Kommentar

Pro-Senectute-Direktor irrlichtert durch die AHV

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Jürg Lehmann /  Reiche Rentner könnten auf ihre AHV verzichten, so der Pro-Senectute-Chef Werner Schärer. Das ist eine riskante Aussage.

Was ist in den Direktor der Pro Senectute gefahren? In einem sommerlichen Interview mit der «NZZ am Sonntag» plaudert Werner Schärer über die Alten in der Schweiz und deren Einkommensverhältnisse. Dann sagt er, Vermögende könnten «heute schon auf die AHV verzichten», wenn sie möchten.

Das Blatt macht auf der Frontseite daraus eine «Forderung» Schärers, was sie nicht ist; aber dafür gelangt die Äusserung schnell in eine aufgeregte mediale Umlaufbahn, womit die NZZaS erreicht hat, was sie ja sicher auch will – eine hohe Quote als zitierte Quelle.

AHV-Beiträge lösen Rechtsanspruch aus

Man darf gerne wieder einmal in in Erinnerung rufen: Wer AHV-Beiträge einzahlt, erwirbt dafür im Gegenzug ein Rentenrecht. Will jemand seine Rente beziehen, muss er oder sie den Anspruch allerdings rechtzeitig vor der Pensionierung anmelden. Wer sich nicht anmeldet, kriegt keine Rente. So einfach ist das.

Man kann die Rente auch einfordern und anschliessend damit machen, was man will. Man könnte die monatlich maximal ausbezahlten 2320 Franken also zum Beispiel der Pro Senectute spenden. Vielleicht meint Werner Schärer das, vielleicht nicht. Man weiss es nicht genau, so wie er sich durch das sozialpolitische Minenfeld bewegt.

Denn: Der Pro Senectute-Mann ist nicht der erste, der sich mit einem grossmütigen AHV-Satz zu profilieren sucht. Novartis-Präsident Daniel Vasella sagte im Oktober 2010 zur «Schweizer Illustrierte» nämlich: «Ich könnte mir vorstellen, dass wohlhabende Leute zur Entlastung der AHV auf eine Rente verzichten.» Vasella sass damals erst seit kurzem im Vorstandsausschuss des mächtigen Wirtschaftsverbandes Economiesuisse und man vermutete, er habe die Botschaft mit dessen Rückendeckung bewusst platziert.

Grundregeln kämen ins Wanken

Dazu man muss wissen: Wenn ein Handvoll Reicher auf die AHV verzichtet, ist das nicht der Rede wert. Wenn aber die reichsten 10 oder 20 Prozent die AHV-Rente nicht wollen, verändert sich die Konzeption des Sozialwerks. Das Geniale ist doch: Nach oben sind die AHV-pflichtigen Einkommen nicht begrenzt, die Renten sind es aber schon. Der AHV-Rentenverzicht der Wohlhabenden würde die Solidarität unterminieren, weil dieser Verzicht früher oder später als politischer Hebel für Beitrags-Grenzen benutzt würde.

Wollen wir das? Möglicherweise stellt man sich bei Pro Senectute inzwischen diese Frage nach dem sonntäglichen Interview auch.


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