Kommentar
Ohne Piffpaffpuff
Da tun Mitglieder der Zürcher Sittenpolizei, was sie nicht tun sollten – und siehe da: Es gibt einfach keinen Skandal. Also nicht dass mich das störte: Die Vorstellung vom «Schmier im Puff» ist natürlich hübsch, aber darüber hat man recht bald fertig geschmunzelt. Dachte ich jedenfalls. Aber ich hatte nicht bedacht, wie hart es für jene meiner KollegInnen, die von den fetten Schlagzeilen und den Hunderten von Klicks leben, sein muss, wenn noch ein paar andere so denken wie ich…
Vor allem aber hätte ich nicht damit gerechnet, dass offensichtlich auch jene grosse Mühe mit dem «verpatzten Skandal» haben, die für sogenannte Qualitätszeitungen schreiben wie beispielsweise die NZZ. Deren Kommentator Thomas Ribi konnte es am vergangenen Samstag kaum glauben, dass noch niemand den Kopf des fürs Polizeidepartement zuständigen AL-Stadtrats gefordert hat – obwohl der doch der NZZ schon vor seiner Wahl ein Dorn im Auge war… Nein, das schrieb er natürlich nicht. Dafür behauptete er allen Ernstes, es sei nur alles so ruhig, weil Richard Wolff halt ein Linker sei. Ein bürgerlicher Polizeivorstand könnte «in der gleichen Situation kaum so ruhig vor sich hin arbeiten wie Richard Wolff». Aber immerhin besteht offenbar doch noch Hoffnung: «Ein Funke genügt, und der Korruptionsfall wird zum Flächenbrand. Für Richard Wolff ist das ein Prüfstein.» So, so. Da sind wir ja mal gespannt. Wobei, bis sich dieser «Flächenbrand» konkret manifestiert, hätte man auch mal kurz beschreiben können, was man bis jetzt gesehen hat: Einen Polizeivorsteher, der ganz einfach richtig reagiert hat und dabei gut rübergekommen ist. Aber das würde die NZZ wahrscheinlich nur einem Bürgerlichen attestieren…
Beim ‹Tagi› war die Kommunikation zwar ein Thema, aber auch hier schien zwischen den Zeilen vor allem der Ärger über den mangelnden Skandal durch – inklusive darüber, dass es noch nicht mal Kommunikationsmängel oder -pannen zu vermelden gibt. Der Hauptvorwurf im Kommentar von Edgar Schuler vom vergangenen Samstag lautete denn auch folgerichtig, bis jetzt hätten alle bloss «gut kommuniziert». Damit hätten sie der Bevölkerung «Beruhigungstropfen» verabreicht. Dabei wolle man doch vom Kommandanten und von seinem politischen Vorgesetzten den Willen «spüren», der Sache «wirklich auf den Grund zu gehen». Ob man diesen Willen tatsächlich eher spürte, wenn die beiden schlecht kommuniziert – also beispielsweise erst mal alles abgestritten hätten?
Aber es stimmt natürlich schon: Es ist zum Verzweifeln. Leute, die einfach in Ruhe ihre ‹Büez› machen, sprich, der Sache auf den Grund gehen und dann wieder informieren wollen, sind sowas von langweilig… Und vor allem: Es läuft auch sonst gar nichts mehr! Auch die Sonntagszeitungen gaben alles – und fanden heraus, dass sich einige Mitarbeiter der «Sitte» am Oktoberfest auf dem Bauschänzli Sauerkraut und Bier vom «Milieu» hätten zahlen lassen (unterdessen sind elf Leute involviert, wie die NZZ vom Mittwoch empört meldete, und bezahlt habe eine Brauerei…). Sie entdeckten auch noch eine Verbindung zum Restaurant Schweizerdegen. Was angesichts der räumlichen Nähe und dem «Groove» dieses Lokals natürlich total überrascht… Und dann fanden sie noch den einen oder andern im Milieu, der sich immer schon gewundert hat, wie das Chilli’s wohl an die nötigen Bewilligungen gekommen ist (aber die hat ihm, ganz einfach, das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Herrn Sauter erteilt…) Tja, und das war’s dann. Keine weiteren heissen News, sorry. Schlimmer gehts nimmer, wenn man von den fetten Lettern lebt. Nur: Wen interessiert das ausser den fette-Lettern-ProduzentInnen?
Wichtig ist doch, wenn schon, dass die Sache ausgekommen ist und dass die Verdächtigten in Untersuchungshaft sitzen. Dass die Affäre nicht bloss durch Hinweise von aussen, sondern auch aufgrund von internen Kontrollen ans Licht kam, ist zudem beruhigend: Offensichtlich sind bei der Stadtpolizei nicht nur Kontrollorgane institutionalisiert, sondern sogar solche, die funktionieren… Ob sich wohl alle Abteilungen aller Departemente der Stadtverwaltung derart glücklich schätzen können? Wie auch immer: Was gut klappt, braucht sicher keine Verbesserung. Das gilt übrigens noch für ein weiteres Thema. Im Personalrecht der Stadtverwaltung heisst es in Art. 79: «Angestellte dürfen keine Geschenke oder andere Vergünstigungen, die im Zusammenhang mit ihrer dienstlichen Stellung stehen oder stehen könnten, für sich oder für andere annehmen oder sich versprechen lassen. Ausgenommen sind Höflichkeitsgeschenke von geringem Wert.» Die StadtpolizistInnen sind städtische Angestellte, womit das Personalrecht auch für sie gilt – da können gewisse Medien noch so lautstark einen «Ethikkodex» fordern, den man nun subito einführen müsse. Dass umgekehrt auch PolizistInnen nur Menschen sind bzw. auch Polizisten nur Männer, ist erstens keine News und zweitens etwas, wogegen naturgemäss kein Kraut gewachsen ist – auch keine Ethikkodex-Chrüütlimischung.
Damit bleibt es dabei: Die Polizei im Puff ist sicher kein Ruhmesblatt für die «Sitte». Es versteht sich von selbst, dass der Fall genau untersucht werden muss. Sollten die Untersuchungen weitere Verfehlungen und/oder weitere Verdächtige ans Licht bringen, dann ist auch diesen nachzugehen. Danach folgen wie üblich Anklage, Gerichtsverfahren et cetera, und erst dann weiss man auch, ob die Beschuldigten an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können oder nicht. Das alles dauert seine Zeit. Derweil geht das Leben weiter, auch das Arbeitsleben der StadtpolizistInnen. Ob der Kommandant das in der Sendung ’10 vor 10′ tatsächlich nicht hätte sagen dürfen, wie es im ‹Tagi›-Kommentar heisst? Wahrscheinlich hätte es ganz viel geändert, wenn er es nicht gesagt hätte: Das Arbeitsleben der StadtpolizistInnen wäre weitergegangen…
Bleibt nur noch zu hoffen, dass die Skandal-JournalistInnen bald neues Futter kriegen: Kann nicht bitte jemand einen klammheimlich abgeschafften Parkplatz aufspüren? Dann braucht er oder sie bloss noch die IG Pelikan zu informieren – und schon haben wir wieder zehn Jahre Skandal. Garantiert!
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Der Kommentar erschien zuerst in: P.S., die linke Zürcher Zeitung.