Kommentar
Warum die Schweiz höhere AHV-Renten braucht
In der Schweiz kommt am 25. September die «AHVplus-Initiative» zur Abstimmung. Sie verlangt eine Erhöhung der AHV-Renten um 10%, was jährlich etwa 4 Milliarden Franken entspricht. Aktuell beträgt die Einzelrente mindestens 1175 und maximal 2350 Franken pro Monat. Für Paarhaushalte liegt die Obergrenze bei 3525 Franken. Die Initianten führen vor allem zwei Argumente an: Erstens sollen die sinkenden Renten der im Kapitaldeckungsverfahren finanzierten BVG-Renten kompensiert werden. Zweitens gelte es, für die schlechter Verdienenden einen Ausgleich für die steigenden Krankenkassenprämien zu schaffen.
Prinzip der Generationengerechtigkeit
Die Gegenseite schlägt mit dem «demographischen Argument» zurück. Die stark gestiegene Lebenserwartung, zwinge die Aktiven ohnehin, einen immer höheren Anteil ihres Einkommens an die Rentner abzutreten. Eine generelle Rentenerhöhung stelle eine zusätzliche, nicht zumutbare finanzielle Belastung der Generation der Aktiven dar. Dadurch werde auch das Prinzip der «Generationengerechtigkeit» verletzt, denn die heute aktive Generation müsse weit höhere Beiträge schultern als damals die Generation der heutigen Rentner.
Ein weiterer Argumentationsstrang bezieht sich darauf, dass die geltende Finanzierung nicht ausreiche, um nur schon die bereits gemachten Rentenversprechen zu decken. Sie spricht von eine «Pyramidensystem» und von «ungedeckten Checks der AHV zulasten der kommenden Generationen», die sich auf 1000 Milliarden Franken belaufen sollen.
Alle diese Argumente – von links und rechts – sind nicht ganz falsch, zielen aber am Kernproblem vorbei, weil sie die volkswirtschaftlichen Aspekte unterschlagen. Bei jedem Altersvorsorgesystem geht es darum, Kaufkraft von den Jungen auf die Alten zu übertragen. Ohne diesen Transfer kann weder eine Sippengemeinschaft noch eine Marktwirtschaft überleben. Bei dieser kann es nicht nur darum gehen, die minimalen Bedürfnisse der (armen) Rentner zu befriedigen. Der Kaufkrafttransfer von Jung zu Alt dient auch dazu, die Produktionskraft der Volkswirtschaft auszuschöpfen. Gelingt dies nicht, leidet auch die aktive Generation.
Die Rentendiskussion muss somit die aktuelle makroökonomische Lage in Rechnung stellen. Im Falle der Schweiz bedeutet dies Folgendes: Die vorgesehene Rentenerhöhung auferlegt der aktiven Generation insgesamt keine materiellen Einschränkungen. Sie kann zwar weniger sparen, aber erstens sind die damit angehäuften Guthaben eh weitgehend wertlos, und im Gegenzug sinkt das Risiko der Arbeitslosigkeit. Fazit: Die Rentenerhöhung ist zum volkswirtschaftlichen Nulltarif plus Bonus zu haben.
Rentensystem vernichtet Kaufkraft
Die Begründung im Einzelnen: Unser aktuelles Rentensystem vernichtet Kaufkraft. Jährlich zahlen die (jungen und alten) Privathaushalte rund 38 Milliarden mehr ein als sie an Leistungen beziehen. Dazu kommen noch rund 40 Milliarden weitere (überwiegend) steuerlich begünstigte Ersparnisse. Von diesen 78 Milliarden brauchen der Staat und die Unternehmen noch nicht einmal einen Zehntel. Der grosse Rest bleibt als Leistungsbilanzüberschuss beziehungsweise als finanzielle Forderung gegenüber dem Ausland stehen.
In den vergangenen zehn Jahren bis zum ersten Quartal 2016 hat die Schweiz einen kumulierten Leistungsbilanzüberschuss von gut 600 Milliarden Franken erzielt. Der Saldo der Guthaben ist aber bloss um gut 60 Milliarden Franken gestiegen. Für andere Zeitspannen sieht das Ergebnis in etwa gleich aus – der Grossteil der Ersparnisse verrottet. Der Grund ist offensichtlich: Die Schweiz hält ihre Forderungen (notgedrungen) in weichen Währungen, die sich immer wieder mal entwerten.
Diese Zahlen zeigen, dass die Schweiz ein massives Nachfrageproblem hat beziehungsweise unter Überkapazitäten leidet. 2015 hatten wir einen Exportüberschuss von 12,5 BIP-Prozent. Wir produzieren also rund einen Achtel mehr als wir brauchen und haben dennoch etwa 5% Arbeitslose beziehungsweise Stellensuchende. Die weiteren Aussichten sind geprägt von einem drohende Rückgang der Exportüberschüsse (Stichwort: harter Franken) und von einer weiteren Zunahme der Produktivität (Stichworte: künstliche Intelligenz, Roboter, Industrie 2.0) Kurz: Die Schweiz ist dringend auf interne Nachfrage angewiesen.
Rentenerhöhung steigern Rentnerkonsum
So gesehen ist die zur Diskussion stehende Rentenerhöhung (bloss) ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Sie transferiert jährlich etwa 4 Milliarden Franken an die Rentner, die unterdurchschnittlich wenig zur Nachfrage beitragen haben. Gemäss der Haushaltsbudgeterhebung 2009–2011 haben die (aktiven) Paarhaushalte unter 65 im Schnitt 6355 Franken monatlich konsumiert, die entsprechenden Rentnerhaushalte jedoch bloss 5084 Franken oder rund 20% weniger. Das ist zwar aus ökologischer Sicht zu viel – aber bei Weitem nicht genug, um die Schweizer Produktionskapazitäten auszulasten.
Betrachtet man die Rentnerhaushalte nach Einkommen, fällt auf, dass vor allem die beiden untersten Fünftel bloss 3333 beziehungsweise 4309 Franken konsumieren, aber dennoch nicht genug verdienen, um ihre Ausgaben zu decken. 10% mehr AHV würden diesen Haushalten gut 300 Franken monatlich mehr einbringen, reichen aber nicht, um die Finanzierungslücke von 550 beziehungsweise 850 Franken zu stopfen.
Klammer auf: Diese Statistik widerlegt eines der zwei Hauptargumente der Initianten. Die ärmeren Haushalte beziehen nur sehr geringe Pensionskassenrenten, die zudem weit unter dem (weiterhin geschützten) gesetzlichen Obligatorium liegen. Ihre BVG-Renten werden deshalb, wenn überhaupt, kaum sinken. Richtig ist hingegen, dass die Krankenkassenprämien für die ärmeren Rentnerhaushalte eine sehr starke Belastung darstellen. Sie verschlangen beim ärmsten Fünftel schon damals rund einen Viertel des nach Steuern verfügbaren Einkommens. Klammer zu.
Rentenerhöhung zum Nulltarif
Unter dem Strich kann sich die Schweiz eine Erhöhung der AHV-Renten aus volkswirtschaftlicher Sicht zum Nulltarif leisten. Ähnlich wie bei den Negativzinsen fällt dabei auch noch ein kleiner Gewinn ab: So würde etwa die Beschäftigung stabilisiert. Wenn 75% der rund 4 Milliarden zusätzlichen Renten konsumiert werden, ergibt das einen Nachfrageschub von 3 Milliarden, womit mindestens 30’000 Jobs geschaffen würden – die meisten davon in der Schweiz.
Auch die Schweizerische Nationalbank würde profitieren. Sie musste zur Stützung des Frankens bisher überflüssige Auslandsguthaben im Wert von über 600 Milliarden Franken aufkaufen. Jeder Franken, der nicht gespart, sondern zusätzlich ausgegeben wird, entlastet sie. Drittens würde eine höhere AHV-Rente zumindest einen Teil der rund 60’000 Zusatzrenten überflüssig machen. Das ist zwar punkto Nachfrage ein Nullsummenspiel, bringt aber für alle Beteiligten eine willkommene administrative Entlastung.
Dass diese volkswirtschaftlichen Argumente in der Diskussion um das Rentensystem weitgehend ignoriert werden, hängt auch damit zusammen, dass weder die Rechte noch die Linke in der Realität der Überkapazitäten, des Sparüberhangs und der (entsprechenden) Negativzinsen angekommen ist. In dieser Welt reicht es nicht, dass die Rentner – wie das die Linke fordert – anständig über die Runden kommen, es geht darum, dass auch die Rentner einen angemessenen Beitrag zur Nachfrage leisten. Das ist die Vorgabe, nach der das Altersvorsorgesystem und dessen Finanzierung organisiert werden muss. Dass besorgte Finanzpolitiker sowie NZZ-Redaktoren das Pferd am Schwanz aufzäumen, und die Leistungen der Rentenversicherung bloss an die gegebene Finanzierung anpassen wollen, mag zwar politisch «korrekt» sein, ist aber volkswirtschaftlich unbedarft.
Pensionsalter erhöhen statt Renten senken
Doch was ist, wenn der Anteil der Alten weiter wächst, wenn die Kosten der Pflege unvermindert zunehmen, und wenn die Jungen lieber weniger arbeiten, statt sich für die Alten krumm zu legen? Müssen dann die Renten gesenkt werden? Nein, dann ist vielmehr der Zeitpunkt gekommen, das Pensionierungsalter zu erhöhen. Jedes Erwerbsjahr mehr steigert das Produktionspotenzial der Wirtschaft um rund 2% (1 Erwerbsjahr von 45) und senkt die Rentenausgaben um fast 5%. (22 durchschnittliche Rentnerjahre statt 23).
Bei der aktuellen, von Überschüssen geprägten Ausgangslage wäre ein höheres Rentenalter kontraproduktiv. Das kann sich aber schnell ändern. Es steht nirgends geschrieben, dass wir uns bis 65 mit vollem Einsatz müde arbeiten und dann 22 Jahre lang die Hände in den Schoss legen sollen. Intelligenter wäre es, die nötige Erwerbsarbeit über einen Zeitraum zu verteilen, welcher der Lebenswartung entspricht. Dann bleibt vielleicht auch mehr Musse, um Nachwuchs grosszuziehen. Auch diese Diskussion muss irgendwann mal geführt werden.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Zur Webseite des Journalisten und Redaktors Werner Vontobel.
Volkswirtschaftlich sehr interessante Argumente für «AHVplus». Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass die AHV nebst ihrer unmittelbaren Konsumwirkung unschlagbar preisgünstig ist. Zu einer maximalen Ehepaarrente von Fr. 3525 berechtigen im Umlageverfahren bezahlte Beiträge von total Fr. 460’000 (Lohnabgaben + Steuern). Für die gleiche Rentenhöhe in der 2. Säule muss ein Paar mit Lohnabzügen 810’000 Franken ansparen. Höhere Renten sind nötig und in der AHV weit günstiger zu haben als in der Pensionskasse. Das ist auch für Junge entscheidend wichtig und für mittlere und tiefe Einkommen entscheidend. Interessant auch die Tatsache, dass trotz mehr RentnerInnen und indexangepassten Renten die AHV-Lohnabzüge seit 1975 bei 8,4% stabil geblieben, einzig seit 1999 mit 0,8% Mehrwertsteuer etwas gestützt. Die durchschnittlichen 2.-Säulen-Beiträge liegen heute bei 19,7%. Die volkswirtschaftliche Stabilität der AHV zeigt sich auch darin, dass ihr Anteil am BIP bei 5-6% konstant ist. Die dauernde Panikmache von rechts ist falsch. Wir können und sollten uns die überfällige AHV-Rentenerhöhung in jeder Beziehung leisten.
Danke, sehr umfassend gedacht.
Und doch ein Haar in der Suppe: «Bei jedem Altersvorsorgesystem geht es darum, Kaufkraft von den Jungen auf die Alten zu übertragen.»
Dies stimmt nur, weil wir die Altersvorsorge über Lohnabgaben bezahlen (nebst der MwSt).
Weshalb eigentlich die einheimische Produktion belasten und benachteiligen? Das ist ein alter – immer noch erstaunlich gut funktionierender Zopf – bzw. eben eine Sozialversicherung des arbeitenden Volkes (inklusive Unternehmer und ihrer Kundschaft…)
Die Finanzwirtschaft wird nicht eingebunden, weshalb denn immer noch die Unterscheidung von Erwerbs- und Kapitalertrag? Mit einer Finanztransaktionssteuer wäre wohl alles einfach, billiger und gerechter! Zudem würde die virtuelle und inflationswirksame private Geldschöpfung etwas gebremst.
Die Benachteiligung der einheimischen Produktion ist bei der Gewerkschaft noch nicht als Problem erkannt. Meine Gartenstühle aus chinesicher Produktion sind kaum mit Sozialabgaben belastet, wenn ich aber beim ansässigen Schreiner etwas machen lasse, dann enthält der Kaufpreis wesentliche Anteile Sozialabgaben.
Da stimmt doch etwas nicht! Ich finde es eigenartig, dass dies weder die SVP- noch die SP-Exponenten stört (die andern auch nicht… ausgenommen früher einmal die Grünen).
Wenn die erhöhte Kaufkraft in Billig-Importware geht, ist der volkswirtschaftliche Effekt kleiner, als wenn wir uns die einheimische Produktion leisten wollten oder könnten.
Eidg. Volksinitiative „AHVplus“ JA: Über Bundesbeiträge finanzieren!
Die geplante Volksinitiative „AHVplus“ sieht eine um zehn Prozent höhere AHV-Rente vor. Sie kommt zum richtigen Zeitpunkt, müssen doch die Renten aus den Pensionskassen wegen der höheren Lebenserwartung und der geringeren Renditen gesenkt werden. In dieser Situation kann nur die im Umlageverfahren und durch Bundes- und Kantonsbeiträge finanzierte AHV die Ausfälle bei den Pensionskassen kompensieren. Die Finanzierung der zusätzlichen AHV-Leistungen soll ausschliesslich durch Bundesbeiträge finanziert werden. In Frage kommen neben der Mehrwertsteuer zum Beispiel eine Umlagerung des Bundesbudgets, die ganzen Tabaksteuern, eine Kapitalgewinnsteuer oder eine Transaktionssteuer. Auf höhere Arbeitgeber- und Arbeitnehmerabgaben ist zu verzichten.
Nur schon die Aufhebung der steuerlichen Privilege der Dividenden aus der Unternehmenssteuerreform II würde «AHVplus» locker finanzieren. Seit 2011 sind dadurch 1’000 Milliarden (!) der Besteuerung entzogen worden. Wie auch immer: In der Schweiz ist genug Geld vorhanden um die AHV mit «AHVplus» sozialer zu gestalten und dem Verfassungsauftrag «Existenzsicherung» näher zu bringen.
Die AHVplus-Initiative ist nicht verantwortungslos, sondern trägt dem Faktum Rechnung, dass sehr gut verdienende Erwerbstätige wesentlich mehr einzahlen als der Mittelstand und die unteren Einkommensbezüger. Gemäss SKOS (Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe) beträgt das monatliche Existenzminimum einer Einzelperson CHF 2‘600, deren AHV-Maximalrente CHF 2‘350, mit AHVplus CHF 2‘585.
Der Initiativtext AHVplus, BV Art. 197, sagt nichts aus über die Finanzierung. Dem Giesskannen-Prinzip-Vorwurf des Komitees „Nein zur AHV-Initiative“ kann Rechnung getragen werden, indem weder die Lohnprozente für Arbeitgeber und Arbeitnehmer noch die Mehrwertsteuer erhöht werden. So nehmen wir Rücksicht auf die junge Generation bei ihrem Einstieg ins Erwerbsleben und auf die Frauen, die trotz gleichwertiger Arbeit durchschnittlich – immer noch! – weniger verdienen als die Männer, obwohl BV (1981) und Gesetz (1996) dies eindeutig vorschreiben.
Wie finanzieren wir den angemessenen Existenzbedarf laut Bundesverfassung?
Neu: Die Automatisierte Zahlungstransaktionssteuer wird auf dem Zahlungsverkehr Swiss Interbank Clearing (SIC) erhoben.
Gemäss SNB Statistisches Monatsheft August 2015 ist im Juli 2015 ein Zahlungsvolumen von CHF 3 282 699 000 000 ausgewiesen, was einem Jahresvolumen 2015 von mehr als CHF 36 000 000 000 000 entspricht.
I
Fortsetzung: Im Jahr 2015 weist die AHV einen Verlust (ohne Ertrag CHF 20 Mio.) von CHF 578.520.758 aus. Diesen Verlust hätten wir mit der Automatisierten Zahlungstransaktionssteuer von 0,016 Promille decken können. So wird die Giesskanne mit dem Zahlungsverkehr aller juristischen Personen (AG, GmbH, Stiftungen, Vereine usw.) und natürlichen Personen gefüllt, was solidarisch und generationengerecht ist.
Die Heraufsetzung des Rentenalters für Frauen muss an den Grundsatz „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“ gekoppelt werden. Und das Rentenalter 67 ist sehr fragwürdig, solange entlassene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab Alter 55 kaum eine neue, gleichwertige Stelle finden.
Frauen sind im Alter weit stärker als Männer auf die AHV angewiesen. Im Schnitt sind die Renten der Männer um 37%, d. h. CHF 20‘000, höher. Mit der höheren AHV-Altersrente werden 95 % der Bevölkerung ihren Existenzbedarf endlich angemessen decken können, so wie es in unserer BV Art. 112 steht.
Der vom BSV am 3.06.2013 veröffentlichte Handlungsbedarf für die AHV weist für das Jahr 2030 ein voraussichtliches Defizit von CHF 8,9 Mrd. aus, das mit einer erhöhten Automatisierten Zahlungstransaktionssteuer von 0,25 Promille – mit AHVplus 0.275 Promille – gedeckt werden könnte.
Das Umlageverfahren der AHV ist Finanzkrisen-sicher, im Gegensatz zur 2. und 3. Säule. Schon deshalb müssen wir die AHV stärken! Am 25.09.2016 ein JA zur Initiative AHVplus.
AHV-plus – meinetwegen, aber sicher nicht in Prozenten. Dabei käme die Minimalrente mit 10% auf 117.50 mehr im Monat, d.h. 1’292.50, die volle Rente aber mit dem doppelten ‹Aufschlag› von 235.- neu auf 2’585.-. Der Abstand dazwischen würde grösser, und ausserdem käme diese Aufbesserung allen zugute, auch jenen mit hohen Einkommen.
Gescheiter wäre ein Ausbau der Ergänzungsleistungen für jene, die es wirklich nötig haben.
@Stiner
Eine Versicherung ist halt nicht das Gleiche wie Sozialhilfe. Diejenigen, welche AHV bekommen, obwohl sie es nicht nötig haben, haben meist auch schon sehr viel eingezahlt. Also was soll’s? Sozialhilfe- oder EL-Abklärungen sind eh administrativ viel aufwändiger.
Zusätzliche EL decken den angemessenen Existenzbedarf der Notleidenden
Es widerspricht jedem gesunden Rechtsverständnis, dass viele finanziell notleidende Rentnerinnen, Rentner und Bedürftige aus Scham – vor allem in kleinen Gemeinden, wo jeder jeden kennt – keine EL beanspruchen, und dass einige Gemeinden versuchen, ihre notleidenden Mitmenschen durch Kürzungen ihrer EL loszuwerden.
Die EL zur AHV und IV werden aktuell zu 5/8 vom Bund und 3/8 von den Kantonen, d. h. von uns Steuerzahlern, direkt finanziert. Im Jahr 2013 haben Bund und Kantone CHF 4,5 Mrd. (Prämienverbilligungen, Krankheits- und Behinderungskosten, Existenzsicherung, Heim- und Pflegekosten) ausgegeben. Auch hier müssen wir die Finanzierung ändern: Mit der Automatisierten Zahlungstransaktionssteuer kostete uns dies zusätzliche 0,125 Promille.
Bund, finanzschwache Kantone, Gemeinden und wir Steuerzahlerinnen und Steuerzahler werden so entlastet; die anders finanzierten EL zur AHV und IV helfen den Armen, ihren Existenzbedarf angemessen zu decken und so ihr Alter mit mehr Lebensfreude selbstbewusst und selbstverantwortlich zu gestalten.
Der Bund hat mit dem ersten Bundesgesetz über die Stempelabgaben vom 4. Oktober 1917 eine indirekte Steuer (Emissionsabgabe, Ziffer 3), (Umsatzabgabe, Ziffer 4) (Abgabe auf Versicherungsprämien, siehe Ziffer 5), eine Art Zahlungstransaktionssteuer eingeführt.
Im Jahr 2013 betrug der Reinertrag aus den eidgenössischen Stempelabgaben ca. 2,1 Milliarden Franken….
Fortsetzung folgt
Fortsetzung
Mit der neuen Automatisierten Zahlungstransaktionssteuer verlöre den Bund wohl CHF 2,1 Mrd., hätte aber durch den Wegfall seines 5/8 der EL zur AHV und IV einen Minderaufwand von CHF 2,8 Mrd., unter dem Strich auch für den Bund eine Entlastung von CHF 0.7 Mrd. Und noch viel mehr freuten sich die finanzschwachen Kantone und Gemeinden, vor allem auch die Städte Biel und Winterthur.
Zudem: Wenn die Automatisierte Zahlungstransaktionssteuer neu auch auf sämtliche Börsen-Transaktionen ausgedehnt würde, hätten wir weniger Probleme mit dem starken Schweizer Franken und der sog. „Masseneinwanderung“. Die Schweizer Grossbanken verlagern ja jetzt schon Arbeitsplätze ins Ausland.
Fazit: Wer mehr Geld herumschiebt, wird mit dieser indirekten Steuer – geringfügig – mehr belastet und dies zum Wohl unserer Ärmsten wie es in unserer Bundesverfassung steht.
BV Art. 12 Recht auf Hilfe in Notlagen
„Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind.“
Ich bin ja einverstanden dass wir höhere AHV-Renten brauchen und dass diese finanzierbar sind. Was mich stört ist dass die ohnehin tieferen Renten nur um wenig, die vollen aber um doppelt so viel erhöht werden sollen und somit der ‹gap› vom tiefsten zum höchsten Betrag noch grösser wird. Wenn die Renten generell um beispielsweise 150 oder 180 Franken monatlich erhöht würden wäre dies gerechter.
Frau Stiner, ja, der Ausbau der EL ist wichtig, und zwar organisatorisch so wie Zuteilung der AHV-Renten durch die SVA (Sozialversicherungsämter) und nicht mehr wie bis anhin durch die Gemeinden. Wir Bürgerinnen und Bürger haben es ja in der Hand, eine Initiative zu starten, die allen Einwohnerinnen und Einwohnern in der ersten Säule (für mich AHV, IV plus EL) ein menschenwürdiges Leben erlaubt.
und auf die EL verzichtet man nicht weil man sich schämt, sondern weil man keine Lust hat sich füdliblutt auszuziehen. Ja, ich weiss, Abklärung muss sein, aber manches geht zu weit.
Herr Hermann: mein zweiter Kommentar war geschrieben bevor Ihr letzter aufgeschaltet war. Sie haben natürlich recht, eine solche Sozialversicherung (wie es sie in den skandinavischen Ländern seit Jahrzenten gibt) wäre das Richtige.
@stiner und @herrmann: Die AHV wirkt bereits sehr sozial. Sie ist von ihrer Struktur her keine Giesskanne. Die Lohnbeiträge werden unbeschränkt (auch für höchste Löhne und Boni) erhoben, ihre Maximalrente ist aber höchsten die doppelte Minimalrente. Höchste Einkommen zahlen vielmehr als sie an Renten beziehen, hingegen kommen schon mittlere Einkommen (um 6’500 monatlich) auf die Maximalrente. Deshalb trifft «AHVplus» ziemlich genau dort, wo die Renteneinkommen zu tief sind. Vergessen wir nicht: Die AHV ist für 2/3 der über 65jährigen das Haupteinkommen, weil ihre PK-Renten noch tiefer sind. Und die geltenden AHV-Renten von 1175 – 2350 bzw. 3525 (Ehepaare) erfüllen das Verfassungsziel ("Existenzsicherung") nicht. Die EL sollten die Ausnahme bleiben und nicht zur Regel werden. Die gleichen Kreise, die die AHV unter Druck setzen und «AHVplus» bekämpfen, wollen auch die EL senken. Ihr Ausbau ist nicht auf der politischen Agenda. Hingegen besteht mit «AHVplus» jetzt die konkrete Chance, eine soziale, nachhaltige und bezahlbare Rentenverbesserung zu erhalten. Nutzen wir sie!
gut, ich habe verstanden. wer wenig verdient hat und deshalb wenig einzahlen konnte muss sehen, dass er/sie mit einer kleinen AHV-Rente auskommt und noch dankbar sein, dass diese überhaupt aufgebessert wird.
Es geht nicht um Dankbarkeit, sondern darum, dass kleine und mittlere Einkommen auf die AHV-Aufbesserung gemäss «AHVplus» angewiesen sind, nicht nur die Ärmsten. Die ganz Reichen sind bei der AHV einfach kein Problem, belasten die Kasse nicht, sondern sie zahlen vor allem. Das soll auch so bleiben.