Kommentar
Challenge für Cassis: Eine kohärente Aussenpolitik
Red. «Public Eye», vormals Erklärung von Bern, setzt sich für die weltweite Achtung der Menschenrechte ein. Das beginne bei uns in der Schweiz, mahnen Thomas Braunschweig, Experte für Handelspolitik bei Public Eye, und Matthias Hui von humanrights.ch. Die beiden richten sich an Ignazio Cassis, der am 1. November sein Amt als Aussenminister antritt.
Als «Intellektuellen, der zuhört und die Probleme in ihre Einzelteile zerlegen kann», bezeichnete sich Ignazio Cassis jüngst gegenüber der NZZ. Damit bringt der neue EDA-Vorsteher ausgezeichnete Voraussetzungen mit, um die zentralen aussenpolitischen Herausforderungen anzugehen. Eine davon ist der vom Bundesrat wiederholt proklamierte Anspruch auf Kohärenz. Die Aufgabe ist alles andere als trivial, formuliert die Bundesverfassung doch einen ganzen Strauss von Zielen der Aussenpolitik, darunter den Einsatz für die Wohlfahrt der Schweiz und die Achtung der Menschenrechte. Das damit umrissene Spannungsfeld zwischen Standortförderung und humanitärem Auftrag wird bislang noch nicht einmal als solches anerkannt, geschweige denn systematisch bearbeitet.
In der UNO oder der OSZE setzt sich die offizielle Schweiz zwar aktiv für die Wahrung der universalen Menschenrechte ein. Doch auch nach 25 Jahren auf- und abschwellender Debatte um eine kohärente Aussenpolitik sind, abgesehen von wohlfeilen Lippenbekenntnissen, kaum konkrete Verbesserungen zu verzeichnen. Die Politik tritt an Ort und versteckt sich gerne hinter dem Konkordanzsystem.
Ob Steuer-, Asyl-, Klima-, Gesundheits- oder Rohstoffpolitik: Alle diese Schlüsselbereiche lassen eine klare Ausrichtung an den Menschenrechten häufig vermissen. Zur Bearbeitung der strukturellen Zielkonflikte fehlen die Instrumente, zur Benennung eklatanter Widersprüchen fehlt oft der Mut. Nationale Eigeninteressen kommen immer wieder vor den Menschenrechten und Nachhaltigkeitsprinzipien. Das gilt etwa für Freihandelsabkommen, welche die Schweiz mit Partnerstaaten aushandelt.
Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats erachtet die diesbezügliche Praxis denn auch als «nicht kohärent mit den strategischen Vorgaben des Bundes». Und verlangt in ihrem Bericht vom Juli 2017 «Nachhaltigkeitsstudien im Vorfeld von potenziellen Freihandelsabkommen».
Auch Menschenrechtsorganisationen setzen bei konkreten Instrumenten an. Die kürzlich publizierte NGO-Studie «Wo bleibt die Kohärenz? Menschenrechte und Schweizer Aussenpolitik» schlägt, angelehnt an die bewährten Umweltverträglichkeitsprüfungen, systematische Menschenrechtsverträglichkeitsprüfungen oder Wirkungsanalysen für die zentralen Bereiche des aussenpolitischen Handelns vor. Solche Analysen müssen zum Standardrepertoire des neuen Bundesrats werden.
Um die Kohärenz der Menschenrechtspolitik zwischen den Politikbereichen und Departementen zu verbessern, braucht es ein wirksames Querschnittsorgan in der Verwaltung. Eine interdepartementale Koordinationsstelle für Menschenrechtsfragen soll Zielkonflikte beim Namen nennen und dem Bundesrat Entscheidungsgrundlagen zu deren Bearbeitung liefern. Aussenminister Cassis müsste alles Interesse am Aufbau einer solchen Institution haben, beispielsweise um den offenkundigen Widerspruch zwischen dem erklärten Anspruch, Frieden und Menschenrechte im Ausland zu fördern und dem gleichzeitigen Export von Rüstungsgütern in Konfliktregionen zu bearbeiten.
Kurz: Es mangelt an Transparenz, politischem Dialog und strategischer Planung. Überfällig ist auch ein verstärkter Austausch zwischen Bundesrat und Parlament zu Fragen der menschenrechtlichen Kohärenz. Als guter Zuhörer ist Cassis bestens gerüstet, sich endlich für eine zeitgemässe Transparenz- und Dialogkultur stark zu machen.
Die Nationale Menschenrechtsinstitution, die der Bundesrat ja nun endlich schaffen möchte, soll diese Bemühungen fördern. Im soeben in die Vernehmlassung geschickten Gesetzesentwurf wird aber ausgerechnet die Aussenpolitik davon ausgenommen. Das ist angesichts der wiederholten Absichtserklärungen des Bundesrats, die menschenrechtliche Kohärenz stärken zu wollen, geradezu absurd. Der neue EDA-Chef muss hier dringend korrigieren.
In einer Welt, in der die Menschenrechte massiv unter Druck sind und selbst Staaten, die sich vormals zu deren Verteidigung bekannt hatten, ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen zunehmend ignorieren, ist eine menschenrechtlich glaubwürdige und möglichst widerspruchfreie Aussenpolitik vordringlich. Gerade von einem Kleinstaat wie der Schweiz, der ein vitales Interesse daran haben muss, dass sich die Staatengemeinschaft an internationales Recht hält. Jetzt ist der Moment zum Handeln: Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, für die sich die Schweiz stark engagiert, steht und fällt mit einer kohärenten Gesamtpolitik im Zeichen der Menschenrechte. Der «freundliche Vermittler mit Gerechtigkeitssinn» (Cassis über Cassis) hat hier wichtige Überzeugungsarbeit im Bundesrat zu leisten.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Thomas Braunschweig ist Verantwortlicher Handelspolitik bei Public Eye. Matthias Hui arbeitet für die NGO-Plattform Menschenrechte bei humanrights.ch. Sie sind Co-Autoren der Studie „Wo bleibt die Kohärenz? Menschenrechte und Schweizer Aussenpolitik“ .
Ignazio Cassis müsste eigentlich nur bestehende Verordnungen und Gesetze in Sachen Kriegsmaterialexporten befolgen. Es ist schon seit Jahrzehnten klar verboten Staaten die Kriege führen Kriegsmaterial zu liefern. Es ist auch nicht erlaubt verbotene Waffen zu finanzieren, wie Atombomben, Streubomben und Antipersonenminen, wie das heute mit dem Segen von Bern gemacht wird.
Im Kriegsmaterialgesetz, unter Absatz 2, «Kapitel «Verbotenes Kriegsmaterial» ist festgeschrieben, die «direkte und indirekte Finanzierung der Entwicklung, der Herstellung oder des Erwerbs von verbotenem Kriegsmaterial (ABC-Waffen)» ist klar untersagt. In diesem Gesetz ist nicht davon die Rede, dass als offiziell deklarierte Kernwaffen-Staaten, wie zum Beispiel, China, Russland, USA, Frankreich, Grossbritannien von diesem Finanzierungsverbot ausgenommen sind. https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19960753/index.html)
Klar definiert in der Kriegmaterialverordnung ist auch: «Die Schweiz darf Staaten die Kriege führen kein Kriegsmaterial liefern.» Im Artikel 5 der Kriegmaterialverordnung wird festgehalten: Kriegsmaterialexporte sind verboten», wenn das Bestimmungsland in einem internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist»; http://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19980112/index.htm
Trotzdem werden an die USA, an Nato Staaten, Saudiarabien usw., die immer wieder Kriege führen, Waffen geliefert und Banken, Pensionskassen finanzieren Firmen die Atombomben herstellen.