Kommentar

Sie reden von Deregulieren und regulieren Unsinn

Urs P. Gasche © Peter Mosimann

Urs P. Gasche /  Fast alle sind sich einig: Der vorgeschlagene Verfassungsartikel über Ernährungssicherheit ist überflüssig. Es braucht ihn nicht.

Vor allem SVP, FDP und Wirtschaftsverbände reden vom Deregulieren, vom Streichen eines Gesetzes pro neues Gesetz, vom Entschlacken der Normenflut.
Doch jetzt soll sogar unsere Bundesverfassung mit einem weiteren Artikel ergänzt werden, der absolut für die Katze ist. Bundesrat und Parlament haben diesen Verfassungsartikel entworfen, damit der Bauernverband seine im Jahr 2014 eingereichte «Volksinitiative für Ernährungssicherheit» zurückzieht. Eine SVP-Gruppe hatte diese Initiative unterstützt.

Verfassungsartikel regeln meistens allgemeine Grundsätze, die dann mit Gesetzen oder Verordnungen konkret umgesetzt werden. Doch der Gegenvorschlag eines Verfassungsartikels, der am 24. September zur Abstimmung kommt, ändert an der heutigen Landwirtschafts- und Ernährungspolitik kein Jota.
Weder der Bundesrat noch Partei-Exponenten noch Zeitungs-Kommentare konnten den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern bis heute

  • ein einziges Beispiel eines neuen Gesetzes oder einer neuen Verordnung angeben, die der neue Verfassungsartikel nötig machen würde, oder ohne den vorgeschlagenen Verfassungsartikel nicht möglich wären.

Der bestehende, ausführliche «Art. 104» der Bundesverfassung legt die Grundsätze einer «nachhaltigen und auf den Markt ausgerichteten Produktion» zur «sicheren Versorgung der Bevölkerung» schon zur Genüge fest. Allerdings hat das Parlament diese Grundsätze unter dem Einfluss der Agrarlobby nur ungenügend umgesetzt.

Dazu würde auch der neue, jetzt zur Abstimmung kommende Artikel «Art. 104a» nichts beitragen. Trotzdem wollen Bundesrat, Parlament und Parteien dem Volk diesen zusätzlichen, nutzlosen Verfassungsartikel schmackhaft machen, weil sie damit eine Abstimmung über die ursprüngliche Initiative des Bauernverbands verhindern konnten.
Der Bauernverband hat bei diesem Spiel wohl nur mitgemacht, weil er mit seiner Initiative eine Schlappe befürchtete und sich so elegant aus der Affäre ziehen konnte.

Uns Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern wollten Bundesrat und Parlament nicht zumuten, über die wichtige Frage der Ernährungssicherheit, auch in Krisenzeiten, in einem Abstimmungskampf über die ursprüngliche Initiative des Bauernverbandes zu diskutieren. Die weitgehende Abhängigkeit unserer Versorgung von ausländischen Futtermitteln, Düngemitteln, Pestiziden, Saatgut oder Kükenimporten soll tabu und der Irrglaube unangetastet bleiben, dass noch mehr Subventionen an die Landwirtschaft unsere Ernährungssicherheit erhöhen.
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Was bereits heute in der Bundesverfassung steht:

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

Kuh

Landwirtschaft

Massentierhaltung? Bio? Gentechnisch? Zu teuer? Verarbeitende Industrie? Verbände? Lobbys?

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