Kommentar

Verlorene Jahre erschweren den Atom-Ausstieg

Hanspeter Guggenbühl © bm

Hanspeter Guggenbühl /  Den Atom-Ausstieg hat die Schweiz 1986 verpasst. Seither förderten Staat und Wirtschaft die nukleare Abhängigkeit.

Wenige Monate nach der Explosion des Atomreaktors in Tschernobyl lancierte die SP-Schweiz eine Initiative, die «so rasch als möglich» den Ausstieg der Schweiz aus der Atomenergie forderte; diese Initiative lehnte das Volk vier Jahre später ab. Zwei Wochen nach der Katastrophe in Japan verlangen SP (per Gesetz) und Grüne (per Initiative) erneut einen schnellen Atomausstieg. Dazwischen liegen 25 Jahre.

In diesen Jahren hat sich die Schweiz immer stärker von der Atomenergie abhängig gemacht: 1986 verbrauchten Haushalte und Wirtschaft noch 46 Milliarden kWh Strom, 25 Prozent davon aus Atommeilern. Damals wäre es einfach gewesen, den Atompfad zu verlassen. Bis 2010 ist der nationale Stromverbrauch auf 64 Milliarden kWh gestiegen und der Anteil der Atomenergie auf 40 Prozent. Diesen Anteil wollen SP und Grüne spätestens bis 2025 durch neue erneuerbare Energien ersetzen oder einsparen.

Unmöglich ist es nicht, dieses Ziel zu erreichen: Die Effizienz von Beleuchtung, Industriemotoren und vielen andern stromverschlingenden Anlagen und Geräten lässt sich wesentlich steigern. Viel Strom, der verheizt oder in Boilern vergeudet wird, kann durch Solar- und Umgebungswärme ersetzt werden. Genügsame Haushalte brauchen heute nur einen Drittel soviel Strom wie der Durchschnitt. Um dieses grosse Spar- und Substitutions-Potenzial zu nutzen, braucht es aber progressive Stromtarife und Lenkungsabgaben, damit Stromverschwendung unattraktiv wird. Zusätzlich muss der Bund strenge Verbrauchsnormen einführen, welche die beste Technik in der Praxis durchsetzen.

Neu sind diese Forderungen nicht. Sie wurden schon 1986 erhoben. Doch Bundesrat, Parlament, Wirtschaft und Volksmehrheiten haben wirksame Regelungen zur Reduktion des Stromverbrauchs stets abgeblockt. Tiefe Strompreise hatten Vorrang vor effizienter Stromanwendung. Das Wachstum der Wirtschaft war der Mehrheit wichtiger als der sorgsame Umgang mit endlicher Energie und andern nicht erneuerbaren Naturgütern. Energiepolitisch hat die Schweiz 25 Jahre verloren. Das erschwert heute den Atomausstieg.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

SolaranlageBauernhof-1

Energiepolitik ohne neue Atomkraftwerke

Erstes, zweites und drittes Gebot: Der Stromverbrauch darf nicht weiter zunehmen.

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Eine Meinung zu

  • am 30.05.2011 um 14:15 Uhr
    Permalink

    Was Sie Herr Guggenbühl noch vergessen haben, ist dass in den letzten 30 Jahren alle Alternativen Energien vom Atomlobby und den SVP,FDP,CVP: sabotiert, hinausgeschoben und verlacht (+TV von AXPO mit bezahlten exFussballer) wurden. Ja selbst das passive Energiesparen, bei der Raumheizung (= 60% importierter Energie) durch Isolationsvorschriften wurde mehr als 30 Jahre verschlampt (nach Oelschock 1973…).

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