Kommentar

Von der Alpeninitiative lernen

Hanspeter Guggenbühl © bm

Hanspeter Guggenbühl /  Politisch beisst die Alpeninitiative auf Granit. Das lässt sich ändern. Demnächst wieder an der Urne.

Was die Bibel für die Religion, das ist die Bundesverfassung für die Politik: Leitschnur des Handelns. Wer dagegen verstösst, muss zwar keine Sanktionen fürchten, weil es kein (Verfassungs-)Gericht gibt, aber bekommt ein schlechtes Gewissen. Dafür sorgt die berechtigte Kritik am mangelhaften Vollzug, sei es beim Menschen-, Umwelt-, Klima- oder Alpenschutz.

Wenn die Politik nicht hält, was die Verfassung verspricht, liegt das nicht allein am Ungehorsam der Exekutive. Viele Gebote und Verbote widersprechen einander. Auf den Widerspruch von Alpenschutz-Artikel und bilateralem Verkehrsvertrag etwa haben Medien schon Ende der 1990er-Jahre hingewiesen. Trotzdem stimmte das Volk im Jahr 2000 allen bilateralen Verträgen deutlich zu.

Widersprüche gehören nicht nur zur Politik, sie sind auch menschlich. Denn das – unterschiedliche – Sein bestimmt das Bewusstsein. In einem Spitalbett urteilen wir über die Personenfreizügigkeit möglicherweise anders als in einem überfüllten Bus. Und wenn wir immer mehr Güter aus fernen Ländern kaufen, vergessen wir zuweilen, dass dieser Konsumrausch mit Transport verbunden ist.

Wenn Medien auf solche Widersprüche und Gesetzesverstösse hinweisen, tun sie es nicht nur, um Mandatsträgern oder Stimmbürgerinnen ein schlechtes Gewissen einzujagen. Vielmehr geht es darum, die Konflikte sichtbar zu machen. Und daraus zu lernen. Der Konflikt zwischen unerfüllter Alpeninitiative und bilateralem Verkehrsvertrag zum Beispiel lässt sich bei einer noch bevorstehenden Abstimmung auflösen: Mit einem konsequenten Nein zu einer zweiten Strassenröhre durch den Gotthard. Dann stösst der Transit auf der Strasse auf Granit.


Siehe Artikel auf Infosperber: «Warum der Alpenschutz auf Granit beisst»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

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Eine Meinung zu

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 19.02.2014 um 11:09 Uhr
    Permalink

    Bundesverfassung mit Bibel verwechseln ist ein Irrtum, das ist Verfassungsfetischismus oder Verfassungspatriotismus, welcher, wiewohl nicht das Schlechteste, noch nie funktioniert hat. Habe der Verfassung von 1999 wegen dem Trick, es ändere sich überhaupt nichts, nicht zugestimmt und auch, weil im Vorfeld nie über die potentiell erweiterte Normenkontrolle durch das Bundesgericht diskutiert wurde, welche ich zwar nicht grundsätzlich ablehnte, aber eben auf den Tisch gelegt haben wollte. Hätte wegen verschärfter Katholikendiskriminierung wohl auch der Verfassung von 1874 nicht zugestimmt. Die Verfassung ist nicht heilig. Die Schweiz hat die schlechteste aller Verfassungen mit Ausnahme der übrigen Länder, so wie die Demokratie nicht nur bei Platon schlechte Staatsform ist, die schlechteste Staatsform aller Zeiten für Besserwisser, da haben unsere «Fremdschämer» recht.

    Mit diesem Vorbehalt hat Hp. Guggenbühl recht, mit Ausnahme noch der angeblich veränderten Einstellung zur Personenfreizügigkeit im Spitalbett. Die Medizin etwa des nicht ganz unbedeutenden Medizinphilosophen Paracelsus beruhte auf radikaler Kritik des Spitals, ein System, dessen Nachteile noch immer nicht vollständig überwunden sind.

    Für Weiterexistenz der Schweiz möchte ich nicht sterben. Aber vier Monate bis maximal neun Monate weniger lang leben würde ich unterschreiben. Natürlich hängt Weiterexistenz des Landes nicht von PFZ ab. Vernünftige Handhabung derselben ist bloss ein Teil dessen, was CH ausmacht.

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