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ETH-Wirtschaftsprofessorin Renate Schubert © Peter Rüegg, ETH Zürich

USA versus China – und wo steht die Schweiz?

Renate Schubert /  Der geopolitische Grosskonflikt zwischen den USA und China lässt sich mit dem Geschäftsmodell der Alpenrepublik gut vereinbaren.

Red. ETH-Wirtschaftsprofessorin Renate Schubert ist u. a. spezialisiert auf Risikofragen und Probleme in Entwicklungsländern.

Die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei SVP hat bei der letzten Volksabstimmung eine krachende Niederlage erlitten. Mit klarer Mehrheit sprach die Bevölkerung sich am 27. September gegen die massgeblich von der SVP initiierte „Begrenzungsinitiative“ aus – man will sich nicht vom Rest der Welt isolieren, erst recht nicht von Europa.
Eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union steht dennoch nicht zur Diskussion, zu unterschiedlich sind das Verständnis der Schweiz und jenes der meisten EU-Länder von der Rolle des Staats und den Rechten und Pflichten der Bürgerinnen und Bürger. Gerade weil die Schweiz eine von der EU unabhängige Position schätzt, kommt sie nicht umhin, im geopolitischen Konflikt zwischen den USA und China Stellung zu beziehen.

Aufforderung der ETH

Funktioniert das klassische Neutralitätspostulat des Landes auch in Zeiten zunehmender Rivalität der beiden Hegemonialmächte? Und was sind die Folgen des Machtkampfs der Grossen für die kleine, stark vernetzte Schweiz?
Derzeit deutet wenig darauf hin, dass die Schweiz ausschliesslich auf die Karte „USA“ oder den Trumpf „China“ setzt – auch wenn einige Medien schon von einer „Unterwerfung“ unter die Vereinigten Staaten von Amerika sprechen. Anlass für die Unterwerfungsthese war die Tatsache, dass die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich ihre Wissenschaftler im vergangenen Jahr aufgefordert hatte, dem chinesischen Unternehmen Huawei keine Forschungstechnologie mit amerikanischen Komponenten mehr bereitzustellen.

Vorangegangen war die an amerikanische Konzerne gerichtete Weisung von US-Präsident Donald Trump, eigene Hightech-Technologie nicht länger an Huawei zu verkaufen. Gegen die Unterwerfungsthese spricht allerdings, dass Huawei bereits stark in der Schweizer Wirtschaft präsent ist: Die Chinesen beteiligen sich am Ausbau des 5G-Netzes, waren in diesem Jahr offizieller Sponsor des traditionsreichen Lauberhorn-Skirennens, statten Sportstadien mit Wireless-Infrastruktur aus und finanzieren Forschungszentren sowie Professuren.

„Decoupling“ kostet
Nun ist China ohne Zweifel angetreten, die USA als Weltmacht Nummer eins abzulösen – in militärischer Hinsicht, aber auch in puncto Handel, Technologie und Finanzmärkte. Dagegen stemmen sich die Amerikaner in seltener Einigkeit, ob Republikaner oder Demokraten.
Im Hochtechnologiesektor Handelsbeschränkungen gegen China zu verhängen, wirkt da nur folgerichtig. Es ist zu erwarten, dass die USA sich künftig noch stärker von globalen Lieferketten abkoppeln werden, an denen China beteiligt ist. Bei Medizingeräten und Arzneimitteln etwa kann das ja auch sinnvoll sein, wie die Coronakrise gezeigt hat.
Aber wäre „Decoupling“ aus Sicht der Alpenrepublik ebenfalls eine erfolgversprechende Strategie? Wohl kaum. Etwa die Hälfte aller Schweizer Warenimporte und -exporte ist schliesslich in globale Wertschöpfungsketten eingebunden. Glieder aus diesen Ketten zu lösen wäre für ein kleines Land problematisch.
Das ginge mit verringerten Handelsmöglichkeiten einher, die durch mögliche zusätzliche Chancen, Produkte direkt in den USA oder eben in China abzusetzen, nicht zu kompensieren wären. Hinzu kommt: „Decoupling“ kostet – die Preise für Konsumgüter, in der Schweiz ohnehin schon auf hohem Niveau, würden weiter steigen.
Wegen des chinesisch-amerikanischen Antagonismus scheint derzeit allerdings alles auf eine bipolare Welt technologischer Standards hinauszulaufen – eine Art „Tech Cold War“ mit US-Standards einerseits und chinesischen Standards andererseits.
Beide dürften für absehbare Zeit nicht ohne Weiteres kompatibel sein. Diese Zweiteilung wird die Schweiz ebenso wie die meisten anderen Länder zwingen, Farbe zu bekennen und sich bei Industriestandards und Datenspeicherung für die eine oder die andere Welt zu entscheiden.
Würden Länder oder Unternehmen zweigleisig fahren und mit beiden Standards arbeiten, wären damit ineffizient hohe Kosten verbunden. Die Welt steht also vor schwierigen und kostspieligen Entscheidungs- und Aushandlungsprozessen. Vergeltungsmassnahmen durch die jeweils nicht erfolgreiche Seite sind alles andere als unwahrscheinlich.
Käme es aufgrund von allgemeinen geo- und machtstrategischen Überlegungen zur Abkopplung der US-Finanzmärkte von China, würde dies den europäischen Finanzzentren – nicht zuletzt Zürich – in die Hände spielen. Sie könnten dann gesuchte Partner der USA oder Chinas werden.
Grosse Herausforderungen für kleine, stark vernetzte Staaten
Vieles spricht jedoch dafür, dass es für eine Abkoppelung im Finanzsektor schon zu spät ist. Gerade amerikanische Geschäftsbanken sind inzwischen stark in China engagiert, da sie dort lohnende und wachsende Geschäftsfelder sehen. Zuletzt zeichneten US-Investoren eifrig chinesische Staatsanleihen, obwohl US-Präsident Donald Trump das natürlich nicht gern sieht. Zu hoffen bleibt, dass die Konflikte zwischen den USA und China sich nicht auch noch in militärischer Hinsicht wechselseitig hochschaukeln.
Nicht weniger als 90 Prozent des chinesischen Handels und 40 Prozent der Ölimporte sind auf Seewege angewiesen, die von den USA kontrolliert werden – im Fall eines „heissen Kriegs“ würden die geopolitischen Karten jedenfalls ganz neu gemischt.
Viele Länder sind also mit schwierigen Entscheidungen konfrontiert, wie sie künftig ihren Handel, ihre Industrien und ihre Finanzmärkte positionieren wollen. Für kleine, wirtschaftlich stark vernetzte Staaten sind die Herausforderungen besonders gross.
Spielen dabei auch noch der Technologie- und der Finanzsektor eine wesentliche Rolle, wird es noch komplizierter. All dies trifft auf die Schweiz zu. Eine hohe Aufmerksamkeit für das, was zwischen den Grossen passiert, ist unverzichtbar, will die Schweiz ihre gute wirtschaftliche und technologische Position verteidigen.
Das Talent der Schweiz, da darf man vorsichtig optimistisch sein, sich militärisch, aber auch sonst vor allzu vollmundigen Bekenntnissen für die eine oder andere Seite zu hüten, wird auch im Konflikt zwischen den USA und China zum Tragen kommen.
Im Übrigen ist eine kleine, wohlhabende Nation mit Fingerspitzengefühl für das Ausloten von Verhandlungspositionen für Peking ebenso interessant wie für Washington. Die Schweiz hat in der Vergangenheit ihr Geschick bewiesen, für streitende Parteien erfolgreich die Rolle eines politischen Mediators zu spielen. So könnte der Grosskonflikt zwischen den USA und China sogar durchaus gut zum helvetischen „Geschäftsmodell“ passen.
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Dieser Beitrag erschien zuerst im Handelsblatt.
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Infosperber-Dossier:
Der Kalte Krieg bricht wieder aus

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Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Renate Schubert ist Wirtschaftsprofessorin und «Head of Office of Equal Opportunities» an der ETH Zürich.

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5 Meinungen

  • am 23.11.2020 um 11:53 Uhr
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    Wo steht die Schweiz? Die Schweiz steht auf der Weltkarte zwischen USA und China! Aber wer spricht denn schon weltpolitisch überhaupt von der Schweiz?
    Ja doch, die Schweiz ist zwar auf der Landkarte ein kleines Land, aber wirtschafts-politisch ein wichtiger Handelspartner, selbst für Grossnationen. Und die Schweiz als 20. grösste Volkswirtschaft darf als «Gast» am Katzentisch, der ganz grossen Nationen, der G-20 teilnehmen, ausnahmsweise!….. Wann werden endlich dort die wirtschaftlichen Qualitäten anerkannt und nicht geringgeschätzt. Wir wollen keine weltpolitische Grossmaulpolitik, wir wollen Demokratie und Wertschätzung!

  • am 23.11.2020 um 16:28 Uhr
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    Das «Decoupling» kann aber durchaus als Ausrede verwendet werden, um eine eventuell kommende Inflation zu erklären. Auch wenn durch die Druckerei von $ in den USA durch die Fed unsere Nationalbankreserven an Wert verlieren. Sind ja nur etwa 30% der Einlagen. Der «Kalte Krieg» gegen China wurde von Trump initiiert. Das geht nicht gegen ein armes, kleines, oder unterentwickeltes Land wie Afghanistan. Es hat das Potenzial zum nächsten Weltkrieg. Die Gefahr braucht es halt, um mit dem lukrativsten Geschäft der USA (Der Rüstungsindustrie) noch Gewinne einzufahren. Für die Schweiz als «Seriöse Geschäftlimacher» ein Muss: Sich dazwischenzustellen, und wie üblich an beiden Seiten so viel wie nur irgend möglich zu verdienen. Notfalls mit Hilfsorganisationen, oder anderen NGO’s.

  • am 23.11.2020 um 21:34 Uhr
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    Interessanter Beitrag. Aber die Schweiz muss aufpassen, dass sie sich nicht in die Nesseln setzt, einen Anfang dazu hat sie schon mit dem Freihandelsabkommen mit der VR China gemacht, von BR Schneider-Ammann in höchsten Tönen gelobt. Verschwiegen wurde dabei dabei und wird weiter, dass der Ausverkauf von Schweizer Technologie an die Chinesen munter weitergeht, wie in Italien. Syngenta ist inzwischen in chinesischem Besitz, mit allen negativen Konsequenzen, von Arbeitsplätzen bis zur Ökologie. Syngenta exportiert hochgiftige Agrochemikalien in die ganze Welt, welche in der Schweiz und in der EU verboten sind. Die Schweiz schaut zu, das kann es ja wohl nicht sein. Nicht nur die Schweiz, sondern die ganze EU muss umdenken und sich gegen die Grossmacht-Ansprüche der USA und der Chinesen wehren, gerade auch im wirtschaftlichen Bereich. Und nicht vergessen, China tritt auf der Weltbühne zunehmend rücksichtslos und imperialistisch auf, in Konkurrenz zu den USA, siehe Konflikte im Südchinesischen Meer. Europa muss sich auf der Weltbühne deutlich stärker engagieren, sonst ist der Zug bald mal abgefahren.

  • Portrait_Josef_Hunkeler
    am 24.11.2020 um 08:34 Uhr
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    In den 70er Jahren hat Bührle das Raketengeschäft an Contraves in Italien «ausgelagert», um die Exportkontrollen zu umgehen. Als «Kompensation» wurden aber während eines ganzen Jahres Flab-Kanonen für die CH auf Halde gebaut, bevor das Parlament den entsprechenden Deal pflichtbewusst abgesegnet hat.

    Die Rot-Kreuzleute wurden im Benin-Krieg trotz Exportkontrollen von – an Portugal verkaufte – Bührle Marine-Flab-Kanonen unter Beschuss genommen und Ciba-Geigy Napalm fand offenbar im Jemen «profitablen» Einsatz.

  • am 25.11.2020 um 09:10 Uhr
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    @Alois Amrein: Welche Konflikte im Südchinesischen Meer? Chinas Anspruch auf unbewohnbare Inseln, die es selber aufbaggert und Ausbaut? Was ist das denn im Vergleich zu den Kriegen die die USA entweder mit Waffen versorgen, oder gleich selber mitmachen? Afghanistan, Syrien, mit Saudis als Proxy gegen Jemen, mit Irak als Proxy gegen Iran, etc. Staaten mit Firmen oder NGOs zu unterwandern, oder gleich Interims-Präsidenten fremder Länder zu ernennen? wer hier von «Rücksichtslosem Auftreten Chinas» redet, und das der USA verschweigt, hat nach meiner Ansicht nur ein Auge offen.

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