Kommentar

Nach dem No-Billag-Nein: Schlechte und freche Verlierer

Niklaus Ramseyer ©

Niklaus Ramseyer /  Fast 72 Prozent Nein zu No-Billag war eine klare Klatsche. Doch die Verlierer bleiben frech. Und viele Medienleute machen mit.

So reagieren schlechte Verlierer: «Das ist keine Niederlage», durfte der soeben klar ins Abseits gestellte FDP-Nationalrat, Gewerbeverbandsdirektor und No-Billag-Vorkämpfer Hans-Ulrich Bigler am Tag nach der wuchtigen Abfuhr seines Ansinnens an der Urne in allen gleichgeschalteten Tagi-Blättern (von Zürich bis Winterthur und von Bern bis Biel, Thun und Freiburg) keck behaupten. Mehr noch, jetzt müsse sofort diskutiert werden, «welche SRG wir wollen». Denn es gebe «Handlungsbedarf». Titel seiner Auslassungen: «Viele Leute haben ‹Nein aber› gestimmt.»

So redet einer daher, der noch bis am Sonntag, dem Abstimmungstag, um 20 nach 12 Uhr gar keine SRG mehr wollte – und vom Schweizer Volk mit 72 Prozent Nein krass abgekanzelt wurde. Und dann kann er gleich abstimmungsanalytisch erklären, wie das zu interpretieren sei und sogar auch «welche SRG» er nun gerne hätte. Ähnlich frech trat auch Natalie Rickli auf, Zürcher SVP-Nationalrätin und jahrelang indirekt in gut bezahlten Diensten ausländischer SRF-Konkurrenten (Goldbach). Die notorische SRG-Gegnerin forderte flugs eine Reduktion der SRG-Gebühren von 451 nicht nur auf 365 Franken (was geplant ist), sondern gleich auf 300 Franken. Ihr Anti-SRG-Mitkämpfer und Zürcher SVP-Parteikollege Gregor Rutz verlangte derweil die Gebührenbefreiung aller Unternehmen. Das ist angesichts des wuchtigen Volksmehrs für die Gebühr nicht nur unverschämt, sondern auch undemokratisch und unehrlich: Drei Viertel der Unternehmen (fast alle KMU) zahlen gemäss der nun erneut klar bestätigten Gesetzgebung nämlich gar nichts, weil diese eine Freigrenze von 500’000 Franken Umsatz vorsieht. Rutz hätte also ehrlicherweise sagen müssen, er fordere Gebührenbefreiung für alle Grossunternehmen. Oder kritische Journalisten hätten ihm dies vorhalten können. Oder hätten die gar klare Ansage der zuständigen Bundesrätin Doris Leuthard zitieren können: «SRG-Gegner haben keine Forderungen zu stellen.»

Zürcher Kampagne gegen SRG geht weiter

Aber warum denn auch? Die hartnäckigen SVP-Angriffe auf die SRG geniessen vorab in Zürcher Medien und ihren schweizweiten Ablegern unvermindert Beachtung. Sie hatten ja dem No-Billag-Unfug schon vor dem Urnengang viel Platz eingeräumt – besonders in den Tagi-Blättern. Die SRG könne nun «sicher nicht weitermachen, wie bisher», lautet der Tenor der Kommentare auch nach dem klaren Volksentscheid immer noch uneinsichtig.

Ein pfiffiger Tagi-Reporter ortete so schon am Sonntag «in der hübsch gestylten Lounge des Fernsehens» einiges «Sparpotential», pöbelte gegen die klare Siegerin der Ausmarchung: «Leuthard lächelt süffisant.» Spottete über SRF, weil da nicht nur EU-bewusst, weltläufig und zürizentriert über die angesagten Themen berichtet wird. Sondern halt auch über die SP Obwalden, über eine Zahnversicherung im Waadtland und beim Skirennen über eine «Läuferin» (heisst eigentlich hierzulande immer noch Fahrerin …) aus dem Goms oder dem Diemtigtal. Und auch hier wird die Behauptung der Verlierer willig weiter verbreitet: «Abstimmung verloren, die Schlacht geht weiter.» Dies nach einer «hysterisch geführten Debatte». Derlei Hysterie hatten vorab die aus Zürich gesteuerten Tagi-Medien allerdings unvermindert mitgetragen.

Volk trotz NZZ für ein «Staatsfernsehen»

Und sie führen «die Schlacht» gegen das SRF um Reichweiten und Werbegelder hartnäckig weiter. Auch in der NZZ konnte man nach dem wuchtigen Nein «No-Billag ohne Ende» lesen. Wohl eher ein Wunschtraum des Blattes: Dessen Schriftleiter hatte schon früh in der Kampagne gleichermassen unsinnig wie unbeholfen vor der SRG als «Staatsfernsehen» gewarnt. Jetzt, da das Volk mit 72 Prozent Ja gesagt hat zu diesem ach so üblen «Staatsfernsehen», steht auch seine NZZ medienpolitisch eher im Schilf. Und hofft verzweifelt: «Dass der Druck auf die SRG abnehmen wird, ist kaum zu erwarten.» Um dann erneut die ewig gestrigen und frechen SVP-Abbau-Forderungen willig nachzubeten.

Ganz ähnlich auch im Tagi: «Noch weniger Gebühren für die SRG» titelte dieser flächendeckend durchs Mittelland noch zwei Tage nach dem doch klaren Volksentscheid unverdrossen. Und behauptete: «Eine Mehrheit möchte weniger für die SRG bezahlen.» Konkret ging es um eine Art «Umfrage» im Internet, die 16’000 Teilnehmende «ausgefüllt» hätten. Sie habe ergeben, dass 62 Prozent eine Senkung der SRG-Gebühren auf 200 Franken (entspricht zufälligerweise einer Forderung von SVP-Rutz) «bestimmt oder eher» befürworteten. Derlei «Umfragen» hatten indes vor Weihnachten auch schon 56 Prozent Ja für No-Billag und noch kurz vor der Abstimmung bloss 61 Prozent Nein eruieren wollen (während seriöse Erhebungen kaum je unter 60 Prozent Nein und zuletzt dann nur noch 33 Prozent Ja prognostizierten).

Wer ist hier der «Söiniggu»?

Die Sache ist also mit Vorsicht zu geniessen. Nicht zuletzt auch darum, weil der Tagi-Konzern inzwischen in der Zürcher Anti-SRG-Kampagne «ohne Ende» (NZZ) eindeutig ebenso Partei ist wie die SVP. Tamedia hat kurz vor Weihnachten die Firma «Goldbachmedien» übernommen, die bei der Schweiz-spezifischen Werbeakquisition für in die Schweiz einstrahlende ausländische TV-Sender fast eine Monopolstellung hat – und über 500 Millionen Jahresumsatz erzielt. Selbstdarstellung: «Goldbach Media ist die Vermarktungsorganisation der elektronischen Medien TV, Video und Digital out of Home. Zu ihren Services gehören Mediaplanung, Vermarktung, Buchung, Abwicklung und Controlling.»

Diese «Services» erbringt Goldbach auch für RTL II. Und siehe da, Zufall oder nicht: In der selben Ausgabe der Tagi-Zeitungen, die auch die SVP-Forderungen nach weiterer Zurückbindung der SRG erheben, findet sich eine ganze Seite über diesen deutschen TV-Kanal. Der bereichert das Medienangebot auch hierzulande mit so erhebenden Sendungen wie «Frauentausch», wie «Big Brother» oder «Naked Attraction» (gemäss NZZ ein «Genitaldating») und «Die Geissens». Der Bericht räumt ein, RTL II sei «das Schmuddelkind unter den TV-Sendern». Titel des Artikels: «Der Söiniggu».

PS: Die NZZ erwähnt als ähnlich radikales Volksbegehren wie No-Billag die GSoA-Initiative für die Abschaffung der Armee. Sie gab 1989 ebenfalls viel zu reden. Sie wurde mit 64,4 Prozent Nein indes weit weniger wuchtig verworfen als No-Billag. Dennoch fanden die radikalen Initianten von der GSoA danach weit weniger Beachtung als nun die ähnlich extremen – und noch klarer abgeschmetterten – No-Billag-Verfechter. Als es die GSoA zehn Jahre später nochmals versuchte, sagten (bei nur 37 Prozent Stimmbeteiligung) dann nur noch 22 Prozent des Volks ja. Da titelte die NZZ nun aber nicht etwa «GSoA ohne Ende». Man konnte auch nirgends lesen, die Armee müsse jetzt «das Budget kürzen». Dafür hiess es kurz und knapp: «Nur noch Zwängerei».

PS 2: Die hier nicht speziell erwähnte AZ Nordwestschweiz, das Monopolblatt von Baden über Olten bis Solothurn und nördlich bis vor die Tore Basels, hat getreu den Interessen der Privat-Medien mitgespielt. Seitenbreite Headline auf der Front-Seite der Montagausgabe nach der Abstimmung: «Jetzt ist Platz für eine echte Reform der SRG». Die Schere im Kopf der Journalisten – «Was muss ich schreiben, damit es auch meinem Verleger gefällt?» – funktioniert in Zeiten von Personalabbau im Medienbereich bestens. (Red.)


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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Zum Infosperber-Dossier:

SRG_Dossier

Medien: Service public oder Kommerz

Argumente zur Rolle und zur Aufgabe der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG.

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6 Meinungen

  • am 9.03.2018 um 11:20 Uhr
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    Die Kritik an den Verlierern halte ich zum grössten Teil für überaus berechtigt, mit der Einschränkung, dass Sie, Herr Ramseyer, gegen den kleinen Drittel der Stimmenden auch nachtreten. Schade! Wie Sie wissen, ging vielen der Inititativtext zu weit, wäre er hingegen offen formuliert gewesen, wer weiss, wie dann das Resultat ausgesehen hat. Gut, Sie mögen sagen, man solle keiner Statistik glauben, die man nicht selbst gefälscht habe, und Sie haben die Interessenlage der Verleger des Tagi entsprechend dargestellt. Aber ich glaube, Sie irren sich, hier in dieser Weise die gestellten Forderungen deckeln zu können, auch wenn sie weiterhin nassforsch daherkommen. Vor allem wäre es zu begrüssen, dass wir die überaus nötige Diskussion über unsere Medien zu führen, da ihr Gebrauch konstitutiv für unsere politische Form ist. Die Medien und ihr Gebrauch haben sich geändert, diesen Wandel müssen wir als Gesellschaft verhandeln. Hier haben die Medien und insbesondere die Medienkritik versagt, aber gerade darum ist diese Rubrik im Infosperber zu loben, auch wenn man ihr manchmal (ein bisschen) widersprechen muss.

  • am 9.03.2018 um 11:39 Uhr
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    Die Polterei und Hetzerei mit den vielen virtuellen Mistgabeln hat längst ihre Wirkung erziehlt. Wie sonst sollen die dumpfen billigen Inhalte für die Massen sich rechtfertigen? Ich erinnere mich gut genug an die frühere ebenso typisch polternde hetzerische Forderung mit der virtuellen Mistgabel die SRF Medien populistischer zu machen weil die wenigen Nutzer die Gebühren nicht rechtfertigen. Ich will aber keinen billigen abgrund tiefen strotz dummen Populismus und primitivste anspruchslose Massenware sondern ganz einfach anspruchsvoll gefordert werden… Nachrichten, Interviews, Informationen, Debatten, Musik, Theater, Kultur die einen lebenslangen Drang nach Neugierde, Entdecken, Fragenstellen, Antworten, suchen, finden und arrangieren ermöglichen, einfordern… nichts davon lässt sich mit diesen typischen virtuellen Mistgabeln erledigen. Viel erreicht wurde damit aber immer und die letzte Kontrolle über die Inhalte bei SRF wird auch damit noch gelingen, während die anderen dabei zusehen weil man gegen die virtuellen Mistgabeln nichts tun kann.

  • erich_schmid
    am 9.03.2018 um 12:09 Uhr
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    wenn ich solche artikel lese, gilt auch für die von richard aschinger und roman berger, dann denke ich mit der wehmut eines tränensimpels an die hohe journalistische qualität des tages-anzeigers zurück, wo ich mit den genannten (bis 1986) noch dabei sein durfte, und erfreue mich des infosperbers, um sie wiederlesen zu können.

  • am 9.03.2018 um 14:32 Uhr
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    Danke f�r diese brillante Klarstellung. Was noch mehr als die GSOA-Initiative erstaunt, ist wie die z.T. gleichen Uneinsichtigen bei der Masseneinwanderungsinitiative mit einem knapp �ber 50%-Simmenanteil die Schweiz drei Jahre vor sich hertrieben, ohne sich einmal zu fragen, was eigentlich die anderen knapp 50% Alehnenden wollten.
    Zwei Dinge die unsere Demokratie wieder dringend braucht ist Fairness und Ernstnehmen der Andersdenkenden.

  • am 9.03.2018 um 21:33 Uhr
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    ‹Frech› ist ein Ausdruck, der vor allem in der Boulevardpresse gerne verwendet wird. Klatsche hin oder her: die schon vor langer Zeig angekündete Diskussion um den Service Public wird weitergeführt. Das ist gut so, auch wenn einige Leute nun einfach zur Tagesordnung übergehen wollen.

  • am 10.03.2018 um 18:10 Uhr
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    Vielleicht sollten wir uns daran gewöhnen, dass falsche Tatsachenbehauptungen, neudeutsch Fakenews, medial einfach immer weiter verbreitet werden. Der Kampf um die Meinungshoheit, auch so kann man die No-Billag-Auseinandersetzung sehen, wird heute durch die konsequente Wiederholung der immer selben wenigen Argumente in immer neuer Verkleidung gefochten. Man will nicht daran glauben müssen, dass so etwas zum Erfolg wie in den USA führt hierzulande.
    Die 72%, die gegen die Initiative No-Billag gestimmt haben, sind auch als Widerstand gegen die entstandenen Meinungsmonopole zu werten. Einer solchen Haltung vermag auch das (wohl leider nicht) letzte wilde Zucken auf seiten der Verlierer nicht viel anzuhaben.
    Die eindeutige Positionierung der Zürcher Medien, aber auch ihr Aufkaufen und ummanteln vieler anderer kleinerer Häuser, sowie das Geschäften auf allen möglichen Feldern vertikal und horizontal stellt Ihre Ausgewogenheit und Unabhängigkeit doch schon länger in Frage.
    ‹infosperber› füllt diese journalistichen Lücken, danke.

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