Moderatorin Rachel Maddow, die ihre Zuschauer mit paranoiden Verschwörungstheorien konfrontierte.

Gespaltene US-Gesellschaft

Der Nordamerikawissenschaftler und Journalist Johannes Simon ist überzeugt1, führende Medien hätten sich in dieser Affäre noch unter das Niveau der konservativen Hetzmedien herabgelassen. Um dies zu verstehen, so Simon, müsse man sich nur die politisch- mediale Spaltung der amerikanischen Gesellschaft vergegenwärtigen. «Die Konservativen leben in ihrer eigenen Medienwelt und pflegen ihre eigenen Wahrheiten.» Besonders der Fernsehsender «Fox News» spiele dabei eine zentrale Rolle. Kenner der US-Medienszene sehen in «Fox News» nicht ohne Grund eine «Propagandamaschine» und einen «Staatssender», der zunehmend mit der Trump-Regierung verschmilzt.

Was Trump und «Fox News» eint, ist die Feindseligkeit gegen die führenden liberalen Medien wie die «New York Times» oder die «Washington Post». Wenn Trump behauptet, die fortschrittlichen Medien hätten es auf ihn abgesehen, habe er nicht ganz Unrecht. «Denn eine ausgewogene Berichterstattung über Trump ist eine Berichterstattung gegen Trump» (Simon).
Doch selbst die krassesten Enthüllungen konnten Trump bisher wenig anhaben. Der 45. Präsident der Vereinigten Staaten soll bis zum 1.April 2019 exakt 9’451 – mal gelogen haben (Washington Post). Trumps Anhänger leben in einem «Fox-News-Universum», in dem Trump immer nur unschuldiges Opfer der vermeintlich «liberalen Medien» ist.

«Die Russland-Affäre ist nicht als Skandal zu sehen, sondern als ein ‹Unternehmen› zur Absicherung von Privilegien», meint Aaron Mate2. Russia-Gate helfe dem Trump-Lager, seine Basis zu konsolidieren. Trump könne die Wähler in den republikanischen Hochburgen von «Middle America» gegen die abgehobenen Eliten der Ost- und Westküste mobilisieren. Und die Medien machen dieses Spiel mit, indem sie weiter auf Russia-Gate fokussieren – statt auf Trumps tatsächliche Politik. (siehe: Gefangen in den «Newsrooms», Infosperber 17. November 2016)

Erneut Geheimdienstleute als anonyme Quelle

Zu Recht wurde das politische und mediale Russia-Gate-Debakel mit dem Propagandafeldzug im Vorfeld des Irakkrieges verglichen. Und wie beim Märchen von Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen und seinen angeblichen Verbindungen zu al-Qaida geht die Story über Trumps Konspiration mit dem Kreml mehrheitlich auf einflussreiche Geheimdienstleute zurück.

Der in Berlin lebende Journalist Johannes Simon zitiert mahnende Stimmen, die jedoch lange überhört wurden. Ein Beispiel: Die russische Journalistin Masha Gessen warnte bereits im März 2017 vor dem «besorgniserregenden Aspekt», dass die «Trump-Putin-Geschichte vor allem auf Leaks der Geheimdienste basiert» und dass «nahezu keine dieser Informationen von unabhängiger Seite bestätigt werden kann». Simon erinnert daran, dass Gessen als regierungskritische Journalistin aus Russland fliehen musste und deshalb nicht als Anhängerin Trumps oder Putins bezeichnet werden kann.

Unangenehme politische Fragen wurden nicht gestellt

Andere kremlkritische Journalisten stellen fest, die Hysterie um russische Einflussnahme habe das Vertrauen der fortschrittlich eingestellten Russen in die US-Medien erschüttert. In den USA hingegen half die Russland-Affäre, den amerikanischen Liberalen mit dem Trauma von Trumps Wahlsieg umzugehen, ohne sich den unangenehmen politischen Fragen stellen zu müssen, die Trumps Präsidentschaft aufwirft. Zum Beispiel die radikale Umverteilung von unten nach oben. Oder die übertriebene Furcht, die geopolitische Vorherrschaft der USA könnte geschwächt werden.

Unbestritten ist, dass die Russland-Hysterie die durchschnittlichen amerikanischen Wähler nie in dem Ausmass interessierte, wie es die mediale Berichterstattung vermuten liess. Die demokratischen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl 2020 scheinen dies verstanden zu haben. Sie verlieren über die vermeintliche Russland-Affäre inzwischen kaum ein Wort mehr.

Druck auf die Demokraten nimmt zu

Trumps politisches Schicksal wird 2020 an den Wahlurnen entschieden. Der Druck auf die Demokraten steigt, einen Kandidaten oder Kandidatin sowie ein politisches Programm zu finden, mit dem sie Präsident Trump schlagen können. Solches hätte freilich schon lange vor dem Mueller-Bericht eine Selbstverständlichkeit sein sollen. «Nachdem das Hirngespinst zerrissen ist, haben die Trump-Gegner eine neue Chance, die Realitäten in den Blick zu nehmen, denen sie sich mit Russia-Gate verstellt haben», erklärt der «Nation»-Kolumnist Aaron Mate.
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1Johannes Simon: Geschenkter Sieg für Trump. Blätter für deutsche und internationale Politik 5/2019.
2Aaron Mate: Der Mueller-Report: Ein Debakel für die Demokraten. Le Monde diplomatique


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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Eine Meinung zu

  • am 22.05.2019 um 15:08 Uhr
    Permalink

    Frage: Wer rettete Trump vor dem finanziellen Absturz 2016?
    – Die US-Banken verweigerten ihm neue Kredite.
    – Die DB gab ihm USD 300 Mio. als Überbrückungskredit + lehnte weitere Kredite aber ab.
    – Und dann?

    Und noch eine Frage: Wer finanziert ‹Trump› (den Geschäftsmann) heute? Nein nicht mehr ‹die Russen› …

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