Kommentar
Syriens Zukunft: Mit oder ohne Assad?
Spätestens mit der jetzt angelaufenen dritten Runde der Genfer Syrien-Gespräche ist die Illusion endgültig geplatzt, die künftige Rolle von Präsident Assad liesse sich vorläufig aus den diplomatischen Bemühungen ausklammern, um zunächst einmal zumindest die Einigung auf eine Übergangsregierung in Damaskus zu erreichen. Auf diesem Ansatz beruht der von den USA, Russland und anderen äusseren kriegsbeteiligten Staaten entwickelte und vom UNO-Sicherheitsrat abgesegnete Plan für einen Verhandlungs- und Übergangsprozess bis hin zu Parlaments-und Präsidentschaftswahlen Mitte 2017. Doch für die innersyrischen Kriegsgegner ist die künftige Rolle Assads die vorrangig zu klärende Streitfrage. In diesem Punkt sind die Positionen der Parteien unvereinbar und werden es auch bleiben, wenn man ihnen die Klärung alleine überlässt.
Diese Blockade lässt sich nur überwinden, wenn sich zumindest Washington und Moskau – im Idealfall unter Beteiligung von Teheran, Riad und Ankara – auf eine genau definierte gemeinsame Position einigen: Soll Assad mit dem Amtsantritt einer Übergangsregierung in Damaskus noch irgend eine Rolle spielen? Und wenn Ja: welche? Und bis wann? Entscheidend ist, dass diese gemeinsame Position öffentlich kommuniziert und von allen Beteiligten gegenüber ihren jeweiligen innersyrischen Verbündeten durchgesetzt wird.
Geschieht dies nicht, werden die bislang völlig ergebnislosen Genfer Gespräche früher oder später auch offiziell scheitern. Dann droht ein Wiederaufflammen des Krieges an allen Fronten. Und unter noch stärkerer Beteiligung der Türkei, Saudiarabiens und Irans. Im schlimmsten Fall kommt es zu einer direkten militärischen Konfrontation zwischen Riad und Teheran – und damit zu einem vierten Golfkrieg, der die verheerenden Auswirkungen seiner drei Vorgänger von 1980–88, 1991 und 2003 noch übertreffen dürfte.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Andreas Zumach ist spezialisiert auf Völkerrecht, Menschenrechtspolitik, Sicherheitspolitik, Rüstungskontrolle und internationale Organisationen. Er arbeitet am europäischen Hauptsitz der Uno in Genf als Korrespondent für Printmedien, wie beispielsweise die tageszeitung (taz), Die Presse (Wien), die WoZ und das St. Galler Tagblatt, sowie für deutschsprachige Radiostationen und das Schweizer Fernsehen SRF. Bekannt wurde Zumach 2003 als Kritiker des dritten Golfkrieges. Im Jahr 2009 wurde ihm der Göttinger Friedenspreis verliehen.