Kommentar
Syrienkonferenz: noch gibt’s schwierige Probleme
In New York kommen heute Freitag 18. Dezember die Aussenminister der USA, Russlands, Irans, Saudiarabiens, der Türkei und zwölf weiterer Staaten zusammen, um die Voraussetzungen für einen Waffenstillstand in Syrien und für Verhandlungen zwischen der Regierung Assad und den diversen Oppositionsgruppen zu schaffen. Etwaige Ergebnisse des Treffens sollen möglicherweise gleich anschliessend vom UNO-Sicherheitsrat in eine völkerrechtlich verbindliche Resolution gefaßt werden.
Bei ihrem letzten Treffen Mitte November in Wien hatten sich die 17 Aussenminister auf einen Fahrplan für die Beendigung des Syrienkrieges und den Übergang zu einer Nachkriegsordnung verständigt.
Laut diesem Fahrplan soll möglichst noch bis Ende dieses Monats in Syrien ein «landesweiter» Waffenstillstand in Kraft treten. Danach sollen sich die syrische Regierung und eine «gemeinsame Delegation» der diversen Oppositionsgruppen in Verhandlungen bis spätestens Mitte 2016 auf die Bildung einer Übergangsregierung einigen, die dann den Entwurf für eine neue Verfassung ausarbeiten soll. Spätestens Mitte 2017 sollen dann von der UNO überwachte Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stattfinden.
Bislang ist allerdings nach wie vor die Zusammensetzung der «gemeinsamen Verhandlungsdelegation» der diversen säkularen und islamistischen, bewaffneten und unbewaffneten syrischen Oppositionsgruppen nicht geklärt. Bei einem Treffen von über 100 Oppositionsvertretern in der saudischen Hauptstadt Riad, zu dem die syrischen Kurden auf Wunsch der Türkei erst gar nicht eingeladen worden waren und bei dem Frauen mit unter zehn Prozent völlig unterrepräsentiert waren, konnte sich nicht auf eine gemeinsame Delegation einigen. Parallel dazu trafen sich die ausgeschlossenen Kurden und andere nicht nach Riad eingeladene Bevölkerungsgruppen und erhoben den Anspruch, am Verhandlungstisch mit der Regierung vertreten zu sein. Ob islamistische Oppositionsmilizen mit Beziehungen zur Al-Nusra-Front – dem syrischen Ableger des al-Kaida-Terrornetzwerkes – an der gemeinsamen Oppositionsdelegation beteiligt werden sollen, ist zwischen Rußland und Iran einerseits und Saudiarabien und der Türkei andererseits umstritten. Die Obama-Administration ist in dieser Frage bislang nicht entschieden, weil sie die Al-Nusra-Front als potentiellen Verbündeten bei der Bekämpfung des «Islamischen Staats» (IS) betrachtet.
Bewaffnete Oppositionsgruppen, deren Anspruch auf Beteiligung am künftigen politischen Verhandlungsprozeß mit der Regierung nicht befriedigt wird, werden möglicherweise nicht bereit sein zu einer Waffenstillstandsvereinbarung. Selbst wenn diese zustande kommen sollte, bleibt die große Frage, wie sich der IS dazu verhält. Denn auch nach Inkrafttreten eines «landesweiten Waffenstillstandes» solle der IS, dessen Milizen derzeit noch über 50 Prozent des syrischen Territoriums kontrollieren, «weiterhin bekämpft werden», hatten die Außenminister der USA und Rußlands, John Kerry und Sergej Lawrow, zum Abschluß der Wiener Konferenz Mitte November betont. Vorschläge für die Stationierung einer robusten UNO-Truppe mit dem Auftrag, einen «landesweiten» Waffenstillstand auch gegen den IS durchzusetzen, haben im UNO-Sicherheitsrat keine Chance, weil kein Staat bereit ist, Soldaten für eine solche UNO-Truppe bereit zu stellen.
Weiterhin unklar ist auch, wer für die Regierung Assad am künftigen Verhandlungstisch sitzen soll. Bislang ist öffentlich und auch hinter den diplomatischen Kulissen kein einziger Name eines Vertreters dieser Regierung genannt worden, der auch für die Opposition akzeptabel wäre. Verhandlungen mit Assad lehnen sämtliche Oppositionsgruppen geschlossen ab. Sie fordern zudem, daß der Präsident auch einer künftigen Übergangsregierung nicht mehr angehören darf. Diese Forderung geht den Regierungen Rußlands und Irans zu weit, die Assad aber dazu aufgefordert haben, bei den für Mitte 2017 vorgesehenen Präsidentschaftswahlen nicht mehr zu kandidieren. Das lehnt Assad bislang allerdings noch ab.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Andreas Zumach ist spezialisiert auf Völkerrecht, Menschenrechtspolitik, Sicherheitspolitik, Rüstungskontrolle und internationale Organisationen. Er arbeitet am europäischen Hauptsitz der Uno in Genf als Korrespondent für Printmedien, wie beispielsweise die tageszeitung (taz), Die Presse (Wien), die WoZ und das St. Galler Tagblatt, sowie für deutschsprachige Radiostationen und das Schweizer Fernsehen SRF. Bekannt wurde Zumach 2003 als Kritiker des dritten Golfkrieges. Im Jahr 2009 wurde ihm der Göttinger Friedenspreis verliehen.