Kommentar
Eine «Bergier»-Kommission für Zwangsversorgte
Der Entwurf für ein Gesetz zur Rehabilitierung administrativ Versorgter sieht eine Art Bergier-Kommission zur Sozialhilfepolitik der Schweiz von 1940 bis 1981 vor. Das Parlament hat das Gesetz zur Rehabillitierung administrativ Versorgter in die Vernehmlassung geschickt (läuft bis 22. Februar 2013). Das Gesetz wurde mit 17 zu 5 Stimmen von der Rechtskommission verabschiedet. Auf Distanz ging die SVP. Das Gesetz ist ein grosser Schritt vorwärts:
• Es spricht von Rehabilitierung statt nur von Anerkennung von Unrecht und springt damit über den formaljuristischen Schatten (Der Begriff der Rehabilitierung ist für die Aufhebung von Urteilen reserviert. Hier fehlen aber gerade Gerichtsentscheide. Das ist gerade das Problem).
• Es sieht eine Historikerkommission à la Bergier-Kommission vor – und nicht bloss ein weiteres Programm des Nationalfonds. Das ist – wenn es durchkommt – eine ziemliche Sensation! Denn so erhält die Untersuchung der Sozialpolitik der Schweiz mit ihren dunklen Seiten der fürsorgischen Zwangsmassnahmen das nötige Gewicht und hat eine Chance, ins kollektive Bewusstsein der Schweizer Eingang zu finden. Danach müssten die Erkenntnisse aber auch in der Dauerausstellung des Landesmuseum und in den Schulbüchern Aufnahme finden.
Negativ am Entwurf ist, dass das eigentliche Unrecht verniedlicht wird, indem das Parlament den damaligen Behörden einen Persilschein ausstellt – dabei haben sich die damaligen Vormundschaftsbehörden zwar (teilweise) ans schwammig formulierte Gesetz gehalten, aber aus heutiger Sicht Kerngehaltsverletzungen von Grundrechten begangen. Das sind qualifizierte Rechtsverletzungen. Das kommt im Entwurf leider nirgends zum Ausdruck.
Wichtig ist, dass die Kantone nicht davon abgehalten werden, finanzielle Wiedergutmachungen, die Einrichtung einer Anlaufstelle oder einen Härtefallfonds weiter zu prüfen. Die Konferenz der Kantone und die Sozialdirektorenkonferenz haben auf diesem nötigen Weg bereits ermutigende Schritte getan.
——–
Diese Beitrag stammt von Dominique Strebels Blog
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Der Jurist und Journalist Dominique Strebel beobachtet, wie Polizistinnen, Staatsanwälte, Gutachterinnen, Rechtsanwälte und Richterinnen das Recht anwenden - und obenstehend, wie der Gesetzgeber legiferiert.
Warum werden überhaupt Menschen zwangs-versorgt…?
Kein Mensch ist überflüssig…! Das liegt nur am System, pure System-Idiotie…!
"Negativ am Entwurf ist, dass das eigentliche Unrecht verniedlicht wird, indem das Parlament den damaligen Behörden einen Persilschein ausstellt…»
ja, eben!
Und wie ist die Motivation der Entscheidungsträger, aus der Vergangenheit für die Gegenwart zu lernen? Die Ungerechtigkeiten gehen leider weiter, nicht gleich wie damals, aber auch wieder unethisch und wieder im dürftigen Kontext des oberflächlichen Zeitgeistes.
Danke für Ihren Artikel, Dominique Strebel. Sie erwähnen das Negative am Vernehmlassungsentwurf, indem es aufzeigt, dass ehemalige, verantwortliche Behörden mit einem Persilschein ausgestattet werden.
Ausserdem fehlt im Entwurf etwas Wesentliches: Administrativ Versorgte kamen zum Teil nie mehr auf die Füsse, wurden krank, kriminell oder unschuldig in eine solche Rolle gestopft. Im Entwurf müssten auch heute Verwahrte, die früher Opfer waren, beachtet, rehabilitiert und entschädigt werden, denn sie sind heute noch Opfer von früher.
Wo kann man sich anmelden bin selber in Heimen aufgewachsen ralwas65@gmail.com
Lieber Herr Waser! Ich habe vom Infosperber Ihre Anfrage bekommen.
Ich schicke Ihnen einige Websites auf Ihre Mailadresse.
Freundliche Grüsse Ursula Herzig