Kommentar
Trump-Iran: Grünes Licht für eine Konfrontation mit Russland
Nur eine Woche nach der Pressekonferenz des israelischen Premiers Netanjahu, deren unausgesprochene Botschaft in der Forderung nach einem Präventivschlag gegen Iran bestand, verdichten sich mit Trumps angekündigter Kündigung des Atomvertrags mit dem Iran die Anzeichen für Militärschläge bis hin zu einem Krieg.
Was sind die Beweggründe der Trump-Administration, einmal mehr zu diesem äussersten aller Mittel zu greifen?
Militärische Eingriffe würden grosse Probleme Trumps lösen
Etwas mehr als ein Jahr nach der Amtsübernahme durch Donald Trump befinden sich die USA trotz aller anderslautenden Beteuerungen von Politikern und Medien in einer überaus schwierigen Lage. Die soziale Ungleichheit im Land erreicht immer neue Rekordwerte, die Arbeitslosigkeit ist viel höher als in den offiziellen Statistiken angegeben, die Verschuldung sowohl der Bevölkerung als auch die von Staat und Unternehmen ist höher als je zuvor. An den Finanzmärkten haben sich riesige Blasen gebildet, die jederzeit zu platzen drohen.
Sowohl die Regierung Trump als auch die US-Zentralbank Federal Reserve stehen in dieser Situation mit dem Rücken zur Wand. Trump kann sein Versprechen, gut bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen, nicht einhalten. Seine Steuererleichterungen für Ultrareiche sind weitgehend wirkungslos verpufft und seine Anhängerschaft in der Bevölkerung der USA wird wegen der vielen gebrochenen Wahlversprechen zunehmend unruhiger.
Die Situation der Federal Reserve ist noch schwieriger: Die USA zeigen immer deutlichere Anzeichen einer anschwellenden Inflation, die eine Straffung der Geldpolitik – insbesondere eine Erhöhung des Leitzinses – notwendig macht. Diese bereits eingeleitete Straffung aber bringt für die Federal Reserve noch grössere Probleme mit sich: Sie erschwert die Bedienung des Schuldenberges, entzieht Investoren das Geld zur Spekulation und bereitet damit den Weg für einen Einbruch an den Finanzmärkten, da diese auf den ständigen Zufluss neuen Geldes angewiesen sind.
Was könnte sowohl Trump als auch der FED aus dieser Klemme helfen? Ein Krieg würde die Verschuldung der USA zwar langfristig weiter in die Höhe treiben, dafür aber die Rüstungsindustrie und damit die Aktien- und Anleihenmärkte befeuern, einen Crash hinauszögern, Arbeitsplätze schaffen und der Trump-Wählerschaft einen ausländischen Sündenbock für die von der Regierung und der Wall Street angerichtete Misere liefern. Das heisst: Ein Krieg würde vorübergehend zu einer Stabilisierung der Verhältnisse in den USA führen.
Die Investitionen ins Fracking würden rentabel
Zudem steht hinter Trump eine Kraft, die diesen Krieg offensichtlich schon seit längerem eingeplant hat: die Wall Street. Ihre grossen Finanzinstitute haben in den vergangenen Jahren mehr als eine Viertel Billion Dollar in das Fracking investiert – zunächst, ohne dabei nennenswerte Gewinne zu erzielen, in den vergangenen Jahren unter Inkaufnahme erheblicher finanzieller Verluste.
Viele der beteiligten Spekulanten haben sich sogar Geld geliehen und sind extreme Risiken eingegangen, um am Ball zu bleiben. Warum? Es gibt nur einen Grund: Weil sie damit rechnen, dass das Fracking sich irgendwann rentiert und hohe Gewinne abwirft. Was aber ist dafür die Voraussetzung? Ein höherer Ölpreis, den ein Krieg umgehend herbeiführen würde.
Und nicht nur das: Ein Krieg, der – wie die übrigen Kriege der USA – nicht gewonnen wird, sondern den Nahen Osten auf Jahre hinaus destabilisiert, wäre für die hinter dem Fracking stehenden Investoren und die Regierung der USA ein wahres Geschenk: Er würde den Ölpreis selbst im Fall einer sich abzeichnenden Rezession hochhalten, das bislang zu teure Fracking auf Dauer in die Gewinnzone bringen und die USA befähigen, vom Öl-Importeur zum Öl-Exporteur zu werden.
Hierin liegt auch die Gefahr begründet, dass aus dem Nahostkrieg ein Weltkrieg werden könnte: Die USA haben nämlich in jüngster Zeit begonnen, ihr Öl nach Westeuropa zu exportieren. Sollte ihr riesiges Reservoir an durch Fracking gewonnenes Schieferöl nach einem kriegsbedingten Ölpreisanstieg in grösseren Mengen nach Westeuropa fliessen, würden sie damit ihrem Widersacher Russland einen seiner wichtigsten Märkte streitig machen.
Das aber würde Russland wohl nicht hinnehmen, denn der Verlust des westeuropäischen Marktes käme einer wirtschaftlichen und finanziellen Katastrophe gleich. Zudem erinnern sich die Politiker in Moskau mit Sicherheit noch daran, dass ihr Vorgängerstaat Sowjetunion nicht zuletzt am Ölpreis zerbrochen ist.
Die Trump-Administration spielt mit dem Feuer
Kriegerische Übergriffe im Iran wären für die USA aber auch ein Spiel mit dem Feuer: Das mit Russland verbündete China hat die Kriege der USA in der Vergangenheit nämlich durch den Kauf von US-Staatsanleihen zu einem grossen Teil mitfinanziert. Sollte es das in diesem Fall nicht tun und möglicherweise sogar seine US-Staatsanleihen als Reaktion auf eine Kriegserklärung der USA auf den Markt werfen, würde es den US-Dollar damit in allerhöchste Bedrängnis bringen.
Ein Krieg der USA gegen Iran hätte also nicht nur das Potenzial, einen weit über den Nahen Osten hinausgehenden militärischen Konflikt auszulösen, er könnte auch zum Ende des US-Dollars und damit zum Einsturz des seit längerem nur noch an einem seidenen Faden hängenden globalen Finanzsystems führen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Ernst Wolff ist freier Journalist.
Er publizierte soeben das Buch «Finanz Tsunami – Wie das globale Finanzsystem uns alle bedroht», edition e. wolff, 27.90 CHF.
Früher hatte er «Weltmacht IWF – Chronik eines Raubzugs» im Tectum-herausgegeben, 26.90 CHF.
Philosophisch gesehen ist der „Konflikt“ auch interessant: Die jüngsten Staaten USA und Israel (plus die Saudis) kämpfen gegen die ältesten Staaten der Welt.
Man darf nicht vergessen, Aleppo und Damaskus gelten als älteste Städte der Welt. Sie sind die Wiege unserer Kultur. Und genau hierhin zieht es vorallem auch die USA, ein sehr junges, durch Mord und Totschlag erbeutetes Land, das aber bereits wieder auf dem absteigenden Ast ist. Als ob man bei seinen kulturellen Wurzeln Energie tanken (wörtlich) möchte. Und zwar ebenfalls mit Gewalt.