Kommentar
Der NEBS geht die Luft langsam aus
Es gibt heute in der Schweiz noch drei Organisationen, die den EU-Beitritt offiziell in ihrem Programm haben: Die Sozialdemokratische Partei, die Grünen und die Neue Europäische Bewegung Schweiz (Nebs). Bei der SP hat sich über diesen Programmpunkt längst der realpolitische Mantel des Schweigens gelegt. Bei den Grünen ist es nicht viel anders. Das ist wohl besser so. Denn wer sich einen EU-Beitritt grundsätzlich und unter bestimmten Bedingungen immer noch vorstellen kann und gleichzeitig nicht schweigt, der gerät in Schwierigkeiten. Die Nebs hat bisher nicht geschwiegen. Die europäische Integration auch der Schweiz ist ihr ein Herzensanliegen, und dafür muss sie nun bitter büssen.
Im Begleitbrief zur jüngsten Ausgabe des Nebs-Magazins vom Dezember (Nr. 2/2013) schreibt Christa Markwalder, Nebs-Präsidentin und FDP-Nationalrätin, dass die finanziellen Mittel seit mehreren Jahren stetig zurückgingen und Spenden immer seltener würden. Die Ausgaben seien zwar drastisch reduziert worden, «trotzdem droht uns aufgrund der fehlenden Mittel die Handlungsunfähigkeit.»
Das heisst doch im Klartext: Die Definitionsmacht isolationistischer und nationalkonservativer Provenienz hat sich in fast allen gesellschaftlichen Milieus festgesetzt. Selbst frühere EU-Beitrittsbefürworter wenden sich nun offensichtlich von der Nebs ab. Sie ist praktisch die letzte Institution, die den dringend notwendigen zivilgesellschaftlichen Dialog über das Verhältnis der Schweiz zur EU in Gang zu halten versucht. Beinahe alle politischen und gesellschaftlichen Gruppierungen schrecken vor einer echten, grundsätzlichen und tabufreien Europadebatte zurück, weil sie fürchten, ins Messer der isolationistischen Populisten zu laufen. Diese selbstgewählte Zurückhaltung vieler politischer Akteure ist auch demokratiepolitisch bedenklich. Natürlich wissen alle, dass die grosse Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer derzeit keinen EU-Beitritt will. Aber Demokratie lebt davon, dass man die grundlegenden Zukunftsthemen des Landes offen zu diskutieren wagt. Denn, so viel Prognose sei gewagt, die Beitrittsfrage wird sich früher oder später und in der einen oder anderen Form mit aller Macht wieder stellen.
Doch derzeit lautet das Motto: Defensives Verharren, nur ja keine unnötige Bewegung. Zudem ist man vollauf damit beschäftigt, wenigstens den europapolitischen Totalschaden zu verhindern, der mit der Annahme der anstehenden Volksinitiativen zu Migrationsfragen zu befürchten ist. Der Versuch des Bundesrates, die institutionellen Fragen mit Brüssel zu regeln und die Europapolitik auf eine stabilere Grundlage zu stellen, wirkt in diesem Umfeld fast schon wagemutig. Angesichts der herrschenden Stimmung dürfte es der Bundesrat an der innenpolitischen Front wohl sehr schwer haben. Die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns) wittert jedenfalls bereits Morgenluft und denkt laut darüber nach, die Bilateralen via Volksinitiative frontal anzugreifen.
Umso unverzichtbarer ist eine Organisation wie die Neue Europäische Bewegung. Sie organisiert unter anderem hochkarätige Tagungen, verleiht jährlich den Europapreis und behandelt europapolitische Themen in ihrem Magazin trotz klarer Positionierung differenziert, sachlich, faktenreich und häufig auch witzig. Fairness wird zudem gross geschrieben: In der jüngsten Ausgabe darf auch der Zuger SVP-Nationalrat Thomas Aeschi in einem ganzseitigen Beitrag zur «Masseneinwanderungsinitiative» seiner Partei Stellung nehmen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Was heisst denn schon wieder NEBS, ah, ja, das ist die Abkürzung für Nebensächlichkeit!
Hm, wer definiert denn, was «unverzichtbar» ist und was nicht?
Weder historisch noch in Bezug auf die heutige Realität ist es gerechtfertigt, alle EU-Kritikerinnen in die isolationistische nationalkonservative Ecke zu drängen. Das Volksmehr 1992 gegen den EWR-Vertrag kam nur dank des linksgrünen Widerstandes gegen den EU-Zentralismus zustande. Damals entstand das «Forum für direkte Demokratie» mit der Zeitschrift EUROPA-MAGAZIN als Stimme für ein dezentrales, soziales und ökologisches Europa. «Europamagazin.ch» enthält eine umfassende Dokumentation zu den Entwicklungen in Europa aus EU-kritischer Sicht und ist für jede vertiefte Diskussion unentbehrlich.
Bei Leuten aus dem linksgrünen Spektrum, die während einiger Zeit einem «sakralen Europaeismus» (Jo Lang) huldigten, hat längst die Götterdämmerung stattgefunden. Die Grünen lancieren nächsten eine Initiative für gesunde Lebensmittel, die dem neoliberalen Freihandelskonzept der EU endgültig eine Absage erteilt.
Natürlichen merken auch wir vom Forum, dass mit der schwindenden Aktualität eines EU-Beitrittes unsere Einnahmen zurückgehen. Aber da wir nie, wie die vom Integrationsbüro unterstützte NEBS, mit der grossen Kelle angerichtet haben, kommen wir besser zurecht damit. Und unser Themenspektrum ist breiter, wir stehen in Verbindung zu Basisbewegungen in ganz Europa, die sich dem Aufbau direkt-demokratischer Strukturen widmen.
Luzius Theiler, Vorstandsmitglied Forum für direkte Demokratie
ich bin immer wieder darüber erstaunt wie viele Bürger nicht zur Kenntnis nehmen wollen was uns aus Brüssel droht. Da werden verbriefte Verträge mit Zustimmung der gleichgeschalteten Gerichte ganz einfach gebrochen. Weiter findet eine hervorragend geführte Manipulation zu immer grösserer Machtkonzentration statt, es werden durch die EU-Bürokratie Fakten geschaffen ohne eine demokratische Zustimmung. Alles alternativlos! Die EU-Schwärmer sitzen einer intellektuellen Phantasie auf, die Wirklichkeit ist auf dem Weg zu «1984» und nicht zu einem Europa welches seine Kraft aus der Vielfältigen Geschichte und Kultur schöpft. Ich habe 12 Jahre in der EU gelebt.
Was heisst «NATIONALKONSERVATIV» was «ISOLATIONISTISCH".
Das sind keine Schweizerischen Begriffe. Der erste ist typisch deutsch (Weimar) der zweite typisch für die USA aus derselben Epoche. Nationalkonservative haben im formellen Wahlbündnis mit den NAZIS Hitler an die Macht gebracht.
Wen bezeichnet «NATIONALKONSERVATIVE ISOLATIONISTISCHE KRÄFTE» in der Schweiz.
Das kann man doch einfacher mit «Blocher-SVP» bezeichnen.
Diese Richtung ist aber
– nicht konservativ, sondern fundamentalistisch neoliberal
– nicht national sondern ihre Minister brachten uns in die NATO
– nicht schweizerisch, dieser Parteityp ist pan-EUROPÄISCH verbreitet: (fundamentalistische, xenophobe) populistische radikale Rechte. Der einzige wesentliche Unterschied zwischen diesen Parteien ist, dass die im Osten noch antisemitisch, die westlichen islamophob sind.
Werner T. Meyer
Vom fundamentalistischen Neoliberalismus ist die Landwirtschaft ausgenommen. Der angeblich NATO-freundliche Minister Samuel Schmid wurde aus der Partei ausgeschlossen; auch war Blocher 1970 mit guten Gründen gegen die Schwarzenbachinitiative, hat den Widerstand gegen das Antirassismusgesetz in seiner Partei vor allem aus Israelfreundlichkeit unterbunden und sich selber aus der Minarettgeschichte, die nie seine Idee war, herausgehalten, jedoch deren Propagandawert für die Partei gesehen und nur deswegen zuletzt dafür gestimmt. Ausserdem hat die neueste Initiative betr. Masseneinwanderung wenig mit einer Einschränkung des schweizerischen Arbeitsmarktes zu tun, bringt aber schikanöse Erschwernisse im Asylbereich, könnte das Grenzregime einschränken und wird garantiert Ärger mit der Europäischen Union verursachen.
Wie in Bayern die katholischen Politiker Franz Joseph Strauss (im Vergleich zu Blocher korrupt, aber mit weiterem politischen Horizont, vor allem aussenpolitisch) und Seehofer ist es nicht möglich, den Protestanten Blocher analytisch ohne weiteres in die rechte Ecke einzuordnen. Wie einst für Strauss gilt für Blocher, dass rechts von ihm der Abgrund beginnt. Raffiniert erscheint, dass nach einer ev. Annahme seiner neuesten Initiative für die radikalere grünokologische Ecopop-Initiative die Luft draussen sein wird, so wie für 1 : 12 dank Minders Abzockerinitiative. Deren Regeln haben an der GV einer börsenkotierten Firma (Schaffner Group) gestern erstmals gegriffen.
Ein garstig-linkes Loblieder auf die EU
von Niklaus Ramseyer am 27.01.2014 um 23:00Uhr
In Brüssel haben die EU-Abgeordneten und -Funktionäre umringt von unzähligen Lobbyisten der Grosskonzerne die EU nun derart diskreditiert, dass hierzulande nur noch 17% der Leute meinen, unser Land solle dem «sanften Moloch EU» (Hans Magnus Enzensberger) beitreten. Die Leute sind eben nicht blöd. Wären sie auch in Frankreich nicht, – wenn sie denn abstimmen könnten. Können sie aber nicht mehr, weil sie einmal «falsch» abgestimmt haben (Nein zum EU-Vertrag). Da zeigt sich das arg unterentwickelte Demokratieverständnis der Machthaber in der EU. Auch gegenüber der direktdemokratischen Schweiz, wo nach einem Nein zu einer Vorlage stets der Status quo ante gilt. Nicht so bei Abstimmungen über unser Verhältnis zu Brüssel. Die EU-Funktionäre drohen uns da stets mit ihrer «Guillotine": Wenn Ja, dann ist es gut. Wenn Nein dann künden wir gleich alle Verträge mit Euch! Das wäre etwa so, wie wenn wir über Rentenalter 67 abstimmen könnten – und Bern droht uns : Wenn Ihr Nein sagt, gibt es dann gar keine Renten mehr. Dass die Linke (ausser etwa in Deutschland mit Sara Wagenknecht) das neoliberale Paradies der Finanzspekulanten immer noch verteidigt, das zusehends zur Hölle für entwurzelte Wanderarbeiter wird, ist unverständlich. Für Loblieder auf die EU hat auch die Linke wenig Grund. Gesungen wird da dennoch wacker weiter. Aber es tönt zusehends falsch – ein garstig Lied. Niklaus Ramseyer
Sara Wagenknecht ist im Moment die einzige oppositionelle Stimme in Deutschland mit Aussicht, wenigstens als Fussnote in die Geschichtsbücher einzugehen. Ihr Auftritt erinnert frappant an Rosa Luxemburg, und als Rhetoriklehrer kann ich nur den Hut ziehen, so ich einen hätte. Vergleichbar feurige Rednerin hat es im deutschen Bundestag nie gegeben, wiewohl man, wenn sie die Schweiz erwähnt, dann und wann leer schlucken muss.
Um aber nicht allzu sehr von der Diva zu schwärmen, ist daran zu erinnern, dass die DDR in der Geschichte der Menschheit den krassesten Beweis abgab, dass die Personenfreizügigkeit nicht zu den 250 wichtigsten Prinzipien marxistischer Ethik gehört. Da ist der Katholizismus klar internationaler, wobei hier zu sagen ist, dass die vier kapitalistischen Grundsätze der Europäischen Union es aus katholisch-päpstlicher Sicht gewiss nicht mit den Zehn Geboten aufnehmen, vielleicht etwa so wichtig sind wie das vor bald 50 Jahren gelockerte Fleischverbot am Freitag, worüber sich mein Vater, ein frommer Metzgermeister, freute.
Das Zinsverbot und damit der historische Kompromiss zwischen Katholizismus und Kapitalismus wurde von dem am Martinstag 1417 gewählten römisch-kapitalistischen Papst Odo Colonna alias Martin V. gelockert. Diese Reform war wichtiger als Lockerung des Zölibates, womit Attraktivität des Priestertums für Homosexuelle sinken würde. Letztere schätzen freies Reisen überdurchschnittlich.
PS: Dissidente wie Ramseyer entscheiden Abstimmung v. 9.2.!
"Dissident"? Wovon denn «abweichend, abfallend"? Vom dümmlichen, linksfreisinnig-rechtssozialdemokratischen Credo «Öffnung und Fortschritt» (letzteres natürlich ohne Ernst Blochs «Differenzierung")? Oder vom rechten (in jedem Sinn) Glauben an die selig machende EU? Und überhaupt: Woher wollen Sie denn wissen, ob und wie ich abstimme?
Zudem: Von einem «Rhetoriklehrer", der Frau Wagenknecht schon nach zwei Sätzen die DDR um den Kopf schlägt und sie als «Diva» apostrophiert, statt auch nur ein einziges sachliches Argument für seine EU gegen sie vorzubringen, kann niemand viel Brauchbares lernen.
Aber diese Frage da könnten Sie doch wenigstens beantworten: Wer hat denn mehr vom «freien Personenverkehr"? Eine alleinstehende Mutter weiland in der DDR, die doch immerhin bis nach Sotchi(!) in die Ferien fahren konnte (A)? Oder aber ein katholisch erzogenes Strassenkind im nunmehr kapitalistischen Bukarest, das in einer Mülltonne statt Essensabfällen vom Luxushotel hinter dem Stacheldrahtzaun nur einen Reiseprospekt der Emirate Airlines mitsamt Flugplan und Preisliste findet (B)?
Und bitte nicht lang «rhetorisch» liiire! Nur einfach A oder B schreiben. Merci. N.R.
PS: Ja, ja: Das Kind hat je nach «Marktlage» jederzeit die «Freiheit» sich einem reichen Kinderschänder-Touristen auszuliefern, der es «personenfreizügig» auf eine Reise mitnimmt. Das könnte ich als Antwort dann aber leider nicht gelten lassen….
Lieber Ramseyer!
Mässigen Sie sich, das Wort «Dissident» war aus meiner Sicht als Kompliment gemeint, so wie ich Rudolf H. Strahm für einen achtbaren, gut informierten und sich jeweils differenziert äussernden Dissidenten halte, welcher seine Leute mehr zur Weissglut bringt als Blocher. Und was heisst die «DDR um den Kopf schlagen?» Zu meinen Interessengebieten gehört der mutige Konrad Fahrner, hatte zu DDR-Zeiten Kontakt mit dortigen Paracelsus-Forschern und dem St. Benno Verlag Leipzig, also der katholischen Szene. Aber natürlich wurde die Personenfreizügigkeit in der DDR etwas unterbewertet, war ein Privileg z.B. des Nomenklatura- Ehepaars Hirsch-Schuder, mit welchem ich in Salzburg u. Bad Ragaz mich über Militarismus in der DDR stritt.
Sara Wagenknecht: Dass sie die PFZ kritisiert und sich für die arbeitslosen Lehrlinge in der DDR einsetzt, und zwar rhetorisch einmalig, hat meinen vollen Respekt, leider nicht mehr Guttenberg, von dem ich Verwandte aus christlichem Widerstand noch gekannt habe. Diva: andere Ossis sind halt meist graue Mäuse.
Es ist mein voller Ernst nicht als Rhetoriklehrer, sondern als Logiklehrer: Wenn die totale Nichtpersonenfreizügigkeit der DDR, Sotchi hin oder her, falsch war, dann ist nach dem logischen Quadrat das Gegenteil des Falschen, nämlich die totale Personenfreizügigkeit in der EU, nicht automatisch richtig, sondern das Gegenteil des Falschen kann auch falsch sein. Ist nachzuschlagen in einem vorzüglichen «Lexikon Logik» aus der exDDR.
Korrektur: Sara Wagenknecht setzt sich im Bundestag nicht für die arbeitslosen Lehrlinge in der DDR ein, sondern für diejenigen in den neuen deutschen Bundesländern sowie natürlich für alle anderen.