Kommentar
Atomstrom war und ist und bleibt zu billig
Die Buchhalter des Atomabbruchs haben bis weit hinter die Kommastelle gerechnet: 20,654 Milliarden Franken werde die Stilllegung der fünf Schweizer Atomkraftwerke (AKW) und die Entsorgung ihres radioaktiven Abfalls kosten. Das sind zehn Prozent mehr als vor fünf Jahren noch kalkuliert wurde, zeigte die neuste, am Mittwoch präsentierte Rechnung, die der Bund alle fünf Jahre eestellen lässt.
Diese neuen Zahlen sind ebenso präzis wie falsch. Denn niemand kann wissen, wie hoch der Preis ist, um unseren Atommüll während Tausenden von Jahren sicher zu lagern. Prophezeien lässt sich hingegen, dass die nächste Rechnung in fünf Jahren erneut höher ausfallen wird.
Ebenso unbekannt ist, ob das Geld im Stilllegungs- und im Entsorgungsfonds reichen wird, um die Kosten zu decken, die das Atomzeitalter hinterlässt. Denn das hängt unter anderem davon ab, ob ein AKW aus Sicherheitsgründen schon morgen abgeschaltet werden muss oder über die kalkulierten 50 Jahre hinaus am Netz bleiben darf.
Unkalkulierbar sind – im Jahrhundert der sich häufenden Finanzkrisen – auch die Kapitalerträge oder Verluste der Fonds. Auf jeden Fall erhöhen zu knappe Einzahlungen in den Stillegungs- und Entsorgungsfonds den politischen und wirtschaftlichen Druck, die alten AKW möglichst lange laufen zu lassen.
Sicher ist eines: Produzentierende und Konsumierende decken die wahren Kosten der nuklearen Elektrizitätsproduktion nur teilweise. Atomstrom war und ist zu billig – und bleibt es auch, wenn die Fondseinlagen nicht deutlich erhöht werden. Allein die am am Mittwoch präsentierte neuste Rechnung dürfte die Kosten der Schweizer AKW-Betreiber um jährlich 100 bis 130 Millionen Franken erhöhen.
Die höheren Kosten für Atomstrom müssen möglichst schnell auf die Preise überwälzt werden, auch wenn die Konsumschützer zettern. Denn die heutige Generation hat jahrelang vom zu billigen Strom profitiert – und Glück gehabt, dass sie hierzulande von einem schweren Atomunfall verschont blieb. Eine grosszügige Finanzierung der Entsorgungskosten ist darum eine moralische Pflicht gegenüber den Enkeln und Enkelkindern. Damit für sie neben unserem Arommüll auch noch etwas Geld übrig bleibt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine