Kommentar

Schlammschlachten um Politik und Wissenschaft

Heinz Moser © zvg

Heinz Moser /  Plagiate, hemdsärmlige Streitereien und problematische Sponsoringmodelle – all das trübt das gegenwärtige Bild der Wissenschaft.

Politiker mit Doktortitel leben gefährlich, seit sie Plagiatsjäger aus dem Internet aufs Korn genommen haben. Eine ganze Reihe von deutschen Politikern haben seither ihre Titel verloren. Besonders prominent sind die Fälle des ehemaligen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg und der Bildungsministerin Annette Schavan.

Doktor weg – und wieder da

Schavan und zu Guttenberg fielen nach dem Plagiatsverdacht gegen ihre Dissertation tief: Ihre Doktortitel wurden aberkannt und damit wurden sie auch als Miinister untragbar. Doch während Guttenberg in der Politik keinen Fuss mehr fasste, wird Schavan jetzt deutsche Botschafterin im Vatikan. Zwar braucht es dazu in aller Regel einen akademischen Abschluss, der ihr nun nach dem Entzug ihres Doktortitels fehlt.

Da kommt es Schavan nicht ungelegen, dass sie gleich wieder einen Doktortitel einheimste – diesmal einen der Universität Lübeck. Dass die Erziehungswissenschaftlerin Schavan jetzt mit einem medizinischen Ehrendoktorhut daherkommt, wirkt allerdings seltsam. Denn sie erhielt diesen Titel nicht für wissenschaftliche Leistungen, sondern als Verdienst um den Erhalt der Universität Lübeck und um die medizinische Forschung in ganz Deutschland. Ein «Gschmäckle», wie die Schwaben sagen, bleibt zurück.

Doch warum tappen Politiker und Politikerinnen so häufig in die Plagiatsfalle? Einmal fällt es vielen schwer, eine politische Karriere mit wissenschaftlichen Arbeit zu vereinen. Zupackendes Politisieren und sorgfältiges Recherchieren für eine Dissertation sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Wenn dann noch die Zeit für den akademischen Abschluss davon läuft, besteht die Gefahr, dass geschludert wird, um sich den Titel zu sichern. Gelangt ein solcher «Fall» aber an die Öffentlichkeit, erhält er grosse mediale Aufmerksamkeit – und mancher Plagiatsjäger sieht sich als kleiner David, der den Goliath erlegte.

Hick-Hack um Mörgelis medizinhistorisches Museum

Doch Plagiatsvorwürfe sind harmlose Spielereien, wenn man sie mit den Vorgängen um die Entlassung von Christoph Mörgeli als Leiter des medizinhistorischen Museums der Universität Zürich vergleicht. Das Hick-Hack zwischen dem SVP-Politiker und der Universität Zürich ist völlig monströs und undurchsichtig geworden: War der Politiker mit der Leitung des Museum überfordert, oder versucht eine Seilschaft von universitären Kritikern einen unbequemen Politiker auf dem Spielfeld der Wissenschaft mundtot zu machen. Jeder Schritt der einen Seite führt bis heute zu Reaktionen von der anderen– ein Schlamassel, dessen Ende auch mit der Neuorganisation des ganzen Bereichs im Rahmen eines einem Zentrums für «Medical Humanities» nicht abzusehen ist.

Minenfeld zwischen Wissenschaft und Politik

Harte Bandagen sind auch bei den Hahnenkämpfen zwischen Ärzten und Apothekern im Spiel, wenn es darum geht, wer über die Abgabe rezeptflichtiger Medikamente bestimmen darf. Die Ärzte bezweifeln, dass die Apotheker dazu genügend ausgebildet sind. Sie drohen bereits mit dem Referendum gegen den Beschluss des Nationalrats, der den Apothekern dies erlauben will.

Um viel Geld geht es auch beim Sponsoring der Wissenschaft durch grosse Konzerne. Da ist die ETH Lausanne gar bereit, den Nahrungsmittelmulti Nestlé bei der Besetzung der beiden von ihm gesponserten Lehrstühle mitbestimmen zu lassen. Wo das Geld lockt, scheint die alte Regel, wonach die Wissenschaft eine freie und unabhängige Republik des Geistes sein soll, nicht mehr zu gelten. Nichts ist dagegen einzuwenden, dass die Wirtschaft Forschung und Wissenschaft fördert; nur an den Tropf der des grossen Geldes sollte sie trotz allem Sponsoring nicht angekettet werden.

Unabhängigkeit von Wissenschaft und Forschung sind nach wie vor Garanten für den Erfolg unserer Hochschulen. – ob es um Plagiatsvorwürfe oder um wirtschaftliche Interessen geht. Gegenüber der Politik haben dies die Universitäten bewiesen, wenn sie sich nicht scheuen, auch die Dissertationen von Politprominenz kritisch zu überprüfen. Umgekehrt aber muss auch die Politik ihre Verantwortung wahrnehmen und die Wissenschaft in die Pflicht nehmen. Wo Sponsoren nicht nur fördern, sondern auch bestimmen wollen, läuft etwas falsch. Und wenn dann zum Schluss alle Grenzen verschwimmen, tut sich ein Minenfeld auf, das wie im Fall des medizinhistorischen Museums alle Beteiligten in einen Strudel von kaum mehr durchschaubaren Ereignissen reisst.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Heinz Moser war Redaktor beim Schweizerischen Beobachter und später Dozent an der Pädagogischen Hochschule Zürich (bis 1/2013) und an der Universität Kassel. Zurzeit leitet er an der PH Zürich ein Nationalfondsprojekt zur Berufswahl mit visuellen Mitteln.

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Eine Meinung zu

  • am 18.05.2014 um 13:30 Uhr
    Permalink

    Schulwissen wird zunehmend überbewertet, die vielen Titel zeigen dies schon äusserlich. Es kommt sehr oft auf die durchlaufenen Lehrgänge an und weniger auf die Leistung.
    Die «Lebensschule» kennt keine Titel, ist deshalb wenig messbar.
    Beides muss mehr verbunden sein. Aus dem aufgenommenen Wissen soll schliesslich etwas neues entstehen können, wozu es eigene Kreativität braucht.
    Fehlt diese Kreativität, ist die Neigung zu Dormatismus und Grabenkämpfen gross.

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