Kommentar
Dossier-Kenntnis ist nicht das Ding von Eric Gujer
Eric Gujer schreibt in seinem Kommentar vom 16. Dezember «Die Schweiz braucht keine Staatsmedien», die Masseneinwanderungsinitiative habe gezeigt, «dass das Parlament zu kreativen Lösungen fähig ist». Statt wie die Gegner «Horrorszenarien einer dem Untergang geweihten SRG an die Wand» zu malen, meint er, der Öffentlichkeit so einen medienpolitischen Ausweg anbieten zu können.
Das Problem ist nur, dass der Kommentator vom NZZ-Hochsitz offensichtlich frei von jeder Dossier-Kenntnis daherschreibt. Ein Blick auf die beiden Verfassungstexte zur «Massenzuwanderung» und zur «Anti-Billag» zeigt auf, wie gross der Spielraum bei ersteren war und ist, während bei der zweiten Vorlage jeglicher Spielraum reine Träumerei ist.
Die Masseneinwanderungsinitiative hat durch ihre Widersprüchlichkeit Spielraum beim Inhalt zugelassen und durch die vergleichsweise lange Zeitvorgabe von drei Jahren auch für die Umsetzung. Sie forderte nicht nur Höchstzahlen für die Zuwanderung. Sie verknüpfte diese Forderung mit den gesamtwirtschaftlichen Interessen, und sie machte eine künftige Lösung von Neuverhandlungen abhängig. Da sich Neuverhandlungen mit der EU für die Einführung von Höchstzahlen trotz der Drohung mit einseitiger Schutzklausel nach rund zweijährigem Drängen als definitiv chancenlos erwiesen hatten, fand das Parlament kurz vor Zeitablauf den Ausweg über einen sogenannten Inländervorrang, wie ihn die Initianten in Absatz 3 des Verfassungsartikels gefordert hatten.
«Kreative Lösung»? – Nicht bei «No-Billag»!
Die Vorgaben von «No-Billag» sind hingegen kompromisslos. Das beginnt mit der knappest möglichen Übergangsfrist. In weniger als einem Jahr ist Schluss. Und Schluss heisst gemäss den Absätzen 4 und 5, keine Subventionen mehr für Radio- und Fernsehstationen und keine Empfangsgebühren erheben. Also nichts mehr. «Keine» lässt sich nicht zu einer «kreativen Lösung» von doch irgendetwas umgestalten. Es kann nur das Ende der SRG bedeuten, machen doch die Gebühren – in welcher Form auch immer erhoben – rund drei Viertel der Einkünfte aus. Fast kein Programm mehr, bedeutet aber auch fast keine Werbeeinnahmen mehr. Und im audiovisuellen Bereich in vier Sprachen über den Markt, per Abonnementszahlungen ein qualitativ gutes Programm zu bieten, ist reine Illusion.
Wenn der NZZ-Chefredaktor im Kommentar abschliessend so tut, als ginge es ihm um die Suche nach Kompromissen, so erweist sich das deshalb als reine Augenwischerei. Wer sich mit dem Verfassungstext beschäftigt, dem ist das schnell klar. Das muss den Kommentator aber nicht kümmern. Ereignisse sachgerecht darzustellen, ist gemäss dem geltenden Gesetz die vornehme Aufgabe der Journalistinnen und Journalisten bei Radio und Fernsehen. Von solcher Pflicht fühlt sich der jetzige NZZ-Chefredaktor Eric Gujer offensichtlich entbunden.
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- «Der NZZ-Chefredaktor entblösst sich selbst»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Markus Mugglin arbeitete vor seiner Pensionierung während 25 Jahren für Radio SRF. Er war EU-Korrespondent, UNO-Korrespondent und zuletzt Redaktionsleiter «Echo der Zeit».
Keine «Kreative Lösung» in Sicht? Gemäss Verfassungstext könnte die SRG eine Konzession lösen. Mit einer Reduktion der aktuell 7 TV-Kanäle, 17 Radiosendern, diversen Youtube-Kanälen und vielen Internet-Auftritten können auch die Kosten markant gesenkt werden. Über 300 Millionen an Werbeeinnahmen sind ein rechter Batzen. Davon können Private nur träumen.
Es wäre im übrigen noch interessant zu wissen, ob ein Ja zu No Billag dem Gesamtunternehmen NZZ (jetzt dann auch noch zusammen mit AZ Medien) nicht wirtschaftliche Nachteile statt Vorteile brächte? Wetten, dass Herr Gujer in einer solchen wirtschaftlichen Gesamtperspektive ein Eigengoal geschossen hat…..
@Tim Meier: Wenn Sie glauben, mit einem Rumpfprogramm könne die SRG weiterhin 361 Mio. Franken (wie 2016) einnehmen, sind sie gründlich auf dem Holzweg. Schon mit weniger TV-Programmen sinken logischerweise auch die Werbeeinnahmen. Zudem generieren die Rumpfprogramme mit Sicherheit deutlich weniger Zuschauerzahlen sodass auch die Einschaltpreise für die Werbung entsprechend gesenkt werden müssen. Und womit sollen die Radioprogramme finanziert werden? Sie können es drehen und wenden wie Sie wollen. Ohne Gebührengelder gibt es keine SRG mehr. Aber auch keine Privatradios in Randgebieten und keine regionalen TV-Programme. Details dazu auf https://medienwoche.ch/2017/12/11/wie-no-billag-ein-srg-monopol-schaffen-wuerde/
Wäre Herr Gujer nicht Hüter eines Qualitätsjournalismus vom Format der NZZ, bedürften seine Einlassungen in Form eines sogenannten Leitartikels keinerlei weiterer Diskussion.
So aber fragt man sich, ob er sich selbst oder seinem Blatt einen Gefallen tun wollte. Es ist zu hoffen, dass das noch nicht das Gleiche ist.
‹Er kann Zahlungen zur Ausstrahlung von dringlichen amtlichen Mitteilungen machen.› Das scheint mir eine Möglichkeit für kreative Lösungen zu bieten, oder?
Das wären dann keine Nachrichtensendungen mehr sondern nur noch amtliche Verlautbarungen. In diesem Fall wären die SRG-Programme dann effektiv Staatssender da der Inhalt dann ja direkt vom Staat bestimmt wird. Das scheint mir deshalb alles andere als ein sinnvoller Ausweg zu sein. Zumal es ja nicht nur um «amtliche Mitteilungen» geht sondern auch um Hintergrundinformationen.
@Ueli Kuster: Einverstanden, es ist nicht das Gleiche. Mit etwas Fantasie kann eine amtliche Mitteilung auch den Auftrag für Hintergrundinformation beinhalten. Mir gefallen Leistungsvereinbarungen besser, wie pauschale Gebühren. Das heisst der Besteller bezahlt. (Das wären dann Steuergelder, die immer einen Budgetprozess durchlaufen müssen.) – Kulturförderung via Bundesamt für Kultur födern.
Nach meiner Meinung braucht es für diese Auslegung extrem viel Fantasie. Und sie verstösst derart offensichtlich gegen den Text der Initiative, dass damit wohl nur eines erreicht würde: Eine weiter zunehmende Staatsverdrossenheit nach dem Motto: Die in Bern oben machen ja sowieso, was sie wollen. Dazu möchte ich persönlich jedenfalls nie und nimmer beitragen. Und bitte: Genauso wenig wie Sie Uhrsprung heissen, heisse ich Kuster.