Kommentar

Weil das Geld auf der Strasse liegt

Hanspeter Guggenbühl © bm

Hanspeter Guggenbühl /  Wie ein Staat Milliarden ohne Nutzen verlochen will. Wer’s glaubt, zahlt einen Benzinrappen.

Nehmen wir an: In einer zweigeschossigen Wohnzone will ein Architekt ein vierstöckiges Haus bauen. Im Vertrag werde er den Käufern verbieten, die oberen zwei Geschosse zu betreten, schreibt er in seinem Baugesuch. Erraten! Die Baubehörde wird das Gesuch nicht nur ablehnen, sondern wohl am Verstand des Architekten zweifeln. Ebenso kurios wie dieses fiktive Beispiel im Wohnbau wirkt der reale Antrag des Bundesrates im Strassenbau: Für zwei Milliarden will er eine dritte und vierte Spur durch den Gotthard bohren, aber nur zwei Spuren befahren lassen.

Im Ständerat zweifelte gestern niemand an der Zurechnungsfähigkeit der Regierung. Im Gegenteil: Die Mehrheit folgte dem Antrag des Bundesrates. In Realität verletzt die kleine Parlamentskammer damit die Bundesverfassung, die eine «Erhöhung der Transitstrassen-Kapazität im Alpengebiet» verbietet. Auf dem Papier jedoch trägt sie diesem Verbot Rechnung, indem sie darauf verzichten, diese erhöhte Kapazität auszuschöpfen.

Den Bau von zwei Tunnels, die nur zur Hälfte genutzt werden dürfen, kann sich die Schweiz leisten, weil das Geld hierzulande in Form von Treibstoffsteuern zweckgebunden auf der Strasse liegt. Damit dieses Geld weiterhin für alle Bauwünsche reicht, will der Bundesrat die Spritabgaben demnächst erhöhen. Die automobile Gesellschaft wird diese Mehrkosten möglicherweise schlucken. Kaum denkbar aber ist, dass die gleichen Automobilisten, die mehr zahlen, es künftig akzeptieren, vor einem nur zur Hälfte gefüllten Tunnel im Stau zu stehen. Spätestens ab 2030, wenn alle vier Spuren im Gotthard gebaut und saniert sind, droht darum die Durchlöcherung des Alpenschutzes – sowohl auf dem Papier, als auch in der Realität.


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Eine Meinung zu

  • am 7.10.2014 um 14:06 Uhr
    Permalink

    Der 2. Tunnel ist wichtig und richtig; schon aus Gründen der Verkehrssicherheit, der Umweltbelastung durch Staus und der damit verbundenen Kosten! Ausserdem verstösst dieser keineswegs gegen den Alpenschutzartikel, sondern wird ihm nur gerecht!
    Jeder der sich dagegen stellt gehört wegen in Kaufnahme von Todesopfern und Verletzten wegen Fahrlässig- und/oder Mutwilligkeit / Eventualvorsatz vor Gericht, genau wie die Planer und Erbauer von Autostrassen nach dem «Qualensee» oder Erfahrung aus der Strecke Lyss – Biel. Hier ziele ich vor allem auf den Kanton Zürich wegen der Autostrasse A4a W’thur – Schaffhausen, und der Herabsetzung von Menschenleben wegen der Kosten. Der jetzige Vollausbau kostet um einiges mehr, als wenn gleich zu Anfang eine richtige Autobahn gebaut worden wäre.
    Der Verkehr könnte ja auch nach Fahrzeugkategorie getrennt werden; also PKW und LKW separat in je einer Röhre. Dies wäre keine Kapazitätserhöhung, diente aber dem Verkehrsfluss. Ausserdem gibt es vile zu viele ungeübte Fahrer in Tunnels, auch gerade über 17 km

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