Kommentar

Erstaunlich: Fast alle mögen Roger Köppel

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsDer Autor kennt Roger Köppel und Buchautor Daniel Ryser nicht persönlich. Mit verschiedenen Auskunftspersonen ist er ©

Richard Aschinger /  Viele JournalistInnen finden Köppel politisch schrecklich und sagen, privat kämen sie mit ihm trotzdem gut aus.

«In Badehosen nach Stalingrad»: Der Titel von Daniel Rysers Buch weckt Befürchtungen. Aber der langjährige WOZ-Journalist, der heute bei der «Republik» arbeitet, präsentiert eine schnörkellose Recherche. Gespräche mit Vertrauten, Politmilliardären und mit Köppel selbst zeigen, wo der rasende Journalist und Politiker herkommt, wohin er will. Darüber hinaus ein punktuelles Sittenbild der Medien- und Journalistenszene.

Der Eindruck ist verbreitet, ein 270-seitiges Porträt von einem wie Roger Köppel sei übertrieben. Man wisse ja schon alles, was man wissen wolle. Rysers Buch widerlegt das schon auf den ersten Seiten: Bei einem von vielen Treffen hatte Köppel Ryser in seinem Büro warten lassen. Dort lag auf dem Tisch ein Briefentwurf. Adressiert an Mr. Steve Bannon, Editor Breitbart.com Washington DC. Bannon ist bekannt als Trump-Stratege und rechtsradikaler Politanimator, der sich mit dem Präsidenten überworfen hat.

Seither ist er damit beschäftigt, mit Gleichgesinnten in Europa, offenbar auch mit Roger Köppel, grenzüberschreitend nationalkonservative Mehrheiten aufzubauen. Das unterwürfig hofierende Schreiben hat Ryser übersetzt und abgedruckt:

«Sehr geehrter Herr Bannon,
Lassen Sie mich zu Beginn sagen, dass Ihr Interview mit unserem Korrespondenten Urs Gehriger (in der ‹Weltwoche›) eine der meistdiskutierten Titelgeschichten in der Schweiz ist. Das Feedback aus der Leserschaft und aus Regierungskreisen auf die Darlegung Ihrer Perspektive in Ihren eigenen Worten ist bemerkenswert.

Darf ich dazu bemerken: Es braucht mehr davon! Aus diesem Grunde bin ich so erfreut, dass Sie nach Zürich kommen werden, um Ihre Erfahrungen und Einblicke in die global wachsenden, populistischen Bewegungen mit uns zu teilen. (…) Ihre Ausführungen werden das Publikum begeistern und Medienberichte in ganz Europa auslösen.

Wie Sie wissen, ist die Schweiz stolz auf ihre Unabhängigkeit von den europäischen Eliten. Ihr Eintreten für den wirtschaftlichen Nationalismus, Ihr unerschrockener Patriotismus und Ihre kulturelle Souveränität treffen hier auf starkes Echo.

(…) Wie ich höre, sind Sie interessiert an einem Treffen mit Ungarns Premierminister Viktor Orban. Wir haben enge Kontakte zu ihm und können gern ein solches Treffen in die Wege leiten.»

Am Schluss des Buches rapportiert Ryser nochmals ein am Rand eines der letzten Gespräche zufällig aufgeschnapptes, politisch aufschlussreiches Ereignis: Köppels Telefon klingelt. Ryser sieht auf dem Display: «Sergio Ermotti». Der CEO der UBS. Köppel: «Hey, ciao, wie geht es dir?» Gut gelaunt sei Köppel zurückgekehrt. Er habe verlangt, dass Ryser den Namen Ermotti nicht nenne. Der Autor hat das verweigert. Der Chef einer der mächtigsten Bank der Welt per Du mit Köppel: Ryser fand das eine politisch relevante Information.

Hunderte Stunden Gespräche

Mit Ausnahme der Bannon- und Ermotti-Episoden stützt sich Daniel Rysers Porträt grösstenteils auf Beobachtungen und Einschätzungen von sehr vielen Menschen, die Roger Köppel in verschiedenen Lebensphasen privat, beruflich, geschäftlich aus der Nähe erlebten. Seine eigene Wertung hält der Buchautor weitgehend zurück und verzichtet auf Einordnungen. Entstanden ist eine dichte, informationsreiche Collage, die stellenweise nicht ganz leicht zu lesen ist.

Bisher erschienene Buchrezensionen von der WOZ über Tamedia-Konzernblätter bis zur NZZ fanden: faire und professionelle Arbeit.

Roger Köppels Jugend in der vom Auf und Ab des lokalen Eishockey-Clubs und des Zürcher Flughafens geschüttelten Stadt Kloten war gezeichnet vom Vater, der trank, als Bauunternehmer scheiterte und früh aus der Familie verschwand. Vom Selbstmord der Mutter, als er 13 Jahre alt war. Und ein Jahr später vom Tod des Vaters. WeggefährtInnen, Freunde und Lehrer schildern positive Erlebnisse mit Roger Köppel, aber auch einen schwer verständlichen Bruch zwischen dem jungen und dem heutigen Köppel.

Eine Klassenkollegin an der Kantonsschule berichtet, Roger sei beliebt gewesen, besonders bei zurückhaltenden Mitschülerinnen. Wenn er etwas nicht verstand, habe er Fragen gestellt. Köppel habe keine Angst gehabt. «Das konnte eine halbe Stunde dauern. Er liess nicht locker.» In der Klasse habe er eine «tolle Rolle» eingenommen. «Er wirkte bodenständig und selbstlos. Ich bringe jedoch den Köppel von damals nicht zusammen mit der Herrliberg Welt.» (Anm.: Wohnort von Christoph Blocher) Seine heutigen politischen Positionen stünden im Widerspruch zu dem, wie er früher war. «Er war eher einend, nicht spaltend.»

Oder ein Lehrer aus jener Zeit: Roger Köppel habe damals ein grosses Show-Talent gehabt. Er konnte «mit ernster Miene irgendeinen Blödsinn erzählen, so dass alle irritiert waren und erst nach einigen Minuten löste er die Sache als Scherz auf». Wenn Köppel heute von Kriminalstatistiken und Asylbewerbern rede, erinnere ihn das ein wenig an damals. «Ich bin dann nicht ganz sicher, ob er nicht einfach eine Rolle spielt.» Irgendwann habe Roger Köppel «eine politische und menschliche Kehrtwende gemacht».

Jugendfreunde aus der Sekundarschulzeit schildern eine Faszination für den Zweiten Weltkrieg. Für martialische Waffensysteme, Generäle mit strategischem Geschick und Befehlsgewalt, für grosse Schlachten, vor allem Stalingrad, die er mit Freunden im Sandkasten nachgestellt habe.

Im Journalistenfilz sind Recherchen schwieriger

Wegbegleiter auf Köppels beruflicher Karriere, als Teilzeitjournalist im Sport- und Filmressort der NZZ, Kulturredaktor beim «Tages-Anzeiger», Chefredaktor beim «Magazin», dann Chefredaktor und Besitzer der «Weltwoche», tun sich schwerer, Ryser klare Aussagen anzuvertrauen. Man kennt sich, bewegt sich privat und beruflich im gleichen Kuchen, kann und will sich nicht leisten, die Karriere, den schönen Platz im Gesellschaftsleben, private Freundschaften aufs Spiel zu setzen.

Mit Geduld und der Fähigkeit über längere Zeit Vertrauen zu GesprächspartnerInnen aufzubauen, hat Ryser aber prägnante Ereignisse aus der Arbeit mit Köppel und Beobachtungen zu seiner Entwicklung zu hören bekommen.

Wo der junge Köppel hinkam, hat er zunächst positives Aufsehen erregt. Ein langjähriger NZZ-Redaktor: Die NZZ sei damals eine «knochentrockene Angelegenheit» gewesen. «Plötzlich kam einer, der mit Sätzen jonglierte.» KollegInnen erinnern sich an seine «extrem schnelle Auffassungsgabe» und seine spezielle Arbeitsmethode: Er sei einer jener Schreiber, die nicht in die Tiefe gehen müssen, um ein Thema zu bespielen. «Sie reden mit den fünf richtigen Leuten und geben dann das so wieder, als ob es auf ihrem Mist gewachsen wäre.»

Der junge Journalist Köppel schien «unpolitisch». Hugo Bütler, langjähriger Chefredaktor der NZZ, beschreibt Köppels extreme Einsatzfreude – «er inhalierte ständig Lesestoff», seine aussergewöhnliche Formulierungsgabe und einen extremen Karrieredrang. Schon früh habe er sich gefragt, wo dieser Mann stehe. Er habe kein Bekenntnis zur Sache gesehen, eher ein Bekenntnis zu sich selbst.

Zu Köppels Karriere gehört auch seine Fähigkeit, Leute zu hofieren und sich hofieren zu lassen. Ein Auszug aus einer in Rysers Buch publizierten Teilnehmerliste seiner Party zum 40. Geburtstag in seiner Wohnung in Berlin beeindruckt. Köppel war damals Chefredaktor der deutschen Wochenzeitung «Die Welt»: Christoph Blocher als amtierender Bundesrat. Mathias Döpfner, Vorsitzender des Springer-Konzerns, der die «Welt» herausgibt. Roger de Weck, vormals Chefredaktor «Tages-Anzeiger» und «Die Zeit». Frank Steinmeier, Kanzleramtchef von Bundeskanzler Gerhard Schröder, heute Bundespräsident. Guido Westerwelle, damals Chef der Deutschen Liberalen. Peter Hartmeier, damals Chefredaktor «Tages-Anzeiger». Daniel Binswanger, Korrespondent, Autor und Kolumnist des «Tages-Anzeiger» und des «Magazins». Er hat den privaten Kontakt mit Köppel später abgebrochen. Peer Teuwsen, Redaktor «Magazin». Jean-Martin Büttner, Reporter und Kulturjournalist beim «Tages-Anzeiger». Markus Somm, damals Stv. Chefredaktor von Köppels «Weltwoche», vorher Bundeshauskorrespondent «Tages-Anzeiger», seit 2010 Chefredaktor der «Basler Zeitung» von Christoph Blocher. Filippo Leutenegger, damals Geschäftsführer Jean Frey AG, zu der die «Weltwoche» gehörte. Martin Walser, Schriftsteller.

Schwer nachvollziehbar bleibt in Rysers Porträt, wie Freunde und WeggefährtInnen, die sich politisch sowie menschlich ausführlich und scharf von Roger Köppel distanzieren, am Schluss meist wieder erklären, sie kämen privat nach wie vor gut mit ihm aus.

Zum Beispiel Köppels jahrelang politisch und privat eng vertrauter Bundeshausredaktor Markus Schär, der Köppel später vorwarf, seit seiner Wahl in den Nationalrat nicht mehr journalistisch, sondern parteipolitisch zu handeln. Schär kündigte seine Stelle bei der «Weltwoche» kurz nachdem Köppel das Bundeshaus als einen Ort bezeichnet hatte, «in dem die Demokratie beerdigt wurde». Gegenüber Ryser sagte Schär ein halbes Jahr später: «Ich mag Roger immer noch.»

Zum Beispiel Esther Girsberger, die als Chefredaktorin des «Tages-Anzeigers» Köppel zum Chef des «Magazin» gemacht hatte. «Ich fand ihn witzig und unverschämt. Er war mit seiner unkorrekten Art der richtige Mann», sagt sie zu Ryser. Später dann: «Wir haben uns distanziert», nicht wegen politischer Meinungsverschiedenheiten, sondern, weil er in ihren Augen «besessen» sei. Girsberger findet es beleidigend, wie er alle, die seine Meinung nicht teilen in denselben Topf werfe: «Verblendeter linker Mainstream.» (…) Wenn man nur einen Meter neben ihm stehe, gelte man als «Verräterin». Aber sie fügt bei, «persönlich sind wir uns nach wie vor verbunden».

Oder zum Beispiel auch Jean-Martin Büttner, langjähriger kollegialer Freund, Musikspezialist und Reporter, Autor des «Tages-Anzeigers». Ein sprachliches Supertalent. Wie Köppel. Ryser ist aufgefallen, dass Büttners Kritik an Köppel je länger man sich im Rahmen der Buchrecherche traf, härter wurde. Im Zusammenhang mit seinen massenhaften Auftritten in deutschen Talkshows hatte ihn Büttner einen «Quoten-Nazi» genannt. Ryser fragte, wie man sich unter diesen Umständen die regelmässigen Nachtessen zwischen Büttner und Köppel vorstellen solle. Büttner: «Solange wir nicht über Politik diskutieren, verstehen wir uns blendend. Ich halte Köppel nach wie vor für einen geistreichen und witzigen Zeitgenossen. Ich schätze seine Brillanz und seinen Humor.» Köppels politische Position könne er «nicht mehr nachvollziehen.»

Auch Köppel findet im Gespräch für den privaten Büttner fast nur gute Worte. Und er findet Büttner «politisch völlig fehlgeleitet». Das trifft sich mit Aussagen von Christoph Blocher über Büttner in einem Gespräch mit Ryser: Blocher sagt, Büttner sei ein Beispiel für einen, der links stehen geblieben sei. «Ich mag den ja sogar, sage nur, dass er ja eigentlich längst sieht, dass es so nicht geht, wie er sich das vorstellt.» Auf Rysers Frage, was da nicht gehe, sagt Blocher: «Der Kommunismus.» Jean-Martin Büttner, Kommunist? Wer Büttner einigermassen kennt, und Blocher kennt Büttner seit Langem, müsste da ein Ross lachen hören. Ryser: Büttner sei doch kein Kommunist. Blocher: «Da wäre ich nicht so sicher. Zumindest ist er ein Sozialist. Und Sozialismus führt leider erfahrungsgemäss in den Kommunismus.»

Roger Köppel hat für die «Weltwoche» zahlreiche Journalisten abgeworben. Am spektakulärsten ist die Bilanz bei der NZZ: Drei stellvertretende Chefredaktoren, aus der Inlandredaktion: Kenneth Angst und der inzwischen verstorbene René Zeller. Und aus der Auslandredaktion Hansruedi Kamer. Angst sagt, man habe sich von Köppels Versprechen locken lassen, die «Weltwoche» werde der Ort für die breiteste, lebendigste, beste politische Diskussion des Landes. Eine Rolle für die Anziehungskraft von Köppels «Weltwoche»-Projekt dürfte auch gespielt haben, dass in den letzten zehn Jahren, bei der NZZ, wie in anderen Medienbetrieben, ein für Journalisten zunehmend beleidigendes und deprimierendes Arbeitsklima entstand.

Kenneth Angst, der kurze Zeit erfolglos versuchte, die «Weltwoche» in einer Co-Chefredaktion mit Köppel zu führen, gesteht seine Fehleinschätzung ein und äussert sich in Rysers Buch sehr kritisch. Köppel lasse in Diskussionen keinen Einwand gelten. «Er kennt nur eine Wahrheit: seine.» Köppel genüge es nicht, wenn die SVP die grösste Partei ist. Er suche die Mehrheit, lehne Kompromiss und Konkordanz ab. Er wolle nicht den Status quo verbessern, sondern Gesellschaft und Politik hinter die Entwicklungen seit 1968 zurückbauen.

Eine subtile Beschreibung von Köppels Rolle als Chef, präsentiert in Rysers Buch eine ehemalige Redaktorin des Magazins: «Es gibt Leute, die mit beiden Beinen fest in der Luft schweben, nicht auf eine gute Art, immer leicht am Kippen, am Abstürzen am Ertrinken. Kiellos.» So habe sie Köppel erlebt. Mit einem «extremen Bedürfnis nach Zuneigung.» Diese Unsicherheit sieht sie als Grund dafür, dass Köppel immer sofort Positionen beziehen und einnageln müsse.

Wie ungehemmt Köppel seine Interessen verfolgt, zeigt Daniel Rysers Anmerkung, Köppel habe ihn, als die Buch-Recherchen Anfang 2018 konkrete Ergebnisse zeigten, gedrängt, von der WOZ sofort zur «Weltwoche» zu wechseln. Er sei doch «ein ausserordentlicher Journalist». Die «NZZ vom Sonntag» nennt Rysers Buchprojekt «eine komplizierte Übung zwischen Distanz und Nähe».

Treffen mit Christoph Blocher in Herrliberg: Liebe auf den ersten Blick

Roger Köppel sei seit 1998 zu einem «komplett anderen Menschen geworden», sagt Philipp Löpfe, «als hätte er sich eine Maske übergezogen». Löpfe war damals Chefredaktor des «Tages-Anzeigers» und Vorgesetzter von Köppel, der das «Magazin» leitete. Ähnliche Sätze sagen in Rysers Recherche viele GesprächspartnerInnen und erwähnen Köppels Faszination für ältere, erfolgreiche Männer: Niccolo Machiavelli, den er als «beeindruckendsten, hellsichtigsten Denker der abendländischen Geschichte» bezeichnete. Den früheren Fifa-Präsidenten Sepp Blatter. Den Gründer des ersten Schweizer Discounters Karl Schweri. Den später wegen Betrugs verurteilten Finanzspekulanten Werner K. Rey. Den amerikanischen Sänger Frank Sinatra. Bruno Franzen, den Gründer des Schweizer Ferienhausvermittlers Interhome. Peter Uebersax, den damaligen Chefredaktor von «Blick», den Köppel in seinem Nachruf «den überragenden Schweizer Journalisten der jüngeren Pressegeschichte» nannte, «stets auf der Seite des Volkes.» Eine nicht genannt sein wollende Freundin sagte zu Ryser: «Köppel war damals politisch neugierig, rücksichtsvoll, voller Energie.» Als er um das Jahr 2000 Uebersax kennengelernt habe, habe er sich verengt. An verschiedenen Essen habe sie erlebt, wie Uebersax «all diese schrecklichen Dinge über Ausländer» gesagt und Roger einfach nicht widersprochen habe.

Und dann im Frühsommer 2000 das legendär gewordene Treffen mit Christoph Blocher: Köppel kannte den Milliardär, Vordenker der SVP, Chef der Ems-Chemie noch nicht persönlich. Er fuhr zu ihm nach Herrliberg. Dieses Treffen, erklärt Köppels langjähriger Vertrauter Franzen in Rysers Buch, sei nach dem Tod seiner Eltern der zweite Bruch im Leben gewesen. «Köppel ist Herrn Blocher auf eine familiäre Art und Weise wahnsinnig treu.» Ein enger, im Buch nicht genannt sein wollender Freund sagt, Köppel sei Blocher «verfallen». Das Treffen der beiden komme ihm so vor, «wie wenn ein Sektenanhänger seinen Guru trifft». Es habe in seinen Augen dazu geführt, «dass Roger Köppel seinen freien Geist mehr und mehr verloren hat».

Die Faszination muss gegenseitig gewesen sein: Jean-Martin Büttner, Journalist beim «Tages-Anzeiger», hatte Blocher am Abend nach dem Interview getroffen und berichtet Ryser: «Blocher erzählte mir, wie toll das gewesen sei. Man hat förmlich gemerkt, dass da etwas passiert ist. Fast so als hätte er seinen wahren Sohn gefunden.»
Blocher scheint aber mit Köppel von Anfang an auch strategische Ziele verfolgt zu haben: An einem späteren Essen mit Blocher nach einem Interview soll er erklärt haben, sie sollten beim «Sie» bleiben. Es wäre «kontraproduktiv», wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck einer nahen Beziehung entstehe.

Köppel habe Blocher «bewundert». Die SVP habe ihn nicht primär interessiert. Eine «Freundschaft» sei es nicht gewesen, sagt Eugen Sorg, langjähriger und enger Begleiter Köppels. Er habe mit Blocher wöchentlich telefoniert, berichtet Bruno Franzen.

Von Blocher inspiriert ist Köppels aufsehenerregendes religiöses Bekenntnis in einem «Weltwoche»-Artikel Ende 2016 und ein Jahr später im von einem international vernetzten, evangelikalen Verband mitgetragenen Magazin «Idea Spektrum». Ryser zitiert Köppels einleitendes Bibelzitat: «Darum nehmt euch all die Waffen, die Gott euch gibt. Nur gut gerüstet könnt ihr den Mächten des Bösen widerstehen.» Köppel schrieb, es gehe «nicht um einen heiligen, aber um einen gerechten Krieg». Christsein heisse, «einem Endkampf entgegenzutreten». Christoph Blocher sagte Ryser, er habe Köppel zu seinem Bruder Gerhard, früherer Pfarrer in Hallau, geschickt. Auffällig ist, dass Köppel, der von Eugen Sorg im Ryser-Portrait als der «antireligiöseste Mensch, den ich je getroffen habe,» beschrieben wird, sein Interesse für fundamentalistische Christen zu einem Zeitpunkt präsentierte, als Wahlanalysen aus den USA zeigten, dass fundamentalistische Christen Donald Trumps Wahl wesentlich befördert hatten.

Mehrere ehemalige Wegbegleiter wehren sich in Rysers Porträt gegen die Behauptung, Roger Köppel sei abhängig von Blocher. Köppel sei für eine Gruppe rechter Milliardäre der einzig richtige Mann gewesen, um ihr Projekt einer rechten Oppositionszeitung zu realisieren, erklärt der Tessiner Investor Tito Tettamanti. Es sei um ein politisches Projekt gegangen: «Ideen zu säen.»

Ein erster Versuch, die «Weltwoche» mit Köppel als von den Investoren angestellten Chefredaktor auf rechts zu drehen, sei wegen eines internen Streits misslungen. Köppel habe die «Weltwoche» verlassen. Die Investoren wollten Köppel unbedingt zurück und hätten seine Bedingung, ihm die «Weltwoche» zu verkaufen, akzeptiert.

Blocher erklärte Ryser, von ihm sei kein Geld geflossen. Er habe auch keine Bürgschaft abgegeben um Köppels Bankkredite für die «Weltwoche» zu finanzieren. Er schilderte Ryser, wie so etwas in der Praxis laufe: Man sitze beim Essen, da frage einer von einer Bank: Was halten sie von dem? Dann komme der nächste: Referenz im Vorbeigehen.

Auch in ganz anderer Hinsicht sehen Weggefährten keine Abhängigkeit Köppels von Christoph Blocher: Im März 2018 wurde Blochers Tochter Magdalena Martullo-Blocher anstelle ihres zurückgetretenen Vaters zur Vizepräsidentin der SVP Schweiz gewählt. Konrad Hummler, der in rechtskonservativen Kreisen vernetzte, ehemalige NZZ-Präsident und Ex-Eigentümer der Bank Wegelin sieht ein «Familiendrama». Im Vorteil die Tochter, eine Art «Mutter Helvetia», im Nachteil Roger Köppel, enorm schreibfähig, aber kein Magistrat, keine identitätsstiftende Figur. Auch für Bauernpräsident und CVP-Nationalrat Markus Ritter ist die Wahl klar: «Wenn du Magdalena Martullo-Blocher auf einer Tagung triffst, ist sie vom ersten bis letzten Moment voll dabei. Köppel steht draussen und telefoniert.»

Eugen Sorg sagt zu Ryser: «Köppel ist selbst ein Leader.» Er sei auch eine Marine Le Pen, die «den Vatermord» macht. Sie habe sich ihres Vaters entledigt. «Sie ist voll und ganz wie er.» Roger Köppel sei ein Waisenkind, früh ohne Eltern. «Immer vorwärts.» «Köppel kann sich trennen.» Das laufe heute schon: Die SVP sei dank Köppel «cooler und salonfähiger geworden», sagt Res Strehle zu Daniel Ryser. Für Zeiten, wenn die Bauern keine Rolle mehr spielen, habe man Leute wie Privatbanker Thomas Matter ins Boot geholt. Roger Köppel richte sich auf eine neue SVP aus: Neue Brille, neue Frisur, sein Aussehen dem Zürcher Paradeplatz angepasst.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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4 Meinungen

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 1.10.2018 um 10:38 Uhr
    Permalink

    Die beste journalistische Leistung in der Schweizer Presse der letzten paar Wochen war aus meiner Sicht das Weltwoche-Sonderheft «China verstehen» der Weltwoche, u.a. mit exzellenten Beiträgen von Prof. Harro von Senger, dem seit Jahrzehnten hochqualifizierten Chinakenner und begnadeten Sinologen mit notabene auch politischem Horizont. Sogar noch um einiges hintergründiger als die Beiträge des von mir durchaus geschätzten Peter Achten bei Infosperber. Desgleichen waren gemäss diesem lesenswerten Sonderheft, das den Kauf der in der letzten Nummer eher schwachen Weltwoche amortisiert, die Beiträge über die neue Seidenstrasse äusserst informativ wie ebenfalls diejenigen über die derzeitige Phase der amerikanisch-chinesischen Beziehungen. Auch Schneider-Ammann erscheint mal in etwas anderem Licht als üblich, er war offensichtlich nicht gerade ein schlechter Bundesrat. Am relativ schwächsten, wegen zu wenig kritisch nachbohrender Fragen, war das Interview mit Chinas Botschafter in Bern, welches Köppel als Mitfragesteller selber zu verantworten hatte. Aber selbst dieser Beitrag war immer noch auf substanzielle Weise informativ. Ohne Köppel, der sich nach meinen Informationen zwar selbst auch im bürgerlichen Lager des Parlaments nachhaltig verhasst gemacht hat, wäre das Universe of discourse im deutschsprachigen Journalismus mutmasslich kleiner, als es jetzt ist, so wie dies etwa für Infosperber im Zusammenhang mit den noch ernst zu nehmenden Internet-Kommentar-Blogzeitungen gilt.

  • am 1.10.2018 um 14:16 Uhr
    Permalink

    Ein weiterer Artikel, der uns zu Gemüte führen soll, wie Leute medial an die Spitze
    getrieben werden und zu Aushängeschildern geformt werden. Täglich, wöchentlich,
    monatlich……….. Ein Artikel, der uns engagiert und differenziert denkenden Lesern einmal mehr Lehrstück sein soll, übertrieben agierenden und mit einer beengten Weltsicht ausgestatteten Menschen dort zu begegnen, wo sie hingehören: In ihr Perpetuum mobile.

  • am 1.10.2018 um 22:00 Uhr
    Permalink

    Über Roger Köppel lohnt es sich nicht, so viele Zeilen zu verschwenden. Er ist zwar charmant und humorvoll, aber dumm und ein rechtsbürgerlichr Zünsler. Und sein Frisur interessiert schon nicht. Also ein absolut unnötiger Beitrag.

  • am 11.10.2018 um 22:51 Uhr
    Permalink

    Es si alli so nätt, so nätt, so unheimlich, so grauehaft nääääätttt ! (Franz Hohler)

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