Kommentar

Sind sie noch zu retten?

Erich Schmid © zvg

Erich Schmid /  Reminiszenzen zu Marcel Ospel, dem Blocher-Clan, Jean-Christoph Ammann, Ernst Mühlemann, Max Bill und der Basler Zeitung.

Geht es Ihnen auch so, dass es Ereignisse gibt, die wie eine offene Rechnung im Gedächtnis kleben bleiben, unmöglich sie richtig einzuordnen, und dann kommt plötzlich der Tag, an dem alles aufgeht?

«Art Banking» war angesagt. Die UBS hatte ins Beyeler Museum eingeladen, nach Riehen, wo sie ihre Kunstsammlung zeigte. Bei einem Empfang dozierte Professor Jean-Christophe Ammann, ein bekannter Ausstellungsmacher, über das Verhältnis der Grossbank zur Kunst: «Die UBS, meine Damen und Herren, betreibt Kunstförderung mit Ankäufen in drei Stufen: auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene. Da gibt es natürlich unterschiedliche Qualitäten. So gelangen auf regionaler Ebene viele Kunstwerke in unseren Besitz, die eigentlich wertlos sind. Diese Werke hängen wir dann in die Büros der Angestellten, denn die haben ja sowieso keine Ahnung von Kunst.» – Unter den Gästen waren zahlreiche UBS-Angestellte. Ammann legte eine Kunstpause ein. Aber statt Gelächter folgte eine Schweigeminute gegenüber der Arroganz der Macht.

Ich weiss nicht mehr, weshalb ich dieser Einladung gefolgt war, und es ist auch schon eine Weile her. Aber so viel an Überheblichkeit hätte ich nach den antiautoritären Aufständen der vergangenen Jahrzehnte nie mehr erwartet. Jean-Christoph Ammann war immerhin in den bewegten Jahren von 1967 und 1968 Mitarbeiter von Harald Szeemann gewesen, dann Direktor der Kunsthalle Basel, Universitätsprofessor in Frankfurt und Heidelberg und und und. Wie konnte dieser Mann der hohen Künste die kleinen Leute bloss so verachten? Natürlich musste in dieser Biographie ein Bruch stattgefunden haben, als er die Kunst nicht mehr ausstellte, sondern zur UBS ging, um sie zum Objekt der Anlagespekulation zu machen. Aber der faustische Pakt erklärte wohl noch nicht den ganzen Zynismus. So etwas kommt nicht von ungefähr, dachte ich, da musste in der Chefetage eine entsprechende Sprache gepflegt worden sein.
Erst dieser Tage dämmerte mir, wer dort die Sprache diktiert hatte: Karl Schweizer, Rechtsanwalt und einstiger Direktor des UBS-Art Banking, Major der Schweizerarmee, erfolgloser SVP-Nationalrat, Einwohnerrat von Riehen und Präsident des Comité 2000, einer Basler Schnitzelbankvereinigung, die sich von der althergebrachten Schnitzelbankgesellschaft abgespalten hatte, um dafür sorgen, dass sich die Verse der Basler Fasnacht seiner Sprachregelung anpassen. Ob das Comité 2000 nur das Übungsfeld für ein ganz anderes Manöver war? Karl Schweizers Name tauchte nämlich plötzlich als Mitglied des ominösen Jassklubs von Marcel Ospel auf, der wie ein schlechter Schnitzelbankwitz den neuen Verwaltungsrat der Basler Zeitung stellt, die Tettamanti vom Blocherclan wieder zurückgekauft hatte.

Es war kurz vor seinem Tod gewesen, als mich das langjährige Direktionsmitglied der UBS, Ernst Mühlemann, angerufen hatte, als wollte er mich noch rechtzeitig vor einem grossen Unheil warnen. Er hatte meinen Film über Max Bill im Fernsehen gesehen und fragte, ob ich gewusst hätte, dass er sich in der 80er Jahren bankintern vehement für die Realisierung von Bills Pavillonskulptur an der Zürcher Bahnhofstrasse eingesetzt habe. Er meinte, dass dies ein paar Jahre später nicht mehr möglich gewesen wäre.
Nachdem Ospel an die Spitze getreten sei, habe er als erste Amtshandlung sogleich alle sorgfältig von seinen Vorgängern ausgesuchten Kunstwerke in der Chefetage entfernen lassen, all die grossen Werke von Max Bill, Sophie Taeuber, Jean Arp, Fritz Glarner und Richard Paul Lohse. Und habe stattdessen irgendwelchen postmodernen Ramsch aufgehängt, bloss weil die UBS im Kunsthandel gerade damit spekulierte. Das «Art Banking» der UBS hatte dann tatsächlich unter dem Duo Schweizer/Ammann Schiffbruch erlitten. Dass die neue Direktion der Bank keine Ahnung hatte von Kunst, war für Mühlemann das erste Anzeichen des Untergangs gewesen. Er war fest davon überzeugt, dass sich dies gerächt habe. «Glauben Sie mir, die UBS ist nicht mehr zu retten!», wiederholte der ehemalige Thurgauer FDP-Nationalrat ein paarmal, schwer enttäuscht von seiner Bank, der er Jahrzehnte lang gedient hatte. Ich hatte damals leer geschluckt und an die vielen kleinen Angestellten gedacht, in deren Büros die regionalen Kunstwerke hängen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Autor und Film-Regisseur

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