Kommentar

NZZ-Verrirrung über «verzerrten Wettbewerb»

Urs P. Gasche © Peter Mosimann

upg /  Der Flugverkehr ist hoch subventioniert und führt zu unsinnigen Produktionsstandorten und Transporten. Doch es stört die NZZ nicht.

Stattdessen wettert NZZ-Verkehrsexperte und Wirtschaftsredaktor Werner Enz dagegen, dass die EU für Flüge seit diesem Jahr eine Emissionsabgabe verlangt. Mit diesem «Schnellschuss» treffe die EU «das eigene Bein».
Von Schnellschuss kann keine Rede sein, musste doch die EU die Abgabe gegen eine starke Lobby bis zum EU-Gerichtshof verteidigen.
Besonders scharf kritisiert Enz, dass die Höhe der Abgabe von der Länge der Flugstrecke abhängt: «Dieser Konstruktionsfehler sticht ins Auge.» Denn, so der NZZ-Wirtschaftsredaktor, «wer das Pech hat, weit entfernt vom ‹Zentrum der Welt› zu leben, zahlt eine höhere Steuer».
Da drängt sich die Frage auf, ob dieser Mann noch nie etwas vom Verursacherprinzip gehört hat. Man stelle sich vor, die EU würde für Kurzstrecken die gleich hohe Gebühr verlangen wie für Langstrecken, die bedeutend mehr CO2-Emissionen verursachen.
Doch selbst ohne diesen angeblichen «Konstruktionsfehler» wäre die CO2-Abgabe dem NZZ-Verkehrsexperten nicht genehm, denn sie «belastet Fluggesellschaften und ihre Kunden auf dem alten Kontinent über Gebühr», so dass ein «verzerrter Wettbewerb zulasten der europäischen Luftfahrt» entstehe.

Diesen Satz muss man sich dreimal im Mund zergehen lassen. Denn kein Transportmittel ist dermassen hoch subventioniert wie der Flugverkehr: Kein Rappen Steuern auf dem Flugbenzin, keine Mehrwertsteuer auf den Flugtickets, Milliardensubventionen für den Bau von Airbus- oder Boeing-Flugzeugen, zinsgünstige oder zinslose Darlehen an Flughäfen usw. usw.
«Über Gebühr» werden nur die Steuerzahler und Lärmopfer belastet.
Müsste der Flugverkehr für alle Kosten selber aufkommen, würden Produktionsstandorte nicht mehr im gleichen Ausmass in alle Welt verlagert und die regionale Produktion würde nicht mehr unter diesem tatsächlich verzerrten Wettbewerb leiden.
Kommt dazu, dass Transporte und Reisen in der Luft – pro Passagier- und Frachtkilometer – noch stärker zum Klimawandel beitragen als der Strassenverkehr.
Wer im Namen eines Wettbewerbs mit gleichen Spiessen nach «weniger Staat» ruft wie häufig die NZZ, muss sich konsequenterweise für das Herunterfahren der Subventionen an die Wirtschaft einsetzen und sozialisierte Kosten wie CO2-Emissionen mit Abgaben in die Preise integrieren.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

Dsenflugzeug

Flugverkehr

Freiheit für die einen, Klimakiller und Lärmbelästiger für andere. Auf jeden Fall ist er hoch subventioniert.

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2 Meinungen

  • am 8.02.2012 um 12:26 Uhr
    Permalink

    Cool. Dann werden die Ticketpreise massiv angehoben für Kurzstrecken und wir fahren wieder wie zu meinen Grosselternzeiten per Bus oder Zug oder heute eben per Privatwagen nach Paris zum Sonntagsbrunch.

  • am 19.02.2012 um 22:10 Uhr
    Permalink

    Tja, Herr Bischof, den Sonntagsbrunch in Paris sollte man sich sowieso besser ganz abspecken. Egal mit welcher Transportbüchse auch immer. Das ist so etwa ähnlich schräg wie das Weihnachtsshopping in New York.

    Tatsache ist, dass wir mit unseren fliegenden und fahrenden Kisten in immer grössere energetische Engpässe geraten werden. Da sind die bizzeli «Wettbewerbsverzerrung» (ja hoffentlich!) erst der Anfang.

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