Kommentar

Schafft das Erbrecht ab!

Hanspeter Guggenbühl © bm

Hanspeter Guggenbühl /  Die Initiative verlangt 20% Erbschaftssteuer ab zwei Millionen Franken Nachlass. Konsequenter wäre eine 100-prozentige Besteuerung.

Wer arbeitet, erhält Lohn oder Honorar. Ob die einzelnen Personen das Geld wirklich verdienen, das sie beziehen, ist eine andere Frage. Ist es zum Beispiel gerecht, dass eine Verkäuferin, die täglich acht Stunden arbeitet, für ihre Arbeit zehnmal weniger Geld bekommt als ein Bundesrat oder Bankdirektor, die pro Tag ja auch nicht mehr als 16 Stunden schaffen können? Und wie lässt es sich rechtfertigen, dass ein Verwaltungsrat von Nestlé für eine Stunde sitzen zwanzig mal mehr garniert als eine Raumpflegerin für eine Stunde putzen?

Nein, ich plädiere nicht für gleichen Lohn für alle. Leistung soll durchaus belohnt werden. Wenn die fleissigste, gebildetste und geschickteste Arbeitsbiene dreimal mehr Geld erhält als die faulste und ungeschickteste, ist das noch vertretbar. Doch Spitzenlöhne oder Honorare, die um das Zehn- bis Zwanzigfache über den Minimallöhnen liegen, lassen sich mit Fleiss, Bildung und Geschicklichkeit allein niemals rechtfertigen.

Die heutigen Arbeitsgehälter sind also keineswegs leistungsgerecht. Aber immer noch weniger ungerecht als andere Formen von Einkommen. Noch viel grösser sind nämlich die Unterschiede, die durch arbeitsfreie Einkünfte entstehen. So schöpfen die Beisheims, Schmidheinys, Tettamantis oder Blochers ihr riesiges Einkommen vor allem aus ihrem wachsenden Vermögen, sei es in Form von Zinsen, Unternehmens- oder Kapitalgewinnen. Obwohl dieses Vermögenseinkommen noch ungleicher verteilt ist als das Arbeitseinkommen, ist es gleichwohl nicht ganz unverdient. Denn bevor jemand Zins bekommt, muss er oder sie ein Vermögen erst einmal bilden (und wenigstens ein Teil dieser Vermögen entsteht aus gespartem Arbeitseinkommen). Damit jemand steuerfreie Kapitalgewinne kassieren kann, muss er richtig spekulieren, was etwas Geschicklichkeit voraussetzt.

Völlig unverdient aber ist das Einkommen, das aus Vererbung resultiert. Und das ist nicht wenig, wie folgende Überschlagsrechnung zeigt: Das Vermögen der über 65-jährigen Personen beträgt laut Zürcher Steuerstatistik pro Kopf 324’000 Franken. Multipliziert man diese Durchschnittszahl mit den 50’000 über 65-jährigen, die in der Schweiz jährlich sterben, ergibt sich eine Erb-Summe von mehr als 15 Milliarden Franken pro Jahr, die nach dem Zufallsprinzip höchst ungleich verteilt wird.

Damit stellen sich grundsätzliche Fragen: Wie rechtfertigt es eine Gesellschaft, die angeblich der Leistung verpflichtet ist und gleiche Chancen für alle postuliert, dass jedes Jahr eine Summe von 15 Milliarden Franken Leuten zukommt, die dafür keinerlei Leistung erbringen – und die im Gegensatz zum Lottokönig auch keinen Rappen Einsatz riskieren müssen? Wie glaubwürdig ist ein Staat, der seinen defizitären Haushalt mit Sozial- und Lohnabbau saniert, während er mit seinem Erbrecht gleichzeitig einer privilegierten Schicht zu unverdientem (und zum Teil nicht versteuerbarem) Einkommen verhilft. Weshalb gibt es kein Parlamentsmitglied, das wenigstens eine höhere Erbschaftssteuer fordert?

Im Interesse der Chancengleichheit gibt es ohnehin nur eine Konsequenz: Eine hundertprozentige Erbschaftssteuer respektive die Abschaffung des ungerechten Erbrechts.

Bei diesem Text handelte es sich um eine Kolumne, die Hanspeter Guggenbühl im Oktober 1994 schrieb und welche die «Bündner Zeitung» am 19.10.1994 veröffentlichte. Geändert (respektive vervielfacht) hat sich seither nur die Summe der Erbschaften in der Schweiz. Gleich geblieben sind die Verhältnisse und die Argumente dagegen. Darum kann man nichts Neues dazu schreiben, sondern nur die alten Argumente wiederholen.


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22 Meinungen

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 9.06.2015 um 13:20 Uhr
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    Extremistische kommunistische Träume mit dem aggressiven Bedürfnis, anderen ihr Vermögen wegzunehmen, sind in einer freien Gesellschaft nicht verboten und immer noch «gerechter», als zum Beispiel nur Juden zu «arisieren» oder Protestanten zu enteigen. Machiavelli macht jedoch in seinem Standardwerk zur Politik für die tiefere Analyse darauf aufmerksam, dass, wer die Reichen enteignen wolle, konsequenterweise auch bereit sein müsse, diese zu töten, weil allgemein die Erfahrung gelte, dass man sich schon nach einem Jahr vom Tod des Vaters erholt habe, hingegen von einer Enteignung würde man sich lebenslang nie erholen und Enteignete blieben, weil sie nichts mehr zu verlieren hätten, zu allem fähig. Nichts provoziere im Menschen stärkere Hassgefühle als Enterbung. Darum sei es das Beste, Totalenterbte zu töten, wenn man schon keinen Aerger mit ihnen haben wolle und wirklich sicher sein wolle. Dabei ist der Staatsbegriff, der hinter 100% Erbschaftssteuer steckt, totalitär und wohl eine der reinsten Erscheinungsformen von politischem Extremismus. Ich vermute beim sonst durch vernünftiges Denken ausgewiesenen HPG hier eine politisch-psychische Spätfolge von 1968. Unter den besonneneren Vertretern des Kommunismus hat vor allem Deng Hsiao Ping, selber ein Opfer der Kulturrevolution, vor dieser Art Linksextremismus gewarnt. Es wäre vielleicht gut, sich mit dessen politischem Vermächtnis auseinanderzusetzen, wiewohl er mit seinem Demokratiedefizit immer noch totalitär genug war.

  • am 9.06.2015 um 16:54 Uhr
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    Eine (vernünftige) Erbschaftssteuer wäre dringend nötig, auch wenn die aktuell hängige Vorlage voraussichtlich keine Chance hat.

    Eine 100%ige Erbschaftssteuer würde jedoch ziemlich nahe an eine Enteignung aller Bürgerinnen und Bürger kommen. Man müsste dann ja auch alle Schenkungen verbieten, nur schon der Durchsetzbarkeit halber. Man würde quasi den Leuten vorschreiben, was sie mit ihrem Geld tun dürfen, und was nicht.

    Ich glaube nicht, dass solche Extremvorschläge sehr hilfreich sind. Wir sollten uns eher fragen, welche Massnahmen praktisch möglich wären, um ein weiteres Ansteigen der Vermögensungleichheit zu verhindern. Denkbar wäre vielleicht eine Erhöhung der Vermögenssteuern für extrem extrem grosse Vermögen.

    Im übrigen ist es schlicht und einfach eine Tatsache, dass nicht alle Menschen mit den gleichen Startvoraussetzungen auf die Welt kommen. Das wird immer so bleiben, solange nicht alle Menschen überhaupt gleichgeschaltet sind. Eltern versuchen, ihren Kindern einen möglichst guten Start zu ermöglichen, nicht nur in finanzieller Hinsicht. Solange es unterschiedliche Eltern gibt, wird es auch unterschiedliche Startbedingugen geben. Die Politik sollte nicht versuchen, dies zu ändern. Sie sollte versuchen, zu gewährleisten, dass keine Kinder unter ganz schlechten Bedingungen aufwachsen müssen.

  • billo
    am 10.06.2015 um 12:04 Uhr
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    Völlig einverstanden mit der Abschaffung es Erbrechts!
    Ich würde allerdings einen Schritt weiter gehen: Abschaffung des Eigentums an Boden – alle Menschen müssen einen gleichwertigen Zugang zu den Lebensressourcen haben, ein virtuelles Lehen ab Geburt und unverlierbar bis zum Tod.
    Mehr dazu: http://com-parte.net/worum

  • am 10.06.2015 um 17:27 Uhr
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    Danke Hanspeter Guggenbühl. Ich werde auch Ja stimmen. Ich bin auch der Meinung, dass die Initiative durchaus weitergehen könnte. Zu den Angsträumen von Pirmin Meier. Politisch-psychische Spätfolge von 1968? Na, ja, Machiavelli lebte lange vor 1968. Dass er mit dem Gedanken gespielt haben soll, auch die Erben zu töten? Aus seiner Sicht wohl nachvollziehbar. Aber da unterscheiden wir uns Altachtundsechziger von ihm: Wir sind keine Mörder, wir sind auch keine Extremisten. Mörder und Extremisten sind all diejenigen, die es weniger schlimm finden, dass jede Sekunde ein Kind zu Tode kommt, dass mehr als eine Milliarde Menschen an Hunger leiden als dass 99% der Vermögen 1% gehören. Ich finde es ungerecht, dass es Milliarden gibt, die von einem Franken pro Tag leben müssen und andere pro Tag 10’000 oder mehr Franken einsacken.
    Man braucht nicht das Gras wachsen zu hören: Der Kapitalismus wird in absehbarer Zeit zusammenbrechen. Dass man ohne grosse Vermögen menschenwürdig und gut leben konnte, haben die sozialdemokratischen Gesellschaften in den skandinavischen Ländern gezeigt. Man wird sich dort wieder darauf zurückbesinnen … und andernorts zu diesem Modell greifen. Keine linksextremen Träume, das ist einfach vernünftig und anständig.

  • am 10.06.2015 um 18:36 Uhr
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    @Peter Beutler
    Dass das heutige Wirtschaftliche System nicht nachhaltig ist, glaube ich auch. Aber mit so Sprüchen wie «Kapitalismus überwinden» habe ich Mühe.

    Wie definieren Sie überhaupt Kapitalismus?
    Dürfte man nach dessen «Überwindung» noch mit Geld handeln, oder müssten wir zurück zum Tauschgeschäft? Könnte es noch Aktiengesellschaften geben? Privateigentum?

    Der Kommunismus ist ja weiss Gott auch gescheitert. Das heisst aber nicht, dass alle Ideen, die politisch irgendwie links sind, nun auf den Müll geworfen werden müssen.

    Eine differenzierte Kritik an den Auswüchsen des Kapitalismus bringt mehr als fundamentale Verteufelungen. Und wahrscheinlich müssen wir auch einfach akzeptieren, dass es keine Pauschalrezepte für rasches Überwinden des Elendes auf dieser Welt gibt, sondern nur kleine Schrittchen in die richtige Richtung.

  • am 10.06.2015 um 20:26 Uhr
    Permalink

    Herr Heierli, klar doch. Viele hören es nicht gern, wenn man von Überwindung des Kapitalismus spricht. Doch ich habe gar nicht von der Überwindung des Kapitalismus gesprochen. Wenn es nur zu einem Überwinden käme. Das wäre ein sozusagen harmonischer Übergang. Etwa in der Richtung, wie seinerzeit in Schweden, Norwegen und Dänemark eine Umverteilung stattgefunden hatte. Das waren übrigens keine kommunistischen Regimes. Alles ging ganz demokratisch zu und hielt Jahrzehnte. Schauen wir doch mal nach Griechenland. Dort hat eine satte Mehrheit eine Partei gewählt, die dem Kapitalismus ohne Wenn und Aber den Kampf angesagt hat. Ich würde mich schwer täuschen, sollte sie sich trotz allen Panikattacken unserer Mainstreammeinungsmachern nicht durchsetzen. Und den Griechen werden die Spanier und Portugiesen folgen. Durch demokratische Wahlen, nicht durch eine Revolution aber durch ein revolutionäres Programm. Und wer redet schon von Tauschhandel? Die Besiedler der Teppichetagen, denen die Argumente ausgegangen sind und die stattdessen Angstpsychosen zerstäuben. Wer redet vom Abschaffen des Geldes? Die Superkapitalisten und Grosskonzernkontrollierenden. Sie möchten beim nächsten Kollaps die kleinen Vermögen der Mittelständler auf ihre Mühle leiten, um die nächste Finanzkrise zu überstehen. Doch diese Rechnung wird nicht aufgehen.

  • am 10.06.2015 um 21:58 Uhr
    Permalink

    Sie haben nicht von der Überwindung des Kapitalismus gesprochen, sondern vorausgesagt, er werde zusammenbrechen. Als Beispiele für einen harmonischen Übergang zu einer kapitalismusfreien Gesellschaft nennen sie die Skandinavischen Länder. Ich behaupte aber, dort ist der Kapitalismus keineswegs auf dem Rückzug, und schon gar nicht zusammengebrochen!

    Wie die Geschichte mit Griechenland ausgehen wird, wage ich nicht vorauszusagen. Ich glaube aber, dass die Rezepte, die jetzt von der EU-Leitung vorgeschlagen werden, nicht funktionieren können. Und dass die griechische Bevölkerung diese, mit Recht, nicht akzeptieren wird.

    Die Frage bleibt immer noch offen: Was ist mit «Kapitalismus» gemeint?
    Meinen wir damit normale Vorgänge in einer normalen Volkswirtschaft, z.B. dass man (mittels Aktien) Geld in eine Firma investieren kann, und, vorausgesetzt, die Firma floriert, sogar etwas Gewinn macht?
    Oder meinen wir damit die Einstellung, dass nur Geld alleine zählt, und dass man für den finanziellen Gewinn über Leichen gehen darf?

  • am 16.06.2015 um 23:39 Uhr
    Permalink

    Ich wundere mich immer wieder, dass Hanspeter Guggenbühls vernünftige Ueberlegungen auf soviel Widerstand stossen. Wie kann man mit den vielen stossenden Ungerechtigkeiten einverstanden sein?

  • am 23.06.2015 um 15:04 Uhr
    Permalink

    Warum immer wieder solche extreme Ideen ausformulieren ?
    Der Mensch will Wettbewerb, er muss sich messen können und durch Leistung gelingt es ihm am besten.
    Wenn jemand durch eine geniale Idee wie zum Beispiel Bill Gates, M. Zuckerberg oder Apple Gründer Steve Jobs), zu Geld kommt ist das doch gut. Es ist seine Leistung, sein verdienst, sein Einsatz. Er gibt arbeit (und indirekt auch neue Anregungen), an hunderttausende von Leute die davon leben können, was auch für den Staat und eine Gemeinschaft von Wert ist.
    Die „Gehirne bleiben im gang“ (Kommunismus fördert nur die Lethargie im Menschen), man will studieren, sich entwickeln, etwas aufbauen, weiter kommen, etwas verdienen und ja sogar etwas mehr haben als der Nachbar ….
    Wenn einem dann am Schluss nichts mehr bleibt (oder eben den Kindern), dann schläft die ganze Motivation ein.
    Niemanden will dann mehr als das nötige tun. Am Schluss ist dann der „gierige und vorerst mal satte Staat“ auch pleite.

    Hingegen was ich sehnlichst überwunden sehen möchte sind die stille (also ohne Leistung), kapital Gewinne durch blosse Spekulation.
    Diese müssten wir gemeinsam bekämpfen, nicht unnötige Gefechte gegen Windmühlen ansetzen.

  • am 7.07.2015 um 11:47 Uhr
    Permalink

    Ich stimmte nein.

    Das Recht auf Eigentum ist ein Mittel zur halbwegs friedlichen Verteilung der natürlichen Resourcen und der daraus hergestellten Güter, denn alles, aber wirklich alles, was wir konsumieren und besitzen entspringt irgendwelcher natürlichen Ressourcen. Ohne ein allseits anerkanntes Recht auf Eigentum, gälte das Faustrecht: wer schneller mordet, kontrolliert mehr Land (d.h. natürliche Resourcen) und hat letzlich mehr zu essen, bis er selbst ermordet wird. Das Leben wäre für alle sehr viel schlechter. Das erkannten bereits unsere Ahnen. Darum gibt es das Recht auf Eigentum seit vielen tausend Jahren.

    Das Erbrecht ist ein Vertrag, der festlegt, was mit dem Besitz nach dem Ableben des Besitzers geschehen soll. Bei uns ist dieser Vertrag sehr stark geseztlich reglementiert. Aber es ist im Wesentlichen ein zu Lebzeiten des Erblassers vereinbarter Vertrag mit den Erben. Im Kern verfügt der Besitzer durch diesen Erbvertrag über seinen Besitz und zwar während er noch lebt. Er verfügt also per Erbvertrag gleichermassen über seinen Besitz, wie wenn er ihn restlos verprassen würde. Das Eigentumsrecht gibt ihm uneingeschränkte Verfügungsgewalt über seinen Besitz. Darum hat er das Recht ihn zu vererben, dass heisst ihn nach seinem Tod zu verschenken an wenn _er_ will.

    Darum habe ich nein gestimmt.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 7.07.2015 um 14:48 Uhr
    Permalink

    @Reber. Sie müssen sich nicht dafür rechtfertigen, dass Sie so stimmen, wie es der Schweizer Mentalität stets entsprach. A propos Fiskus: Falls Roger Federer am nächsten Sonntag Wimbledon gewinn, bekommt der britische Fiskus die Hälfte, eine weiteres Viertel geht mutmasslich an die Entourage, der Rest bleibt ev. für die Erben, falls Federer weiterhin so seriös lebt wie bisher. Sein Reichtum beruht indes schon jetzt auf der «Marke», die sein Name bedeutet. Auf diesen Markenwert eines guten Rufes ist ein Befürworter der Enteignung noch nie kommen, weswegen dies eigentlich schon jetzt nach Rache schreit. Klar wüsste der Staat viel besser, was mit diesem Geld zu machen wäre als Familie Federer, man könnte zum Beispiel eine Finanzpolitik machen wie die EU. Oder allenfalls auf Niveau Varoufakis politisieren, von dem nicht anzunehmen ist, dass er je für 50 Euro an einem Geldautomaten anstehen muss.

  • am 7.07.2015 um 17:28 Uhr
    Permalink

    @Sonja Reber
    Ein Eigentumsrecht gehört wohl zu jeder funktionierenden menschlichen Gesellschaft. Andererseits ist es aber auch eine Tatsache, dass ein funktionierender Staat vernünftige Einnahmequellen braucht. In einem demokratischen Rechtsstaat kommen meines Erachtens nur gesetzlich klar geregelte Steuern in Frage.
    Aus dem Eigentumsrecht ein Recht auf Nichtbezahlen von Steuern abzuleiten ist nun doch etwas abenteuerlich. Man profitiert ja auch von den Standortvorteilen, den der Staat bietet. Dies trifft nicht nur für die direkten Bezüger von staatlichen Leistungen zu, sondern auch für erfolgreiche Geschäftsleute. In «Failed States» werden bekanntlich nicht tüchtige Geschäftsleute reich, sondern, wenn überhaupt jemand, Warlords und andere Schwerverbrecher.
    Der 100%-Erbschaftssteuer-Vorschlag ist in meinen Augen überrissen und unsinnig. Eine 20%ige Erbschaftssteuer mit 2 Millionen Freibetrag hätte ich jedoch sinnvoll und angemessen gefunden. Die Bevölkerung hat anders entschieden. Das ist zu akzeptieren. Die enorme Propagandawalze der Nein-Seite (Wieviel Geld ist da reingebuttert worden? Von wem?) hat bei mir trotzdem einen schalen Nachgeschmack hinterlassen.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 7.07.2015 um 19:05 Uhr
    Permalink

    @Heierli. Kantonale Regelungen der Erbschaftssteuer, traditionell ein Merkmal von Leibeigenen, sind unbenommen. Natürlich können Sie sich die schon bestehenden Nachfolge und familieninterne Auszahlungsprobleme der KMU-Firmen nicht vorstellen., ich beschrieb oben eine in 18. Generation tätige Pionierfamilie von Aargauer Rebbauern, Grossvater rettete Rebbau im Aargau. Wir haben in der Schweiz eh schon zu wenig Eigentümer. Das «Problem» wird wohl dann gelöst sein, wenn die Schweiz endlich wieder das ist, was der Kanton Zug vor 300 Jahren mal war, nämlich ein armes Land.

  • am 8.07.2015 um 09:23 Uhr
    Permalink

    @Heierli. Ich bin der Meinung, dass Steuern nur dort erhoben werden sollen, wo Geld gegen Ware oder Dienstleistung getauscht wird, als Kommission dafür, dass der Staat Rahmenbedingungen für eine prosperierende Gesellschaft unterhält. Alle anderen Steuern zielen auf das Eigentum ab und stellen in meinen Augen staatlich sanktionierter Diebstahl dar.
    Ich bin überzeugt davon, dass jeder Besitz nicht einem Individuum gehört und schon gar nicht dem Staat, sondern allen seinen Nachfahren. Jede Weide, jeder Wald, jedes Haus und jede Strasse sollen für die nachfolgenden Generationen nutzbar bleiben und sollen darum unterhalten werden. Das ist effizienter, als wenn jede Generation alles neu Aufbauen müsste. Wozu sollte jemand z.B. sein Haus renovieren lassen, wenn es in 10 oder 20 Jahren sowieso enteignet wird? Man würde es verfallen lassen. Enteignungen schwächen also die Infrastruktur und damit die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Landes und sind deswegen abzulehnen. Zudem führen Enteignungen schleichend zu einer immer höher steigenden Staatsquote, bis sowjetische Besitzverhältnisse herrschen. Spätestens dann tendiert die Produktivität des Landes gegen Null. Das kann nicht das Ziel sein.
    Zum Schluss: dass der Staat mehr Geld eintreiben will, ist vielleicht ein Motiv für mehr Steuern, aber ganz bestimmt kein stichhaltiges Argument. Sonst müssten Sie mir Ihr Geld geben, weil ich es haben will.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 8.07.2015 um 09:40 Uhr
    Permalink

    @Reber. Schöne Ausführungen, wenngleich vielleicht ein bisschen idealistisch. Aber als der Globalisierung kritisch eingestellter Schweizerbürger bleibe ich der Überzeugung, dass beispielsweise eine Alp, die seit 1590 von der gleichen Familie bewirtschaftet wird, nicht nur einen ökonomischen, sondern auch einen kulturellen Befund darstellt. Dies fällt mir beispielsweise jeweils am 15. August beim Kapellengottesdienst auf der Alp Brüderen/LU auf, wo 1467 schon Bauer Klaus von Flüe gebetet hat. Allerdings hatten die Eremiten, welche die Alp 1345 bewirtschaftet hatten, von Habsburg Steuerprivilegien erhalten, was bei den einheimischen Bauern für böses Blut sorgte. Insofern also war das Steuer- und Zehntenwesen stets mit gewissen Problemen verbunden.

    Die Republik Bern, das landwirtschaftlich fortschrittlichste Staatswesen in Europa, hat bis 1798 und später nie einen Rappen Schulden gemacht. Die Steuerlast der Untertanen war durchaus massvoll, weswegen dann ebenfalls die schönsten Bauernhöfe Europas dort gebaut werden konnten. Ohne die Verhältnisse im Ancien Régime zu idealisieren (habe darüber kritisches Buch geschrieben), so war das altbernische Niveau der Verwaltung um Welten zivilisierter als es je im Griechenland seit 1824 war. Dafür wurde der bernische Staatsschatz 1798 mit Karrossen nach Paris gekarrt, samt den zur Schlachtung bestimmten Bären. Selbstverständlich wusste Frankreich mit gestohlenem Geld immer etwas Vernünftiges für den Fortschritt der Menschheit anzufangen.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 8.07.2015 um 09:40 Uhr
    Permalink

    @Reber. Schöne Ausführungen, wenngleich vielleicht ein bisschen idealistisch. Aber als der Globalisierung kritisch eingestellter Schweizerbürger bleibe ich der Überzeugung, dass beispielsweise eine Alp, die seit 1590 von der gleichen Familie bewirtschaftet wird, nicht nur einen ökonomischen, sondern auch einen kulturellen Befund darstellt. Dies fällt mir beispielsweise jeweils am 15. August beim Kapellengottesdienst auf der Alp Brüderen/LU auf, wo 1467 schon Bauer Klaus von Flüe gebetet hat. Allerdings hatten die Eremiten, welche die Alp 1345 bewirtschaftet hatten, von Habsburg Steuerprivilegien erhalten, was bei den einheimischen Bauern für böses Blut sorgte. Insofern also war das Steuer- und Zehntenwesen stets mit gewissen Problemen verbunden.

    Die Republik Bern, das landwirtschaftlich fortschrittlichste Staatswesen in Europa, hat bis 1798 und später nie einen Rappen Schulden gemacht. Die Steuerlast der Untertanen war durchaus massvoll, weswegen dann ebenfalls die schönsten Bauernhöfe Europas dort gebaut werden konnten. Ohne die Verhältnisse im Ancien Régime zu idealisieren (habe darüber kritisches Buch geschrieben), so war das altbernische Niveau der Verwaltung um Welten zivilisierter als es je im Griechenland seit 1824 war. Dafür wurde der bernische Staatsschatz 1798 mit Karrossen nach Paris gekarrt, samt den zur Schlachtung bestimmten Bären. Selbstverständlich wusste Frankreich mit gestohlenem Geld immer etwas Vernünftiges für den Fortschritt der Menschheit anzufangen.

  • am 8.07.2015 um 10:30 Uhr
    Permalink

    Mir ist soeben ein Gedankenspiel eingefallen:
    Es gelte 20 % Erbschaftssteuern für alle und das Erbe bleibe jeweils in der Schweiz.
    Dann wird der Staat nach dem Tod meiner Urenkel bereits fast die Hälfte eingesackt haben von dem, was ich vererbt haben werde. Nach zehn Generationen, in ca. 250 Jahren, werden dem Staat ca. 90 % gehören. Fast alles wird dann in Staatsbesitz sein.
    Schlussfolgerung: Erbschaftssteuer ist Enteignung; die Höhe des Steuerfusses bestimmt wie rasch sie passiert.

  • billo
    am 8.07.2015 um 10:42 Uhr
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    Erben ist die eigentliche Enteignung, Frau Reber. 1. Erben benachteiligt alle jene, die arbeiten und Steuern zahlen, aber nie etwas Substanzielles erben werden. 2. Erbschaften an Geld und Gut verstärken in aller Regel die Umverteilung von unten nach oben. 3. Dadurch werden auch die Chancen immer ungleicher verteilt. Wenn das nicht kalte Enteignung ist!

  • am 8.07.2015 um 10:55 Uhr
    Permalink

    Die Vorstellung, dass Güter über viele Generationen immer im Besitz der Familie bleiben muss, ist schon ziemlich aristokratisch geprägt.
    Natürlich findet man immer ein einzelnes, rührendes Beispiel für eine schöne, jahrhunderte alte Tradition.
    Die Schattenseite solcher Erbdynastien werden hingegen gerne verschwiegen. Wenn zum Beispiel Grundbesitz immer bei der gleichen Familie bleibt, heisst das auch, dass Leute, die nicht zum Geldadel gehören, dauerhaft «unten» bleiben.
    Demokratie heisst nicht bloss, dass man alle paar Jahre Wahlen durchführt. In einer lebendigen Demokratie muss auch die Verteilung der Vermögen einigermassen (nicht völlig!) ausgeglichen sein!

    Übrigens: Mit Steuern finanziert der Staat seine laufenden Kosten. Die Vorstellung, dass wegen der Steuern mit der Zeit alles dem Staat gehöre, ist grundsätzlich falsch. Dies würde höchsens eintreffen, wenn die Steuereinnahmen über längere Zeit wesentlich höher wären als die laufenden Ausgaben. Davon sind wir aber meilenweit entfernt, und ich wüsste auch keinen demokratischen Rechtsstaat, der auf diese Weise zum alleinigen Besitzer aller Güter geworden wäre.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 8.07.2015 um 11:16 Uhr
    Permalink

    @Heierli. Sie haben recht, dass wegen Steuern alles dem Staat gehören würde, das ist Unsinn, würde so nicht funktionieren. Die Sache ist verdammt kompliziert, man sollte mit Leuten reden und von denen was lernen, die davon was verstehen, es müssen nicht Uni-Professoren sein, sondern z.B. gute kantonale Finanzdirektoren, die noch den Gesamtüberblick haben oder hatten und nicht nur von Beamten und Experten abhängig waren, im Aargau einst U.Siegrist oder heute R. Brogli. Ich widmete Otti Stich mal ein Buch!

    @Billo Hp. Studer. Der Kommunismus ist für mich eine Weltanschauung wie jede andere, ich lasse Ihnen diese. Ich lasse Ihnen auch die Wahnvorstellung, das Geld anderer Leute gehöre im Prinzip Ihnen. Sie könnten mal irgendwo diese kommunistische Wahnvorstellung abermals ausprobieren, wobei dann allerdings diejenigen, die davon «profitieren», wohl schnell wieder versuchen würden, in den Sozialstaat der kapitalistischen und ausbeuterischen Schweiz auszuwandern.

    PS. Weil ich seit Jahrzehnten über kommunistische Gesprächspartner verfüge, auf einen habe ich die Abdankungsrede gehalten, beteilige ich mich dann und wann ausser bei Infosperber wie Sie sogar am Blog von «vorwärts», lese auch «Neue Wege». Diese Richtung hat aber bei uns nicht mehr Chancen als irgendeine politische Sekte. In Sachen Geld wimmelt es ohnehin von allerlei Visionen und Sekten, wofür ich mich im Prinzip interessiere, etwa in Sachen Silvio Gesell und Schwarz selig, einzelne Ideen sind durchaus bedenkenswert.

  • am 8.07.2015 um 13:29 Uhr
    Permalink

    @Studer: zu 1) ja, die Welt ist ungerecht, aber Erbschaftssteuern ändern das nicht.
    zu 2) Falsch, durch den notwendigen Unterhalt des Besitzes, aber auch durch Luxus, wird Geld von oben nach unten verteilt.
    zu 3) folglich auch falsch. Die Chancen auf Reichtum wird nicht dadurch besser verteilt, dass allen derselbe Teil des Erbes weggenommen wird. Im Gegenteil, es ist derselbe Nachteil für alle.
    Dass es passieren kann, dass die Reichen reicher und die Arme ärmer werden, das hat zwei Gründe:
    1. Zinsen
    2. Geld kann beliebig lange gehortet werden.
    Zinsen bringen nur jenen Profit, welche mehr Zinserträge erwirtschaften, als sie selber Zinsen zahlen müssen (direkt und indirekt). Das sind die Reichen, nicht die Armen.
    Gehortetes Geld lähmt die Wirtschaft. Geld ist ein Tauschmittel, wird es dem Markt entzogen, dann wird weniger getauscht. Ganz besonders wird dann weniger Arbeit gegen Geld getauscht, die Arbeitslosigkeit und Armut nehmen zu.
    Dagegen gab es vor Jahrhunderten zwei äusserst wirksame, aber einfache Mittel. Geld war nur solange gültig, wie der Münzherr lebte. Nach seinem Tod wurden alle Münzen eingezogen und neu geprägt. Keiner hatte Interesse daran Geld zu horten, weil niemand wusste, wann der Münzherr sterben würde. Möglichst alles Geld wurde sofort reinvestiert, die Wirtschaft angekurbelt. In Krisenzeiten wurden zudem die arbeitsfreien heiligen Tage vermehrt (bis zu 2-3 Tagen je Woche), um die Arbeit zu verteilen und so Hungertode zu minimieren.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 8.07.2015 um 14:16 Uhr
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    Womit wir bei der Theorie des Geldes angelangt wären. Diese ist im Rahmen der Zeilenbeschränkung hier und wohl auch aus Kompetenzgründen nicht machbar. Interessant scheint, dass fast alle wichtigen Experten entweder Juden oder Protestanten waren, was vor 100 Jahren bereits Max Weber aufgefallen ist. China hat die kommunistische Theorie des Geldes, wenigstens in den Aussenbeziehungen, auch schon weitgehend preisgegeben.

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