Kommentar

Düstere Aussichten für Feuerpause in Syrien

Andreas Zumach © zvg

Andreas Zumach /  Kein Konsens zwischen den USA und Russland, der Türkei und Saudiarabien, die den militärischen Konflikt anheizen.

Die Aussichten für eine baldige «Feuerpause» in Syrien und die humanitäre Versorgung der notleidenden Bevölkerung im ganzen Land stehen schlecht, weil die entscheidende Voraussetzung weiterhin nicht erfüllt ist: Auch US-Präsident Barack Obama und sein russischer Amskollege Wladimir Putin konnten sich in einem Telefonat am Sonntag nicht auf diejenigen «terroristischen» Gruppen einigen, die von den Luftstreitkräften beider Staaten auch nach Inkrafttreten einer Feuerpause weiterhin bekämpft werden dürfen. Zudem eskalierten über das Wochenende nicht nur Russland und die syrischen Regierungstruppen, sondern auch die Türkei und Saudiarabien den militärischen Konflikt.

Obama und Putin vereinbarten nach Mitteilung des Kreml lediglich «eine Kooperation über diplomatische Kanäle und andere Strukturen einzuleiten» zur Umsetzung der «Münchner Vereinbarung» vom letzten Freitag. Darin hatten die 17 Mitgliedsstaaten der «Internationalen Unterstützungsgruppe für Syrien» (ISSG) – darunter die USA, Russland, Saudiarabien, Iran, die Türkei und Katar – eine «Reduzierung der Kampfhandlungen bis zu einer Feuerpause spätestens innerhalb einer Woche» beschlossen sowie die «möglichst schnelle ungehinderte humanitäre Versorgung der notleidenden Bevölkerung in allen bislang belagerten oder schwer zugänglichen Städten und Regionen».
Die «Feuerpause» gilt laut der Vereinbaurng allerdings nicht für den «Islamischen Staat» und den syrischen Al-Kaida-Ableger Al-Nusra Front, die weiterhin als «terroristische Gruppen» militärisch bekämpft werden sollen. Russland stuft aber auch die beiden islamistisch-salafistischen Rebellengruppen «Islamische Armee» und «Initiative freier Männer der Levante» als Terroristen ein. Denn sie unterhalten enge ideologische und operative Verbindungen zur Al-Nusra-Front. Sie werden von Saudiarabien und der Türkei unterstützt und auch von den USA und der EU als «legitimer» Teil der Opposition und als Verbündete gegen die Regierung Assad betrachtet.

Kampf um Aleppo eskaliert

Am Wochenende eskalierten die syrischen Regierungstruppen mit Unterstützung russischer Luftangriffe den Versuch, die beiden Rebellengruppen aus ihren letzten Stellungen in der Prozinz Aleppo zu vertreiben. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz stellte der russische Aussenminister Serge Lavrov die russischen Bombardements am Samstag auf eine Ebene mit den Luftangriffen der USA und ihrer Verbündeten gegen den «Islamischen Staat».
Zuvor hatte US-Aussenminister John Kerry zwar erklärt, Washington und Moskau würden sich «auf die Ziele verständigen», die von den Luftstreitkräften beider Staaten auch nach einer Feuerpause noch bekämpft werden sollen. Doch teilte das Pentagon in Washington mit, es werde keinerlei Absprachen zwischen den Militärs beider Länder geben über Ziele von Luftangriffen in Syrien. Nach Informationen aus der US-Delgation bei der Sicherheitskonferenz erbrachte auch das Telefonat zwischen Obama und Putin in dieser für die weitere Entwicklung in Syrien zentralen Streitfrage keine Annäherung.

Der republikanische US-Senator John McCain kritisiete auf der Sicherheitskonferenz die Münchner Vereinbarung vom letzten Freitag scharf, weil sie «nur der russischen Aggression Vorschub» leiste. Russland beorderte unterdessen ein weiteres Kriegsschiff vom Schwarzen Meer in die Unruheregion. Der mit Marschflugkörpern vom Typ «Kalibr» ausgerüstete Raketenkreuzer «Seljony Dol» werde vor der Küste des Bürgerkriegslands vor Anker gehen, meldete die Agentur Ria Nowosti am Samstag. «Die Teilnahme an Kampfhandlungen ist nicht ausgeschlossen», erklärte ein Militärsprecher.

Saudiarabien und Türkei schliessen Bodentruppen nicht aus

Saudi-Arabien bestätigte am Sonntag die Verlegung von Kampflugzeugen die Türkei. Das Königreich habe Kampfflugzeuge zum Nato-Stützpunkt Incirlik nahe der syrischen Grenze geschickt, sagte ein saudischer Brigadegeneral dem arabischen Nachrichtenkanal Al Arabija. Die Massnahme sei Teil des saudischen Plans, den Kampf gegen die Dschihadisten in Syrien zu intensivieren. Um wie viele Maschinen es sich handelt, blieb zunächst unklar.
Auch die Verlegung saudischer Bodentruppen in die Türkei wird in Riad erwogen. Der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu hatte zuvor einen möglichen Bodeneinsatz der Türkei und Saudi-Arabiens gegen den IS in Syrien nicht ausgeschlossen. Die türkische Armee beschoss am Wochenende im Norden Syriens Gebiete unter Kontrolle der kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) mit Artillerie, die in der Nähe der Stadt Aleppo Stellungen islamistischer Rebellengruppen erobert hatten.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

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