Kommentar
kontertext: Vom Fest zum Manifest
Am Basler Medienfest vom 29. Juni war Tamedia nicht anwesend: «Aufgrund der weiterhin laufenden Prüfung der Übernahme durch die Wettbewerbskommission können wir uns aus Rücksicht auf das Verfahren und den fehlenden Einfluss auf die Basler Zeitung leider nicht detaillierter zum Thema äussern und werden deshalb nicht an Ihrem Anlass teilnehmen können», lautete die Absage. Eingeladen zum Fest hatte die Aktion «Rettet-Basel», in Kooperation mit dem neuen Verband «Medien mit Zukunft». Anlass war der angekündigte Rückzug Christoph Blochers vom Medienplatz Basel. Das sollte gefeiert werden und Grund sein, über den Medienwandel und dessen Auswirkungen auf Kultur und Demokratie nachzudenken. Der Medienplatz Basel ist zwar bald normalisiert, was aber heisst: Er teilt nun wieder die Misere aller anderen.
Kündigungen auf Vorrat
Am Tag des Fests verbreitete der anonyme Twitter-Account Inside Tamedia: «Der Grund hinter den geplanten Abgängen im Inland-Ressort von Tamedia: Es soll Platz geschaffen werden, damit BaZ-Personal übernommen und ins Ressort integriert werden kann.» Öffentlich Auskunft geben will Tamedia nicht, doch intern läuft die Planung unverdrossen weiter. Zunächst einmal werden Leute entlassen, um Platz zu schaffen – für wen? Das Inland-Ressort war jenes, das dem Blocher-Chefredaktor besonders am Herzen lag und entsprechend personell bestückt worden ist. Schon bisher konnte der Tages-Anzeiger wenigstens online im Newsnet Artikel der BaZ-Inland-Redaktion übernehmen. Das geschah nicht allzu häufig. Und wenn, war oft eine Flut an negativen Kommentaren die Folge. Was bedeutet der Plan also für jenes Dutzend Zeitungen vom Berner Oberland über Bern, Zürich, Winterthur bis nach Basel, das nächstens am gleichen journalistischen Tropf hängt? Sollen die Zeitungen allesamt stärker rechts positioniert werden? Soll gar Markus Somm hier eine leitende Funktion erhalten? Denn dass der sich mit einer Rolle beispielsweise als Kolumnist beim Magazin begnügen könnte, ist eher unvorstellbar.
Medienwandel in Basel
Durch Blochers Engagement hat der Medienwandel in Basel beschleunigt stattgefunden. Die Region verlor in den acht Jahren vergleichsweise überproportional viele Print-Lesende. Auf rund sieben Kündigungen bei der BaZ kam gerade ein Neu-Abo bei der bz Basel. Und es scheint unrealistisch, dass es einer Tamedia–BaZ nun gelingen könnte, das Potenzial an Zeitungsleserinnen und -lesern wieder deutlich auszuweiten. Zumal die BaZ den Spagat meistern muss, Neuanfang zu behaupten (den sie eigentlich schon verpasst hat) und zugleich das verbliebene Blocher-Publikum nicht zu vergraulen. Zwei parallele Zeitungsketten – Tamedia und CH Media (das Joint-Venture aus AZ Medien und NZZ Regionalmedien) – werden sich wohl gegenseitig Abonnentinnen und Abonnenten abjagen. Und Tamedias Pyrrhus-Sieg könnte darin bestehen, Leserinnen und Leser des Tages-Anzeigers, die in Basel vielleicht gar nicht so rar sind, wieder für die Basler Zeitung zu gewinnen – die dann im Gegenzug ihr Tages-Anzeiger-Abo kündigen.
Basler Regionalausgaben
Basels Schicksal wird nun sein – und tatsächlich besteht es bereits seit Blochers Übernahme –, keine überregionale Stimme mehr zu haben, ja, nicht einmal eine eigene Bundeshausredaktion. Bestenfalls gibt es auf dem Platz zwei konkurrierende Basler Regionalausgaben, vergleichbar mit dem Langenthaler Tagblatt (Tamedia) und der Thurgauer Zeitung (CH Media).
Der einzige Player aus Basel, der zudem noch den Vorteil hätte, eine Basler Plattform zu betreiben, wäre die TagesWoche. Seinerzeit aus dem Widerstand gegen die BaZ erwachsen, tut sich das Medium – wie Äusserungen beim Basler Medienfest einmal mehr zeigten – bis heute schwer mit seiner Gründungsgeschichte. Das Bestehen der Blocher-BaZ habe nie einen Einfluss gehabt auf den eigenen Kurs, behauptete einer der leitenden Redakteure, also werde auch der Wegfall derselben folgenlos bleiben. Noch im April hatte die Geschäftsführerin verkündet, mit dem Verkauf der BaZ werde die TagesWoche die eigentliche Basler Zeitung. Doch eine Debatte darüber, was das journalistisch bedeuten könnte, wird offenbar intern nicht geführt. Da zeigte sich die Republik letztes Jahr selbstbewusster mit Blick auf den sich verändernden Journalismus und wurde dafür mit einem fulminanten Crowdfunding belohnt. In zwei Jahren zieht die finanzierende Stiftung für Medienvielfalt (die ihrerseits vor ein paar Jahren mit einem zweistelligen Millionenbetrag alimentiert wurde und seither unabhängig agiert) den Stecker. Obwohl die TagesWoche in den letzten Monaten journalistisch an Profil gewonnen hat, scheinen die Verantwortlichen also den Ernst der Lage und ihre zweite historische Chance, die sich durch den Verkauf der BaZ an Tamedia eröffnen könnte, nicht wirklich zu erkennen.
Basler Medienmanifest
Bestandteil des Medienfests waren drei Podiumsgespräche, welche den Medienplatz Basel nach Blocher sowie Medienzukunft und Medienfinanzierung diskutierten. Am Ende verabschiedeten die Anwesenden – rund zweihundertfünfzig Leute hatten den Anlass besucht – ein Basler Medienmanifest. Es enthält die zentralen Forderungen an den Medienplatz Basel und wendet sich an die Öffentlichkeit, die Politik und die Medienakteure.
1. ÖFFENTLICHKEIT / BÜRGERINNEN UND BÜRGER
Auch im Journalismus gilt: Gute Arbeit kostet. Unabhängiger Journalismus muss uns etwas wert sein.
Gratismedien stehen in der totalen Abhängigkeit von Werbung. Sie tragen zum Abbau von Qualitätsjournalismus bei.
Wir sind bereit für einen Journalismus zu bezahlen, der sich den Kriterien der Wahrhaftigkeit, Glaubwürdigkeit und Relevanz verpflichtet fühlt.
2. POLITIK
Die Demokratie ist angewiesen auf unabhängige regionale, nationale und internationale Medienberichterstattung.
Der Meinungsbildungsprozess wird im Wesentlichen durch Medien gestaltet. Medien müssen der Demokratie etwas wert sein.
Städte, Gemeinden, Kantone sowie die Eidgenossenschaft sollen dazu beitragen, dass demokratie-relevante Medienangebote weiterhin vorhanden sind.
Für ein demokratie-relevantes Medienangebot braucht es eine öffentliche Medienförderung.
Öffentliche Medienförderung muss so organisiert sein, dass die Politik keinen inhaltlichen Einfluss nehmen kann auf die Arbeit der Journalistinnen und Journalisten.
3. MEDIENAKTEURE
Basel ist eine kulturell reiche, wirtschaftlich starke und politisch bedeutsame Region der Schweiz, von der immer wieder wichtige Impulse ausgegangen sind und ausgehen, nicht zuletzt auf dem Gebiet der Umweltpolitik. Sie soll in den regionalen Medien umfassend abgebildet und von den überregionalen Medien ihrer Bedeutung entsprechend wahrgenommen werden.
Basel ist zu wichtig, um bloss mit Regionalausgaben von Zürcher und Aargauer Verlagen bestückt zu werden. Die Stadt braucht eine kompetente und gut dotierte Redaktion vor Ort und eine wirklich eigenständige Chefredaktion, die nicht zwingend aus Basel kommen muss, die aber die Stadt und ihr Umfeld gut kennt und sich als lernfähig erweist.
Wir fordern einen politischen Journalismus – von Frauen und Männern gemacht –, der sich nicht im Sinne eines aufmerksamkeitsorientierten Boulevards anbiedert, sondern nach relevanten inhaltlichen Kriterien arbeitet. Der nicht auf Diffamierung, Skandalisierung und Häme setzt, sondern auf den Dialog und die Verständigung mit allen gesellschaftlichen Kräften und auf die Lösung der wirklichen Probleme.
Notwendig ist eine regionale Optik in allen Ressorts, von der Innenpolitik über die Wirtschaft bis zum Sport. Und insbesondere auch einen lokal breit verankerten Kulturjournalismus, der das kulturelle Leben der Stadt und der Region abbildet und befruchtet.
Dafür braucht es entsprechend Mitarbeitende, Kanäle und Ressourcen. Wir erwarten von allen in der Region Basel tätigen Verlagen und Online-Portalen konkrete Investitionen in die Kultur und die Qualität von professionellem und unabhängigem Journalismus.
Wie lange Basel über drei Zeitungen verfügen und ob es je wieder gelingen wird, eine eigene überregionale Stimme aufzubauen, ist fraglich. Es hängt möglicherweise neben der Öffentlichkeit und den Akteuren nicht zuletzt auch von der Politik ab: Vom Verlauf des sich in der Vernehmlassung befindenden Mediengesetzes. Und der Frage, ob regionale Medienförderung im Sinne der Demokratie und der Kultur früher oder später als kantonale Aufgabe begriffen wird.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Guy Krneta, geboren in Bern, lebt als freier Autor in Basel. Er schreibt Theaterstücke und Spoken-Word-Texte. Sein Stück «In Formation» wurde von Dieter Fahrer aufgezeichnet und ist kürzlich neben Fahrers Film «Die Vierte Gewalt» als DVD erschienen. Krneta ist Mitbegründer von Kunst+Politik und der Aktion Rettet-Basel.
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Unter «kontertext» schreibt eine externe Gruppe Autorinnen und Autoren über Medien und Politik. Sie greift Beiträge aus Medien auf und widerspricht aus politischen, journalistischen, inhaltlichen oder sprachlichen Gründen. Zur Gruppe gehören u.a. Bernhard Bonjour, Rudolf Bussmann (Redaktion, Koordination), Silvia Henke, Anna Joss, Mathias Knauer, Guy Krneta, Johanna Lier, Alfred Schlienger, Felix Schneider, Linda Stibler, Ariane Tanner, Heini Vogler, Rudolf Walther.
Wieviele Anwesende haben das Manifest unterzeichnet?
Für eine genaue Antwort danke ich dem Autor schon jetzt !
@Andreas Willy Rothenbühler, über das Manifest wurde vor Ort abgestimmt, es waren schätzungsweise noch 80 Personen anwesend, zuvor war es im Rahmen eines Podiumsgesprächs diskutiert worden, bei dem auch ungefähr 80 – 100 Personen anwesend waren. Über den Abend verteilt (7 Stunden) waren es um die 250 – 300 Personen, die das Fest besucht haben.
Herzlichen Dank,Herr Krneta.
Ich gestehe das Serkan Albrechts Bericht ziemlich irritierte.
Ich suchte sämtliche Medien nach Infos ab,über Ihren Anlass und fand nichts !
Fehlt nur noch eine Leserpetition,die Blocher zum ausharren in Basel auffordert.
Dann kommt die Stunde der Wahrheit. Dazu müsste die Familie Blocher so 200 Mio in die Hand nehmen, um nichts als negative Publizität zu ernten.
Supino will das Problem mit Abwarten lösen.
Wenn alle Arbeitgeber so viel Geld wie die Migros hätten und wie Heute bei Vivai alle ab 55 fruepesionierten, gäbe es schon Morgen keine gedruckten Zeitungen mehr.
@Andreas Willy Rothenbühler Ja, Abrecht hat von drei Podien eines besucht und den Rest des Abends am Bierstand verbracht. Entsprechend ist sein Bericht ausgefallen. Aufmerksamer und unbefangener schrieb die Badische Zeitung: http://www.badische-zeitung.de/basel/so-bitter-es-klingt-das-ist-das-lied-vom-tod-der-presse–154169140.html
Noch einmal herzlichen Dank Herr Krneta.Das Gratisbier hat Herrn Abrechts Wahrnehmungsvermögen doch ziemlich Beeinträchtigt.
Manchmal Frage ich mich,ob ich den der einzige bin,der gern mehr Hintergrundberichte will.Will niemand wissen was aus der Zeitungsrotation wurde,die in Basel für Blochers BaZ hingestellt wurde.Wer bezahlt ? Hat nie ein Journalist nachgefragt,wie sich die 99 Millionen SFr. entwickelt haben,die Hansheiri Coninx Schawinski in die Hand drückte?Diese wurden durch einen Banquier mit Namen SUPINO angelegt.( der Mann macht jetzt etwas mit Zeitungen).Wieviele Journalisten kann man mit 99 Mio Frühpensionieren ?
Und letzte Frage? Schafft es dieser Beitrag durch die Zensur.
Der Beitrag in der BaZ hat gereicht, die Leserbriefe waren eindeutig. Nur die Badische hat noch darüber berichtet, die übrigen Zeitungen haben sich wohl fremdgeschämt über die diversen Voten, die an diesem Anlass fielen.
@Tim Meier, kein einziger Leserbrief bezieht sich auf den Anlass. Der Bericht in der BaZ führt exemplarisch vor, wie Blocher-Journalismus funktioniert. Ja, um Vorurteile zu bewirtschaften und Wutbürgertum zu befriedigen, «genügt» eine solche Berichterstattung.
@ Herr Tim Meier,sind für Sie die Leserbriefe in der BaZ,das Mass aller Dinge.Es gab ja neben Herrn Rechsteiner Auftritt auch ernsthafte Podiums Gespräche !
So wie Rechsteiner sich selbst beschädigt, ist das BaZ – Forum ein Abbild der heutigen BaZ – Leser.
Das macht ja Basel zum schweizerischen Medienlabor.
Ich wette darauf,dass Supino der Nächste ist,der sich dort die Knochen bricht.