Kommentar
Möbelhändler bevormunden Konsumenten
Interio verkauft massive Betten, deren Holz aus Deutschland stammt, das nach Vietnam transportiert, dort verarbeitet wurden, und wieder per Schiff nach Europa und per Lastwagen in die Läden gelangten. Über diesen transkontinentalen Produktionsweg informierte das Möbelhaus Interio, das zum Migros-Konzern gehört, erst auf Nachfragen der Westschweizer Radiosendung «On en parle». Auf den Etiketten dieser Betten steht nichts davon.
Die Radio-Reporter haben in acht grossen Möbelhäusern kontrolliert, ob die Herkunft des Holzes und der Ort der Verarbeitung deklariert sind. Auf den Etiketten war der Produktionsort nur selten angegeben. Am besten schnitt noch Möbel-Pfister ab, am schlechtest Otto’s. Dort gibt es zum Beispiel massive Betten aus Brasilien zu kaufen oder massive Schränke mit Holz aus den USA, das in Deutschland verarbeitet wurde. Ikea wollte nicht einmal auf Nachfrage der Welschen Konsumenten-Zeitschrift «Bon à Savoir» verraten, woher ihre Küchentische aus Pressholz stammen.
«Diese Angaben interessieren die Konsumenten nicht», behaupteten die meisten konfrontierten Möbelhäuser. Doch wie sollen Konsumentinnen und Konsumenten mit ihren Kaufentscheiden mit bestimmen, ob sie regional, kontinental oder interkontinental hergestellte Möbel bevorzugen? Etliche wären sogar bereit, für die regionale Produktion etwas mehr zu zahlen. Umweltpolitisch ist es ohnehin ein Unsinn, Holz für Möbel von Kontinent zu Kontinent zu transportieren. Solche Transporte zahlen sich für die Möbelhäuser nur aus, weil Schiffe und Lastwagen die Kosten für die enorme Umweltbelastung, die sie verursachen, auf die Allgemeinheit abwälzen können. Und sie zahlen sich nur aus, weil die Arbeiterinnen und Arbeiter in Vietnam oder Brasilien mit miserablen Löhnen abgespiesen werden.
Bei den Lebensmitteln haben Konsumentenschutzorganisationen erreicht, dass die Herkunft und die Produktionsweise einigermassen korrekt deklariert sein muss. Bei den Möbeln müssen sie für eine korrekte und transparente Deklaration wohl noch eine Weile kämpfen. Nur beim Tropenholz kam es bisher zu Zugeständnissen, nachdem der Staat mit Vorschriften nachgeholfen hatte.
Die Möbelbranche soll sich schämen, dass sie nicht aus eigenem Antrieb und aus eigener Verantwortung die Herkunft des verwendeten Holzes und den Ort der Herstellung deklariert.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine