Kommentar
Atomenergie gefährdet neue Energiestrategie
Vier Jahre nach der Atomkatastrophe in Japan ist der politische Wille, die Schweizer Energiepolitik zu wenden, weiterhin intakt. Das belegen die Beschlüsse zur Energiestrategie, die der Nationalrat in den letzten Tagen fällte. In einer Zeit, in der Verhältnisse, Stimmungen und Beschlüsse abrupt wechseln, ist diese Konstanz bemerkenswert und erfreulich.
Eine klare Abfuhr erlitten die grossen Wirtschaftsverbände sowie die Fraktionen FDP und SVP, die eine Abkehr von der fossilen sowie nuklearen Energieproduktion ablehnen und darum durchwegs destruktiv abstimmten. Gebremst wurden aber auch die Linken und Umweltverbände, die eine erneuerbare Energiezukunft schneller ansteuern und dazu auch griffigere Instrumente beantragten. Die Mehrheit im Parlament wandert somit gemächlich auf dem Mittelweg in eine Zukunft, in der die Energie effizienter genutzt und der verbleibende Bedarf vermehrt mit erneuerbaren Energieträgern gedeckt werden soll.
Ob und wann unser Land diese Ziele erreicht, ist aber unsicher. Denn beim Ausstieg aus der Atomenergie spielen Bundesrat und Parlament weiterhin auf – unbefristete – Zeit. Dieses Spiel ist in mehrfacher Hinsicht riskant: Die überalterten Atomreaktoren bilden ein Risiko für die Sicherheit der Gesellschaft. Aber auch ein Risiko für die Wirtschaft. Denn wenn ungewiss ist, wie lange die Atomkraftwerke den verzerrten, von Überkapazitäten geprägten Strommarkt noch fluten dürfen, bleiben Investitionen in erneuerbare Energietechniken ebenfalls riskant. Alle diese Risiken kann und soll der Ständerat mindern, indem er die Laufzeit der alten Atomkraftwerke befristet.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
Der politische Wille, die Schweizer Energiepolitik zu wenden wurde geäussert, aber ist dies auch der Wille des Souveräns? Erst nach der Abstimmung über die Atomkraftwerke wird dieser Wille auch legitimiert sein, es gilt deshalb dieses Volksverdikt abzuwarten! (Es genügt eine Ja- oder Neinmehrheit von 50,2 Prozent.
Es soll nicht vorschnell über ein destruktives Abstimmungsverhalten geurteilt werden!
Die Versorgungssicherheit wäre ohnehin gefährdet, sollte sich der Souverän zu einem Nein bezüglich Atomenergie entschliessen. – Das Leben bleibt mit oder ohne Atomkraftwerke risikobehaftet!
… der Wille des Souveräns….
Der gilt natürlich, deshalb wird ja soviel in die «Meinungsbildung» investiert, deshalb braucht es auch den Infosperber u.a., was die Propagandalawinen der Profiteure leider nicht zu neutralisieren vermag.
Es wird mich nicht wundern, wenn wieder einmal eine Anitatominitiative bachab gehen wird. Es ist schon jetzt klar, dass mit der Angst vor Energiemangel operiert werden wird, Angst vor teurer Energie und Angst vor hohen Ausstiegskosten.
Unser Souverän ist so programmiert, dass die Angst ums Geld prioritär gewichtet wird. Wenn auch die Rechnungen falsch sind, es kommt nur draufan, wer am meisten Angst machen kann.
So war es leider auch bei der Pauschalbesteuerung. Obwohl niemand seriös vorrechnen konnte, dass eine normale Besteuerung der Ausländer zu einer Reduktion des Steueraufkommens führen würde, wurde mit genau diesem Argument die Initiative gebodigt, Rechfertigung vor Gerechtigkeit.
Das heutige Problem der Energieversorgung ist das Überangebot und die dadurch sinkenden Preise. Gleichwohl wird uns jetzt schon Angst gemacht, die Wende sei zu teuer und die Energie zu knapp.
Wichtig ist aber, dass die gefahrvolle Technik vor dem GAU abgestellt wird. Alles andere ist unendlich viel teurer!
@ Beda Düggelin
"Die Versorgungssicherheit wäre ohnehin gefährdet, …."
Dieser Satz wurde in den letzten Jahrzehnten zum Dogma erhoben, und die allermeisten SchweizerInnen glauben daran, oder meinen dafür eine Lösung präsentieren zu müssen.
Dass die Versorgungssicherheit durch die Abschaltung der AKW gefährdet sein soll, ist so unsinnig, wie zu behaupten, dass es einen Mobilitäts-Versorgungsengpass geben würde, wenn eine Automobilfirma, wie z.B. VW, vom Markt verschwinden würde.
Was passierte, im Sinne der Versorgungssicherheit, nach Fukushima und dem Runterfahren von 58 AKW; und dies sogar in einem Inselstaat?
Erst das Abschalten der z.Z. hoch unrentabel betriebenen AKW macht den Weg frei für eine Investitionsoffensive in bessere Stromproduktion und massive Effizienzmassnahmen. Beim Abschalten der Alt-AKW könnten könnten sogar verschiedene Subventionstöpfe verkleinert werden.
@Heini Glauser: Natürlich wäre die Versorgungssicherheit nicht gefährdet, wenn alle ihren Energiehaushalt um 50 Prozent einschränken würden!…. – Ich werde mich in dieser Frage nicht mehr äussern, sie ist mir zu ideologisch und oft wenig fundiert, lassen wir den Souverän sprechen. – Ich will auch niemandem meinen Glauben aufzwingen, es herrscht ja schliesslich Meinungsfreiheit in der Schweiz!
@Düggelin
Was genau empfinden Sie als «ideologisch"?
(sofern Sie sich überhaupt nochmals äussern wollen…)
Die Energie- und Atomdebatte generell als «zu ideologisch» ab zu tun ist mir zu einfach. Natürlich haben wir alle unsere Weltanschauungen. Bei der Atomdebatte wird oft angenommen oder behauptet: «eine sichere und zuverlässige Stromversorgung ist nur dank AKW möglich». Diese Aussage ist falsch, weil wir sehr viele andere Stromproduktionsmöglichkeiten haben. Dies sage ich als Energieingenieur, der seit 30 Jahren in diesem Gebiet arbeitet. Es gibt keine Logik: «AKW = Wohlstand, resp. ohne AKW müssen wir verzichten und sparen». Nichts gegen Effizienz, Suffizienz und bescheidenen Lebensstil; das sind zentrale Voraussetzungen für ein zukunftsträchtiges , gerechtes und zufriedenes Leben. Aber es ist nicht Voraussetzung für eine Energieversorgung ohne AKW.
Neben vielen anderen Stromversorgungsmöglichkeiten ist meine Idealoption, bei Nutzung von Effizienz und Masshalten:
– naturschonender Weiterbetrieb der Wasserkraft, d.h. technische Optimierungen bestehender Kraftwerke, aber keine weiteren Neueinstauungen,
– eine Verpflichtung zur Dacheindeckung mit vollflächigen PV-Solaranlagen bei Neubauten und Dachsanierungen; wer dies nicht will oder kann soll eine Ausnahmebewilligung einholen.
– Heizungsersatz durch Wärmekraftkopplungsanlagen, d.h. Stromproduktion parallel zur Wärmeerzeugung: optimale Ergänzung zu Sonne- und Wasserstrom.
Zur Zeit wird dafür noch Erdgas benötigt, mit der Entwicklung von «Power to Gas» wird im europäischen Gasnetz zunehmend erneuerbares Gas zur Verfügung stehen.